Ernährung der Zukunft

FoodTech: Eine Chance historischen Ausmaßes

Gutes Essen, zumal in Gesellschaft von Freunden und Familie, hat großen Einfluss auf unsere Lebensqualität und ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Kultur. Was gibt es Schöneres, als gemeinsam eine wunderbare Mahlzeit zu genießen? Gesunde Ernährung ist lebenswichtig, da gibt es keinen Zweifel. Dennoch ist es trotz aller Anstrengungen noch nicht gelungen, den Hunger auf diesem Planeten zu besiegen. Etwa 750 Millionen Menschen fehlt ausreichender Zugang zu Nahrungsmitteln, und zwei Milliarden können sich nicht gesund ernähren. „Allein das ist schon Grund genug, sich mit unserem Ernährungssystem fundamental zu beschäftigen“, so Olaf Koch, Gründer der Venturecapital-Gesellschaft Zintinus, im Buch „Next.2030“. Er skizziert seine Vision der Ernährung der Zukunft.

19.04.2023

Die vergangenen Jahrzehnte waren im Wesentlichen davon geprägt, möglichst vielen Menschen Zugang zu guten und günstigen Lebensmitteln zu gewähren. Doch die Auswirkungen auf die Umwelt blieben dabei zu oft unberücksichtigt. Im Wettlauf um niedrige Kosten wurden Kompromisse in Kauf genommen, deren negative Auswirkungen sich jetzt immer deutlicher herauskristallisieren. Dabei ist die Erkenntnis, dass wir auf Nachhaltigkeit achten müssen, definitiv nicht neu.

Hatte uns nicht der Club of Rome schon vor 50 Jahren mit seinen „Grenzen des Wachstums“ deutlich gewarnt? Unsere Zukunft sei in Gefahr, hieß es, wenn wir weiter so täten, als hätten wir unbegrenzten Zugang zu den Ressourcen der Erde. Das war 1972. Heute ist die Bewältigung der Erderwärmung als Folge der Ausbeutung natürlicher Ressourcen eine der drängendsten Aufgaben unserer Zeit.

Aber wo ansetzen auf der Suche nach einer Lösung?

Die großen Herausforderungen des Lebensmittelsystems

Auch wenn es viele Ursachen und Verursacher gibt, steht die riesige, globale Lebensmittelindustrie besonders im Fokus. Die weltweiten Lebensmittelumsätze haben im Jahr 2022 rund 8,8 Billionen US-Dollar erreicht. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen ist das Lebensmittelsystem für etwa ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und repräsentiert den größten Verbraucher an Frischwasser. Insbesondere die ressourcenintensive Fleischindustrie spielt dabei eine große Rolle.

Gleichzeitig geht etwa ein Drittel der jährlich produzierten Lebensmittel verloren. Häufige Ursachen hierfür sind

  • mangelnde Infrastruktur,
  • ineffektive Warenströme,
  • mangelnde Planungsqualität,
  • Überbestände und
  • mangelnde Markttransparenz.

Project Drawdown, eine der führenden gemeinnützigen Organisationen, die sich mit Klimalösungen befassen, stuft die Reduzierung von Lebensmittelabfällen als die wichtigste potenzielle Lösung ein, um den Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die Reduzierung von Lebensmittelabfällen ist für große Unternehmen und politische Entscheidungsträger zu einer absoluten Priorität geworden.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Lebensmittelbedarf wegen des Bevölkerungsanstiegs und verbesserter Einkommensverhältnisse bis 2050 voraussichtlich um mehr als 50 Prozent nach oben schnellt. Die Nachfrage nach proteinreichen Lebensmitteln wie Fleisch und Milchprodukten steigt bis dahin voraussichtlich sogar noch stärker – nämlich um fast 70 Prozent.

Die Zahlen verdeutlichen, wie dringlich die Transition des Ernährungssystems ist – sowohl aus Gründen der Nachhaltigkeit als auch der Versorgungssicherheit.

Gesundheit ist stärker im Fokus

Die Nachfrage verändert sich auch, weil das Thema ökologischer Fußabdruck Teile der Lebensmittelbranche, viele Verbraucher:innen und damit auch die politische Debatte erreicht hat. Dieser Diskurs sowie ein neues Gesundheitsbewusstsein in der Gesellschaft bedeuten Veränderung: Immer mehr Menschen präferieren alternative Produkte.

