Gastbeitrag

Prozessmanagement in der Gesundheitsbranche

Operational Excellence als Erfolgsrezept

Daten werden im Gesundheitswesen zur Genüge erfasst. Wirklich genutzt werden sie allerdings in den seltensten Fällen. Und damit werden – so beschreibt es Sven-Anwar Bibi, Health-Experte der Beratung Futurice, im Gastbeitrag – große Potenziale verschenkt. Um das zu ändern und um die Patientenversorgung zu verbessern, plädiert Bibi für die Einführung von Operational Excellence in Gesundheitseinrichtungen.

17.04.2023

Mit Digitalisierungs- und Transformationsinitiativen hinkt das hiesige Gesundheitswesen immer noch hinterher. Dabei birgt die Branche einen kostbaren Schatz, denn tagtäglich werden große Mengen an Daten gesammelt und gespeichert. Wenn man diese Informationen systematisch erfassen, analysieren und nutzen würde, könnte die Patientenversorgung sowie die Arbeit innerhalb der medizinischen Einrichtungen auf ein neues Level gehoben werden.

Mehr Effizienz durch gutes Prozessmanagement

Besonders im Gesundheitswesen stellen starre Strukturen, Silodenken, ein hoher Grad an Regulierung sowie der Fachkräftemangel Organisationen und Einrichtungen vor enorme Herausforderungen. Damit diese Probleme bewältigt und vorhandene Potenziale genutzt werden können, braucht es ein effektives und koordiniertes Prozess- und Organisationsmanagement.

Das Stichwort lautet Operational Excellence. In der Industrie wird schon seit längerem danach gehandelt, um Prozesse deutlich effizienter zu gestalten. Im Gesundheitswesen kann Operational Excellence dazu beitragen, den gesamten Ablauf der Patientenversorgung zu optimieren, Kosten einzusparen und Ressourcen und Mitarbeitende gezielter einzusetzen.

Kleine Schritte führen zum Ziel

Wie aber sieht der Weg zu Operational Excellence aus?

Der erste Schritt ist eine umfassende Bestandsaufnahme. Dabei müssen sowohl der Stand der Digitalisierung innerhalb der Organisation als auch die verschiedenen Stakeholder und deren Bedürfnisse betrachtet werden. Eine partizipative Analyse

  • der bestehenden Prozesse,
  • der technologischen Ist-Situation und
  • der sogenannten Digital-Maturity, an der alle Mitarbeitenden beteiligt sind,

identifiziert Schwachstellen und hilft dabei, gemeinsame Lösungen für die Herausforderungen zu finden.

Basierend auf den Ergebnissen der Prozessanalyse können realistische und messbare Verbesserungsziele festgelegt werden, die an den Bedürfnissen der Patienten ausgerichtet sind. Denn es darf nicht vergessen werden, dass die Digitalisierung und Prozessoptimierung in erster Linie umgesetzt wird, um die Versorgungssicherheit und -qualität zu verbessern. Dabei ist ein schrittweises Vorgehen erforderlich, um sicherzustellen, dass die angestrebten Meilensteine und Ziele auch tatsächlich erreicht werden.

Welche Vorteile hat Operational Excellence für das medizinische Personal?

Bei all den Analysen stellt sich die Frage, wie sich konkrete Verbesserungen für das Personal in Gesundheitseinrichtungen umsetzen lassen. Im Folgenden sind einige Beispiele aufgeführt:

  • Eine umfassende Analyse aller Daten und Prozesse kann redundante Aufgaben sowie Engpässe identifizieren und somit eine effizientere Personalplanung ermöglichen. Dadurch können Überstunden vermieden und die Arbeitsbelastung reduziert werden.
  • Durch die Einführung einer elektronischen Patientenakte können Mitarbeitende von überall auf die Gesundheitsinformationen zugreifen und diese mit relevanten Akteuren teilen. So werden die Voraussetzungen für eine zielgerichtete und kollaborative Behandlung geschaffen.
  • Die Vernetzung aller Geräte und Dienste innerhalb einer Organisation ermöglicht es dem Pflegepersonal und den Ärzten, alle für eine Behandlung notwendigen Informationen zu erhalten – und zwar ohne dass sie Geräte manuell ablesen oder Tabellen ausfüllen müssen. Dadurch wird ebenso die Wartung und der Einkauf von Geräten vereinfacht.
  • Durch die Vernetzung und Datenerfassung werden auch die Durchführung von Trainings und Zertifizierungen erleichtert. Künftig könnten diese on the job durchgeführt werden, indem Behandlungen und Methoden automatisch erfasst, analysiert und beurteilt werden.
  • In Zukunft wird auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning eine wichtige Rolle spielen. Diese Technologie trägt dazu bei, Diagnosen und Behandlungen zu verbessern, indem zum Beispiel der Heilungsprozess auf Basis von OP-Verläufen vorhergesagt werden kann. Durch Datenanalysen können auch allgemeine Vorhersagen getroffen und präventiv daran gearbeitet werden, dass Menschen erst gar nicht krank werden.

Wie profitieren Patienten von Operational Excellence?

Neben den zahlreichen Vorteilen für das Fachpersonal haben Operational-Excellence-Initiativen auch positive Auswirkungen auf die Patienten:

  • Die Implementierung eines effizienten Terminplanungssystems kann dazu beitragen, dass Patienten schneller behandelt werden und weniger Zeit im Wartezimmer verbringen müssen.
  • Standardisierte Verfahren führen dazu, dass Fehler bei der Behandlung reduziert werden. Beispielsweise durch automatisierte und datengestützte Checklisten für chirurgische Eingriffe können Prozesse optimiert und somit Fehler verringert werden.
  • Durch die Einführung eines Patienteninformationssystems verbessert sich der Informationsfluss zwischen verschiedenen Abteilungen, was eine bessere Koordination der Patientenversorgung ermöglicht – end-to-end von der Aufnahme bis zur Entlassung. Dadurch entfällt für den Patienten auch die Notwendigkeit, bei jeder Behandlung erneut einen Anamnesebogen auszufüllen.

Eine Win-win-Situation

Letztendlich greifen die Vorteile für das medizinische Personal und die Patienten ineinander. Operational Excellence bedeutet weniger Zeit für administrative Aufgaben aufzuwenden und einen größeren Fokus auf die Patientenversorgung zu legen. Nur wenn das Krankenhauspersonal zufriedener ist und sich auf seine tatsächlichen Aufgaben konzentrieren kann, können Behandlungen erfolgreicher und effizienter durchgeführt werden.

Zudem ist es von entscheidender Bedeutung, die Transformation als kontinuierlichen Prozess zu betrachten, der ständig verbessert und angepasst werden muss, um ein gestecktes Ziel zu erreichen. Dabei sind eine agile Herangehensweise und direkte Kommunikation mit allen Beteiligten der Schlüssel zum Erfolg.

Sven-Anwar Bibi

übernahm im März 2021 die Rolle des Head of Strategy & Culture Deutschland bei Futurice sowie zusätzlich den Themenbereich Gesundheit. Die Innovations- und Digitalisierungsberatung Futurice – gegründet 2000 in Helsinki – unterstützt Unternehmen bei Transformationsprojekten