Gesundheitswesen

UKSH: Klinik mit 5G-Mobilfunk

Die Universitätsmedizin steht für Forschung – und damit für Fortschritt. Am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) wird beispielsweise gerade an künstlichen Gefäßen aus einem Biodrucker zur Therapie von verengten Herzkranzgefäßen geforscht. Zudem sei die Klinik auch schon mit 5G-Mobilfunk ausgestattet. Wo Technologie sonst noch zum Einsatz kommt und vor welchen Herausforderungen das Gesundheitswesen aktuell steht, erklärt der UKSH-Vorstandsvorsitzende Professor Jens Scholz.

31.05.2022

Professor Jens Scholz

Der Anästhesiologe ist seit 2009 Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Zuvor war er am Universitätsklinikum Eppendorf tätig

Wie hat sich Ihr Business in den letzten Monaten entwickelt? Gibt es ggf. ein besonderes Learning aus der Corona-Krise für Ihr Unternehmen?

Jens Scholz: In der Pandemie war die Universitätsmedizin der „Fels in der Brandung“. Wir haben die Versorgung der am schwersten Erkrankten übernommen, den wissenschaftlichen Fortschritt vorangetrieben und gleichzeitig die Politik beraten sowie der Öffentlichkeit Rede und Antwort gestanden. Als „Learning“ beabsichtigt die Bundesregierung die Universitätsklinika jetzt mit einer eigenen Versorgungsstufe zu positionieren.

Was ist das Erfolgsrezept für Ihr Business?

Scholz: Das UKSH lebt vier Themen:

  1. mit unserem Baulichen Masterplan ist die architektonische Grundlage für die medizinische Versorgung der Zukunft geschaffen.
  2. Precision Medicine ist die Blaupause für eine höchst individualisierte Diagnostik und Therapie, direkt auf die einzelne Patientin und den einzelnen Patienten zugeschnitten.
  3. Unsere Digitalisierungsstrategie ist dabei klinischer und technischer Problemlöser – nicht nur bei medizinischen Fragestellungen, sondern auch zur Entlastung unseres Personals von Routinen.
  4. Parallel arbeiten wir an unserem Selbstverständnis, z.B. mit unserem Projekt „Shared Decision Making“, damit unsere Patientinnen und Patienten mit uns auf Augenhöhe über ihre Therapie entscheiden.

Wie bleiben Sie als Unternehmen neugierig und innovativ und was tun Sie als Management, um das zu fördern?

Scholz: Es gibt keine Innovationen von Ja-Sagern! Universitätsmedizin ist seit dem 14. Jahrhundert Jahren intrinsisch innovativ: Der Dreiklang von medizinischer Maximalversorgung, Forschung und Lehre im Zusammenspiel mit der akademischen Freiheit ist die Quelle junger und kritischer Talente. Am UKSH fördern wir diese Kultur mit einer Vielzahl von Maßnahmenpaketen – von individuellen Arbeitszeitmodellen über hunderte von Aus- und Fortbildungen bis hin zu zahllosen sozialen Themen, wie unserer KiTa mit Öffnungszeiten von 5.45 bis 21 Uhr - für die Wissenschaft, damit neueste Forschung direkt ans Krankenbett gelangt.

Was ist die größte Stärke der Company? Was zeichnet Sie aus? Trauen Sie sich eine Schwäche preiszugeben?

Scholz: Die Wirksamkeit von Medizin ist ein mächtiger Motor, ökonomisch für die Volkswirtschaft genauso wie für die Lebensqualität der einzelnen Patientin und des einzelnen Patienten – und als Erfolgserlebnis für die Ärztin und den Arzt wie die Pflegekraft. Unsere Schwäche ist der Fachkräftemangel, insbesondere in der Pflege.

In wenigen Worten: Was tun Sie, um den digitalen Anschluss nicht zu verpassen?

Scholz: Das UKSH zählt zu den am besten digitalisierten Universitätskliniken Deutschlands. Wir entlasten unsere Mitarbeitenden von überflüssigen analogen Routinen. Genauso steigern wir Attraktivität für unsere Patienten mit Self-Check-Terminals, dem digitalen Infotainment am Krankenbett oder dem digitalen Kinderspielzimmer. Wir sind auf gutem Weg ein echtes papierloses Krankenhaus zu werden und haben die digitale Visite, Augmented Reality oder robotischen Navigation im OP. Als erstes Klinikum in Deutschland kommt bei uns vollwertiger 5G-Mobilfunk zum Einsatz. In der Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte, AEMP, setzt das UKSH auf die voll automatisierte Lagerhaltung in der Sterilisation – bundesweit ein Novum. Das UKSH nutzt gezielt die Chancen der Digitalisierung für die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten ebenso wie für die Forschung. Kontinuierlich arbeiten wir an neuen Innovationen, die wir in unserer Ideenschmiede Adrenalin@uksh.de identifizieren und auch mit externen Partnerinnen und Partnern z.B. aus der Medizintechnik verifizieren.

Was macht Ihr Unternehmen bei Bestandskunden besonders erfolgreich?