Der Umsatz bei pflanzlichen Fleischalternativen ist beispielsweise in den USA in den vergangenen zwei Jahren um 53 Prozent gestiegen. Das Feld „Pflanzenbasierte Produkte“ ist in Europa und in den USA um das Vier- bis Fünffache stärker gewachsen als der Gesamtmarkt – auf ein Jahresvolumen von 16 Milliarden Euro.

Doch nicht nur die Nachhaltigkeit, auch die Gesundheit ist stärker in den Fokus geraten. Viele Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Herzkrankheiten, die sehr mit der kalorienreichen Massenproduktion von Lebensmitteln zusammenhängen, setzen die Gesundheitssysteme unter enormen Druck. Beispielsweise stiegen die europäischen Ausgaben zur Behandlung von Diabetes im Jahr 2021 auf fast 190 Milliarden US-Dollar.

Neue Perspektiven, neue Chancen

Durch die Pandemie hat dieser Diskurs an Intensität und Bedeutung gewonnen und damit die Verbraucherpräferenzen weiter verschoben. In einer Umfrage von Bain & Company haben Verbraucher:innen „Gesundheit“ als Priorität Nummer zwei und „Nachhaltigkeit“ als Priorität Nummer vier bei Kaufentscheidungen genannt. Das hohe Inflationsniveau wird das Konsumverhalten sicher beeinflussen, eine Verschiebung der Präferenzen ist allerdings nicht zu erwarten.

Doch wie soll man das Problem angehen? Gibt es genügend vielversprechende Lösungsansätze, mit denen das Lebensmittelsystem bis 2030 nachhaltiger und gesünder gestaltet werden kann? Die Antwort lautet eindeutig „Ja“.

Unter dem Dachbegriff FoodTech haben sich zahlreiche neue Ansätze entwickelt, um nachhaltigere und/oder gesündere Lebensmittel und Nährstoffe herzustellen. Insbesondere der Bereich „Alternative Proteine“ hat in den letzten Jahren einen enormen Sprung nach vorn gemacht. Vor ein paar Jahren waren pflanzliche Alternativen nur ein Nischenthema, also interessant eher für eine kleine Gruppe von Veganer:innen und Vegetarier:innen. Inzwischen sind sie ein Mainstream-Phänomen: 54 Prozent der Verbraucher:innen in den USA, in Großbritannien und Deutschland geben an, pflanzliches Protein schon mindestens einmal probiert zu haben; 47 Prozent konsumieren es mindestens einmal pro Woche.

Frontansicht Porträt mit drei jungen Frauen, die im Restaurant sitzen und Burger essen und mit Virtual-Reality-Brille in die Kamera schauen

Was die Umweltverträglichkeit angeht, haben pflanzliche Fleisch-, Fisch- oder Milchalternativen einen erheblichen Vorteil: Laut einem vom Good Food Institute (GFI) erstellten Vergleich

  • verbrauchen etwa pflanzliche Fleischalternativen 47 bis 99 Prozent weniger Land,
  • emittieren 30 bis 90 Prozent weniger Treibhausgase,
  • benötigen 72 bis 99 Prozent weniger Wasser und
  • verursachen 51 bis 91 Prozent weniger aquatische Nährstoffbelastung als herkömmliches Fleisch.

Außerdem benötigen pflanzenbasierte Produkte keine Antibiotika, was sie auch gesünder macht.

Es gibt aber auch Nachteile: Bei der Herstellung einiger Produkte werden in Sachen Zutaten Kompromisse eingegangen, um ein möglichst „echtes“ Geschmackserlebnis zu ermöglichen. Das wiederum führt nicht immer zu Alternativprodukten mit einem guten, also gesunden Nährwert. Insbesondere die kritisch bewertete Methylcellulose (E 461) kommt heute häufig zum Einsatz.

Fermentation scheint eine vielversprechende Technologie zu werden

Die Anzahl neuer Verfahren zur Erzeugung von alternativen Proteinprodukten ist sehr groß. Das Thema reicht weit über die Extrusion von Proteinen aus Hafer, Soja, Mandeln und Erbsen hinaus. Insbesondere die Fermentation scheint sich zu einer sehr vielversprechenden Technologie weiterzuentwickeln. Das kommt eigentlich nicht überraschend: Seit Jahrtausenden spielt sie bei Lebensmitteln und Getränken wie Joghurt, Brot, Bier und Wein eine wichtige Rolle. Nun eröffnen sich neue Perspektiven durch die Fermentation von Pilzen und Algen.

