Prüfen – Rufen – Drücken: Diese einfache Formel zum Leben retten beherrscht nicht jeder.
Die meisten Menschen kommen nur einmal in ihrem Leben mit lebensrettenden Notfallmaßnahmen in Kontakt, nämlich beim Erwerb ihres Führerscheins. Wenn es dann darauf ankommt und in einer Notfallsituation Panik hinzukommt, ist die genaue Vorgehensweise bei einer Herzdruckmassage oft nicht mehr präsent. Aber es wäre so wichtig: In Deutschland erleiden jedes Jahr zirka 120.000 Menschen außerhalb eines Krankenhauses einen Herz-Kreislauf-Stillstand und nur in der Hälfte der Fälle wird eine Reanimation durch Laien begonnen. Von diesen überleben nur etwa elf Prozent.
Woran liegt das?
Nach einem akuten Herzversagen kann das Gehirn nur drei Minuten ohne Sauerstoff überleben. Danach entsteht irreparabler Schaden, und nach nur zehn Minuten bestehen nur noch geringe Überlebenschancen ohne neurologische Beeinträchtigungen. Bis professionelle Rettungsteams eintreffen, vergehen jedoch selbst in Ballungszentren in der Regel acht bis zwölf Minuten. Diese Zeit müsste von anwesenden Ersthelfenden durch eine Herzdruckmassage und – falls verfügbar – den Einsatz eines Defibrillators überbrückt werden. Allerdings trauen sich nur etwa die Hälfte der Deutschen zu, mit der Laienreanimation zu beginnen.
„Der Mut zu helfen fehlt. Genau hier setzt unser Konzept an: Wir trainieren bereits Fünfjährige in Kitas sowie Schüler und Schülerinnen an Grund- und weiterführenden Schulen in den Maßnahmen der Wiederbelebung. So wird die Hemmung zu helfen, gar nicht erst aufgebaut, und das Wissen kann im Notfall reflexartig abgerufen werden“, ist Dr. Martin Buchholz, Arzt und Gründer der Initiative Herzretter, überzeugt. Als Betroffener und Überlebender eines Herzinfarkts ist es ihm ein Anliegen, jeden Menschen in Deutschland zu befähigen, Hilfe zu leisten. Seine Vision ist es, Wiederbelebungstrainings zu institutionalisieren und verpflichtend in das schulische Curriculum aufzunehmen.
Finanzierung über Spenden
Bisher werden die Trainings an Kitas und Schulen größtenteils durch Spenden finanziert. Wiederbelebungstrainings sind nicht gesetzlich verankert und keine Institution ist verpflichtet, die Kosten zu übernehmen. Auch in Zukunft wird die Initiative daher auf Spenden angewiesen sein, um die hohe Nachfrage der Schulen zu decken. Seit der Gründung wurden bereits rund 2.600 Kinder- und Jugendtrainings durchgeführt, bei denen etwa 70.000 Hamburger Schülerinnen und Schüler zu Herzrettern ausgebildet wurden. Ermöglicht wurde dies durch ein Spendenvolumen von etwa einer Million Euro.
Um unabhängiger von Spenden zu werden, gründete Dr. Buchholz neben dem Herzretter e.V. auch die Herzretter-Trainings GmbH. Diese richtet sich an Unternehmen und bietet kostenpflichtige Erwachsenen-Trainings an. Die Preise sind so kalkuliert, dass nach Deckung der Kosten ein kleiner Überschuss erwirtschaftet wird, der wiederum für kostenlose Schülertrainings verwendet wird.
Dr. Buchholz resümiert: "Wir sind glücklich darüber, auch Erwachsene zu erreichen, aber der geringe Umsatz reicht bei Weitem nicht aus, die hohe Nachfrage der Schulen und Kitas zu decken.“ Auch von weit außerhalb Hamburgs erreichen die Herzretter Anfragen. Er hofft daher darauf, dass Wirtschaft, Politik und die Gesundheitsbranche einen Teil der finanziellen Verantwortung übernehmen, um gemeinsam mehr erreichen zu können.
Besonderheit der Herzretter
Warum erfreuen sich die Herzretter-Trainings einer so großen Beliebtheit? „Die Trainings werden von professionellen Schauspielern und Schauspielerinnen durchgeführt, die eine umfassende fachliche Ausbildung von unserem ehrenamtlichen Ärzteteam erhalten haben. Weil sie Laien sind wie die Teilnehmenden, begegnen sie diesen auf Augenhöhe. Dank ihres theaterpädagogischen Hintergrunds gelingt es ihnen, die Aufmerksamkeit kontinuierlich zu fesseln. Die zentrale Botschaft, die sie vermitteln, lautet: Jeder kann Leben retten“, so Dr. Buchholz.
Hamburg als Vorreiter
Seit November 2023 läuft das Projekt “HerzretterStadt Hamburg“ unter der Schirmherrschaft des Ersten Bürgermeisters von Hamburg, Dr. Peter Tschentscher. Eine partielle finanzielle Unterstützung seitens der Stadt ist somit auf den Weg gebracht. „Wir sind im Gespräch mit der Sozial- und Schulbehörde und hoffen weiterhin auf positive Entscheidungen der Hamburgischen Bürgerschaft. Unser Ziel ist es, zumindest einen Teil der Kosten durch staatliche Fördermittel zu decken“, so der Visionär Dr. Buchholz.
Dänemark als Vorbild
Derzeit kooperieren mehr als 30 Hamburger Schulen im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung mit den Herzrettern und führen jährlich Herzretter-Trainings durch. Die Nachfrage steigt kontinuierlich. Doch verpflichtend ist das Reanimationstraining nicht, im Gegensatz zum Nachbarland Dänemark: Dort ist Wiederbelebung seit 2005 Teil des schulischen Curriculums und die positiven Auswirkungen sind schon jetzt zu sehen: Die Zahl derer, die außerhalb eines Krankenhauses als anwesende Ersthelfende mit einer Wiederbelebung beginnen, liegt in Dänemark bei rund 80 Prozent – 30 Prozent mehr als in Deutschland.
Dr. Buchholz, der sich im Alter von 75 Jahren ehrenamtlich und unentgeltlich für die Initiative Herzretter engagiert, strebt eine Institutionalisierung an, um sein Konzept irgendwann auf andere Städte und ländliche Gebiete ausweiten zu können. Derzeit sind die kostenfreien Trainings nur an Hamburger Schulen verfügbar, obwohl Herzretter überall gebraucht werden. Dr. Buchholz hofft darauf, dass sein Engagement dazu beiträgt, Leben zu retten und dass seine Vision eines deutschlandweiten Angebots irgendwann Realität wird.