Scholz: Vorab: Gesundheit ist keine Ware und Patienten sind keine Kunden. Und das „Geschäftsmodell“ des UKSH ist, dass unsere Patientinnen und Patienten im besten Fall gesund werden und nicht wiederkommen müssen. Damit Patientinnen und Patienten sich im Gesundheitswesen orientieren können und eine für sie geeignete Klinik finden können passen wir unsere Organisationsstrukturen den zunehmend fachübergreifen Bedarfen an. Wer z.B. mit Rückenschmerzen zu uns kommt, wird nicht nur vom Orthopäden, sondern auch vom Neurochirurgen und Physiotherapeuten diagnostiziert – mit dem Ziel eine Operation zu vermeiden. Wichtig ist uns die unabhängige Entscheidungshilfe, weil viele Patientinnen und Patienten nicht wissen, welches Krankenhaus sie optimal versorgen kann: Unsere Einheiten lassen sich von unabhängigen Organisationen wie der Deutschen Krebsgesellschaft, dem TÜV und vielen anderen Expertengremien zertifizieren, damit eine kontinuierliche Qualität gewährleistet ist. Gleichzeitig stellen wir uns öffentlichen Rankings und belegen hier Spitzenplätze: Das UKSH ist wiederholt unter den Top 3 Kliniken bundesweit und regelmäßig in Spitzenpositionen bei Arbeitgeberrankings. Eine Meinungsumfrage des Verbandes der Universitätsklinika hat jüngst das Vertrauen der Menschen in die herausragende Expertise der Universitätsmedizin bestätigt.

Was ist ihr Erfolgsfaktor, um Neugeschäft zu gewinnen?

Scholz: Das UKSH ist immer da – 24/7! Als einziger Maximalversorger Schleswig-Holsteins - also der höchsten medizinischen Versorgungsstufe – übernehmen wir Patienten mit besonders schwierigen und komplizierten Erkrankungen. Wir machen Behandlungsangebote, wo andere nicht mehr weiterwissen.

Was tun Sie, um den Service zu verbessern?

Scholz: Service ist für das UKSH zu allererst Diagnostik und Therapie für die Gesundheit unserer Patienten. Nur wenige Krankenhäuser in Deutschland verfügen wie das UKSH über das gesamte Behandlungsspektrum der modernen Medizin, haben ihre Notaufnahmen rund um die Uhr geöffnet, halten ein Zentrum für Seltene Erkrankungen vor, forschen an der höchstindividuellen Präzisionsmedizin oder vereinigen alle onkologischen Fächer unter einem Dach. Gleichzeitig arbeiten wir kontinuierlich daran, die Schwellen zur Versorgung möglichst niedrig zu halten: Neben hunderten von Ambulanzen und Spezialsprechstunden können unsere Patientinnen und Patienten ihre Experten per Videosprechstunde oder App konsultieren. Über „Mein UKSH“ können sich Patientinnen und Patienten bequem online anmelden und alle medizinischen Unterlagen abrufen. Self-Check-In-Terminals mit einem automatischen Aufrufsystem vor Ort sorgen für eine erhebliche Verkürzung von Wartezeiten. Anlaufstellen für persönliche Informationen, Beschwerden oder Beratung bei der Entlassung sind selbstverständlich und werden von einer eigenen Stabsstelle Qualitäts- und Risikomanagement und Patientensicherheit geführt. Aber auch, um das, was landläufig unter Service zu verstehen ist, kümmern wir uns: Patientinnen und Patienten können unter mindestens 25 Gerichten auswählen. Am Krankenbett steht ein Entertainmentprogramm bereit, dass die gesamte mediale Palette bereithält – inklusive einer Auswahl von mehr als dreihundert Online-Zeitschriften.

Nennen Sie ein konkretes Beispiel wie Ihr Unternehmen Service lebt.

Scholz: Am UKSH soll kein Patient sagen müssen: „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich anders entschieden.“ Deshalb haben wir das Modellprojekt „Share to care“ ausgerollt und alle Ärztinnen, Ärzte sowie Therapeutinnen und Therapeuten zur gemeinsamen Entscheidungsfindung mit ihren Patientinnen und Patienten befähigt. Aktuell wird darüber beraten, ob das vom Gemeinsamen Bundesausschuss mit einer Höchstsumme geförderte Programm in die Regelversorgung übernommen wird. Eine unabhängige Evaluation bestätigt, dass Ärztinnen und Ärzte nicht nur besser interagierten und Patientinnen und Patienten gesundheitskompetenter wurden, sondern dass auch die Notfalleinweisungen sowie die Gesamtkosten sanken.

Was tun Sie, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren? Was bieten Sie aktuellen und zukünftigen Mitarbeitenden? Gibt es eine Maßnahme, die Sie mit Stolz erfüllt?

Scholz: Stolz bin ich darauf, dass es immer wieder die Besten zu uns in den hohen Norden schaffen. Maßnahmen, die das UKSH seinen Mitarbeitenden bietet, sind Entlohnung nach Tarifvertrag der Länder und Marburger Bund, Entlastungstarifvertrag, verschiedenste Zulagen, je nach Einsatzbereich und Diensttag, betriebliche Altersvorsorge, viele individuelle Arbeitszeitmodelle, kontinuierliche Digitalisierung zur Befreiung von Arbeitsroutinen, betriebseigene KITAs, zertifiziertes Betriebliches Gesundheitsmanagement und vieles mehr.