Insbesondere Mycelium hat enorm an Popularität gewonnen, da es sich hervorragend dazu eignet, eine große Vielfalt von Aromen, Farben und Strukturen in der Form von hochwertigen Proteinen zu erzeugen. Über die Fermentation des Myceliums kann eine breite Vielfalt von Produkten erzeugt werden, die der Kategorie der pflanzenbasierten Alternativprodukte einen weiteren Schub geben wird, da diese nicht nur deutlich gesünder, sondern noch einmal deutlich ressourcenschonender sind, da sie unter anderem erheblich weniger Wasser und Fläche benötigen.

Noch einen Schritt weiter geht die Präzisionsfermentation. Sie baut auf der gleichen Logik auf, erweitert sie jedoch um den Einsatz von Mikroorganismen. Dieser hocheffiziente Ansatz zur Erzeugung von Proteinen und anderen Nährstoffen wie Süßungsmitteln wird seit den 1980er-Jahren verwendet. Die Präzisionsfermentation verspricht, eine Vielzahl hochwertiger Proteine auf sehr umweltfreundliche Weise und zu attraktiven Kosten zu erzeugen. Das könnte zu einem wichtigen Treiber für die Verlagerung hin zu alternativen Proteinen werden. Die Produkte, die entwickelt werden, reichen von Milchprodukten, Eiscreme und fermentiertem Eiprotein bis hin zu Gelatine.

Der Haken: Zutaten und Produkte der Präzisionsfermentation fallen oft unter die Novel-Food-Verordnung und erfordern daher eine Genehmigung der Behörden wie beispielsweise der EFSA in Europa. Das kann zu einem zeitaufwendigen und kostspieligen Verfahren werden.

Züchtung von tierischen Zellen statt von Tieren

Ein weiterer sehr vielversprechender Weg ist der zellbasierte Ansatz, der sich auf die „Züchtung tierischer Zellen“ und nicht auf die „Züchtung von Tieren“ konzentriert.

Das Konzept basiert auf der In-vitro-Kultivierung tierischer Zellen, die Proteine, Fette und Gewebe produzieren. Das Ziel: Von der „ressourcenintensiven“ Tierhaltung zu einer „ressourcenleichten“ Zellproduktion übergehen. Die beliebteste Anwendung ist Fleisch, obwohl sich einige Unternehmen auf Meeresfrüchte spezialisiert haben.

In einem aus dem medizinischen Bereich übernommenen Ansatz werden dem Tier Stammzellen entnommen und einem Nährmedium ausgesetzt, das sie dann ernährt und wachsen lässt. Dies bietet eventuell die Möglichkeit, Fleisch und Meeresfrüchte mit dem gleichen Geschmackserlebnis und dem gleichen oder sogar besseren Nährwert wie Fleisch vom Tier zu züchten, ganz ohne Antibiotika und deutlich ressourcenschonender produziert.

Hier besteht aber dasselbe Problem wie bei der Fermentation: Auch für diese Produkte werden behördliche Freigaben erforderlich sein, weil sie eine vollkommen neue Lebensmittelvariante repräsentieren.

Ebenso wichtig ist die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Heute sind die Produktionskosten noch um ein Vielfaches höher als bei den konventionellen Produkten, die sie ersetzen sollen, oder bei anderen Alternativen. Darüber hinaus fehlt aktuell eine ausreichende Produktionsinfrastruktur. Diese scheinbar enormen Hürden könnten sich aber durch den technischen Fortschritt alsbald als überwindbar darstellen.

Funktionelle Lebensmittel

Auch auf anderen Feldern wurden große Fortschritte gemacht. Bei funktionellen Lebensmitteln etwa. Sie sehen aus wie ihre traditionellen Entsprechungen, enthalten aber zusätzliche, gesunde Inhaltsstoffe. Beispiele: Snacks mit Vitaminzusatz oder mit Probiotika angereicherte Lebensmittel und immunstärkende Getränke. Oder Nahrungsergänzungsmittel mit ernährungsphysiologischer Wirkung. Sie werden meistens als Pillen, Tabletten, Kapseln oder Flüssigkeiten verkauft.

