Globaler Wettbewerb

Attacke, Europa!

Jetzt hat Europa Chancen, sich im Wettlauf um die Technologieführerschaft zu behaupten. Allerdings erfordert das eine neue Denke, warnt Frank Thelen.

16.07.2020

Video-Calls ersetzen persönliche Meetings, ­Webinare die Präsenzveranstaltungen, und der Kaffeeplausch wird zum Gruppen-Chat: Die Coronakrise hat die Digitalisierung vieler Prozesse in Unternehmen vorangetrieben – in Hochgeschwindigkeit. „Deutschland ging es immer gut, weil wir einen stabilen Mittelstand und viele Hidden Cham­pions haben“, sagt Frank Thelen im DUB Business Talk.

„Wir haben uns zurückgelehnt und die großen Technologien komplett verschlafen. China und die USA dominieren dieses Spielfeld. Jetzt haben wir die Chance aufzuholen“, so der Seriengründer und Tech-Investor. Und das sei nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa bitter nötig. So hat Thelen im Vor­wort seines neuen Buchs „10 x DNA – Das Mindset der Zukunft“ mahnende Worte parat: „Wenn wir die Zukunft mitgestalten wollen, muss Europa wirtschaftlich bedeutend bleiben. Die Gefahr, dass es in zehn Jahren bedeutungslos ist, wird maßlos unterschätzt.“

Erster Moonshot als Geburtsstunde

Doch wie kann die Aufholjagd gelingen? Und was hat es mit der Formal 10 x DNA auf sich? Thelen: „In den nächsten zehn Jahren verändert sich unsere Welt stärker als in den vergangenen 100 Jahren.“ Damit spielt er auf die Denkweise an, die hinter disruptiven In­novationen steht und die dazu führt, dass technologischer Fortschritt künftig in immer höherer Geschwindigkeit erfolgen wird. 

Als Geburtsstunde dieses Denkansatzes sieht ­Thelen die Mondlandung am 20. Juli 1969. Diesem vermeintlich „kleinen Schritt“ von US-Astronaut Neil Armstrong und dem „großen Schritt für die Menschheit“ gingen viele Jahre intensive Forschung und Entwicklung voraus – obwohl die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt davon überzeugt war, dass der Moonshot schlicht unmöglich sei. Doch das Team der Nasa entschied sich, dass scheinbar Unmögliche möglich zu machen – ein Spirit, der auch heute im Silicon Valley und in China gelebt werde.

Das Mantra ist entscheidend

Besonders in den Vereinigten Staaten lasse sich diese Haltung an einer historischen Linie beobachten, die von Visionär zu Visionär weitergetragen wurde und heute die Büros von Apple, Google und Co. prägt. „Die meisten CEOs sind mit Verbesserungen von zwei bis drei Prozent pro Jahr zufrieden. Google-Gründer Larry Page nicht. Für ihn ist ‚10 x‘ zum Mantra geworden“, so Thelen.

Und China? „Chinas 10 x DNA ist eine Mischung aus breitem gesellschaftlichem Optimismus und einer Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technolo­gien, gepaart mit dem Willen, durch In­no­vationen viel Geld zu verdienen.“ Und so sind – ähnlich wie beim Moonshot – Flugtaxis, 3-D-gedruckte Häuser und Fleisch aus dem Labor nicht mehr unmöglich, sondern längst schon ­Wirklichkeit. Die Frage ist: Wird Europa seine Chancen nutzen und künftig beim Fortschritt vorn mitmischen können?