Auch wenn es durchaus skeptische Stimmen zu diesem Thema gibt, wird erwartet, dass Nahrungsergänzungsmittel an Bedeutung gewinnen, weil sie bei gleichen oder ähnlichen Essgelegenheiten einen höheren Nährwert bieten. Nach einem Bericht von Grand View Research soll der globale Markt für funktionelle Lebensmittel bis 2025 voraussichtlich 275,8 Milliarden US-Dollar erreichen.

Verschwendung minimieren

Deutliche Fortschritte wurden auch auf dem Gebiet Lebensmittelverlust gemacht. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind viele neue, innovative Wege entstanden. Beispielsweise Speicherlösungen – etwa solarbetriebene Kühlräume speziell für die Temperaturregelung in Ländern mit begrenzter Kühlketteninfrastruktur.

Oder Verpackungslösungen: Sie können eine Schlüsselrolle bei der Herstellung von Produkten spielen, wenn sie durch eine zusätzliche Schutzschicht länger haltbar sind.

Datenanalytik könnte sich dabei als einer der wichtigsten Treiber erweisen. Von der Versorgungstransparenz von Erntegütern in Entwicklungsländern bis hin zur Sichtbarkeit, wo Lebensmittelverschwendung stattfindet, gibt es verschiedene Möglichkeiten. In der Konsumgüterindustrie und im Handel sind zahlreiche dieser Planungs- und Steuerungswerkzeuge schon im Einsatz und haben dabei geholfen, die Verderbsquoten erheblich zu reduzieren.

Wenn es gelingt, ähnliche Systeme in Kombination mit Rückverfolgbarkeit in der gesamten Branche einzuführen, können 2030 erheblich mehr Lebensmittel für den Verbrauch gerettet werden.

Ein weiteres Beispiel: die Gastronomie. Das Sichtbarmachen von Überbeständen oder Essensresten hat sich als sehr effektives Mittel zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen erwiesen, was obendrein die Kunden freut. Das Prinzip ist einfach: Über eine Plattform werden überschüssige Lebensmittelbestände an Orten wie Bäckereien oder Hotels anzeigt, die nach Geschäftsschluss verloren gehen (zum Beispiel Brot oder Gebäck am Abend oder für das Frühstücksbuffet nach den Hauptstoßzeiten). Diese Waren werden den Verbraucher:innen mit einem Rabatt verkauft, was Lebensmittelverluste reduziert und Betreibern weitere Einnahmen beschert.

Lieferdrohne mit Lebensmitteln

Ernährung der Zukunft ist ein attraktiver Investment-Case

Die Vielfalt an neuen Lösungsansätzen und der rasante Fortschritt der technologischen Reifegrade sind sehr ermutigend. Die Konvergenz der Notwendigkeit, die Branche nachhaltiger zu machen, und die sich schnell ändernde Verbrauchernachfrage eröffnen enorm viele neue Möglichkeiten.

Generell hat ESG (Environmental, Social, Governance, also: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) in den letzten Jahren, insbesondere nach dem Pariser Klimaabkommen, für deutlich mehr Aufmerksamkeit bei Investoren gesorgt. Der Wert der Vermögenswerte in öffentlich zugänglichen ESG-Fonds stieg von 3,7 Billionen US-Dollar im Jahr 2020 auf 6,4 Billionen US-Dollar Ende November 2021. In einer Umfrage unter großen institutionellen Anleger:innen antworteten 95 Prozent, sich bei Anlageentscheidungen auf ESG-Themen zu konzentrieren.

Während dieser Wandel auf dem Aktienmarkt stattfindet, verlagert sich auch die Risikokapitalfinanzierung. Lange standen besonders „Downstream“-Technologien wie Essensliefersysteme und Quick Commerce im Fokus. Das änderte sich 2020, dem ersten Jahr, in dem „Upstream“-Investitionen im Zusammenhang mit der Lebensmittelproduktion und -versorgung (etwa alternative Proteine, funktionelle Lebensmittel) „Downstream“ mit insgesamt 15,8 Milliarden US-Dollar übertrafen.

Die Dynamik nahm 2021 weiter zu – mit „Upstream“-Investitionen in Höhe von 18,9 Milliarden US-Dollar. Allein der alternative Proteinsektor stieg auf ein Rekordfinanzierungsniveau von fünf Milliarden US-Dollar. Auch in der 2022 deutlich eingetrübten Marktsituation blieb das Investmentniveau relativ stabil. Einer GFI-Analyse zufolge erhielten alternative Protein-Start-ups im zweiten Quartal Investitionen in Höhe von 833 Millionen US-Dollar, verglichen mit 914 Millionen US-Dollar im ersten Quartal – ein Rückgang von lediglich neun Prozent. Zum Vergleich: Die globale Risikofinanzierung ging im gleichen Zeitraum um 23 Prozent zurück.

Was wird in anderen Ländern geplant, um die Versorgungssicherheit zu verbessern?

Ein entscheidender Faktor bei der anstehenden Transition sind die regulativen und politischen Rahmenbedingungen. Der hohe Stellenwert, den Nachhaltigkeit und Gesundheit genießen, wird einer der Hauptreiber sein. Ein weiterer immer wichtiger werdender Aspekt ist die Versorgungssicherheit.

Spätestens seit dem Krieg in der Ukraine ist das Bewusstsein für die Wichtigkeit einer lückenlosen Lebensmittelversorgung in Europa rasant angestiegen. In anderen Regionen der Welt hat man sich deutlich früher auf dieses Thema konzentriert. So startete die Regierung Singapurs schon in 2019 das „30 by 30“-Programm. Es zielt darauf ab, Singapur in die Lage zu versetzen, bis zum Jahr 2030 30 Prozent des inländischen Nahrungsbedarfs vor Ort zu produzieren. Heute sind es: zwei Prozent.

Die Latte liegt hoch. Will Singapur sein Ziel erreichen, wird es mehr innovative Lebensmittellösungen wie vertikale Landwirtschaft oder zellbasierte Produkte brauchen. Der Stadtstaat hat dazu eine Reihe von Gesetzen und Förderprogrammen auf den Weg gebracht und sich damit zu einem der fortschrittlichsten Standorte für FoodTech entwickelt.

Auch Israel, China und die USA starteten Regierungsprogramme, die die Transition des Ernährungssektors fördern. In Europa wurde mit dem „Green Deal“ ebenfalls ein ambitioniertes Programm auf den Weg gebracht.

Die Erkenntnis, dass solche Programme viele Vorteile haben, scheint vielerorts zu wachsen. Tatsächlich können FoodTech-Innovationen dazu beitragen, einige der Ursachen des Klimawandels anzugehen. Sie haben das Potenzial, den Zugang zu gesünderenLebensmitteln zu ermöglichen und so den Druck auf die Gesundheitssysteme zu verringern. Und sie können eine große Rolle bei der Wahrung der Versorgungssicherheit spielen.

Sie bieten aber auch eine großartige Gelegenheit, die makroökonomische Entwicklung jedes Landes, das sich beteiligt, positiv zu beeinflussen. Der Gesetzgebung kommt dabei natürlich eine entscheidende Rolle zu. Durch gezieltes Setzen von Rahmenbedingungen und Anreizen wird die Transformation beschleunigt. Eventuell ein entscheidender Faktor bei der Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschlands im internationalen Wettbewerb bis 2030 und darüber hinaus?

Europa hat als größter Lebensmittel-Exporteur und mit seiner großen Vielfalt an Ernährungs- und Gastronomiekulturen und seinen führenden Wissenschaftseinrichtungen ideale Voraussetzungen, seine führende Rolle zu behaupten oder gar auszubauen. Produkte aus Europa genießen einen exzellenten Ruf, und um diese Position zu halten, muss die Transition aktiv gefördert werden.

Erfolg und Wirkung werden maßgeblich von der Zusammenarbeit möglichst vieler Stakeholder abhängen. Wer sich also frühzeitig engagiert, hat am ehesten Erfolg – das haben frühere Innovationswellen insbesondere im Tech-Sektor gezeigt.

Die Transformation des Ernährungssystems ist eine der dringendsten Herausforderungen unserer Zeit. Sie ist zugleich eine Chance historischen Ausmaßes. Es lohnt sich, diesen Prozess aktiv zu fördern: zum Wohle der Verbraucher:innen, des Planeten, der Gesellschaft und der Wirtschaft.

Olaf Koch

ist Mitgründer der Venturecapital-Gesellschaft Zintinus und Aufsichtsratsmitglied bei der Mercedes-Benz Group AG. Von 2012 bis 2020 war er Vorstandsvorsitzender der Metro AG