Gesundheitstrends

Leben ohne Krankheit

Prävention statt Therapie, die Analyse riesiger Datenmengen und Organe auf Knopfdruck: Ist es möglich, ein Leben lang völlig gesund zu bleiben? Fünf Trends und Technologien, die unsere Gesundheit verändern.

08.10.2021

Ein Chip in unserem Arm liest alle unsere Gesundheitsdaten aus und sendet sie automatisch an den mit Künstlicher Intelligenz gesteuerten Hausarzt-Roboter: Ist das ein Szenario, das in ein paar Jahren Realität sein wird? Die Medizin von morgen wird mithilfe neuer Technologien effektiver und individueller. Und wir werden gesünder und älter.

An Menschlichkeit wird es dennoch nicht mangeln, davon ist der Mediziner Professor Dietrich Grönemeyer überzeugt: „Technologien sind fantastische Hilfsmittel, aber wir sind Menschen und brauchen den Menschen.“ Vielmehr ginge es darum, Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegepersonal mit neuen Technologien zu unterstützen, um dadurch das Wohlbefinden in der Bevölkerung zu steigern. Wie die Medizin der Zukunft konkret aussehen könnte? Zum Beispiel so:

1. Individuelle Therapie & Vorsorge

Von der Pizzabestellung bis zum Turnschuh: So vieles im Leben soll individuell auf uns zugeschnitten sein. Jeder Mensch ist anders, und Krankheitsverläufe sowie gesundheitliche Vorgeschichten sind von Person zu Person unterschiedlich. Warum dann nicht auch die Behandlung? Für Grönemeyer ist „die individualisierte Medizin die Zukunft“, denn Therapien können auf den einzigartigen Patienten zugeschnitten und so der Erfolg gewährleistet werden. Die Grundlage für die Individualisierung seien jedoch die Analyse und der Abgleich von Daten. Wie eine Krankheit entsteht oder verläuft, kann sowohl von der genetischen Ver­anlagung des Einzelnen als auch von Umwelteinflüssen abhängen. Individualisierte Medizin erfasst diese Faktoren mithilfe von Gesundheitsdaten und schlägt so die passende zugeschnittene Therapie vor.

2. E-Health

Die elektronische Patientenakte und Videosprech­stunden sind Beispiele, die bereits heute zum Einsatz kommen. Ein digitales Gesundheitssystem eröffnet zahlreiche neue Möglichkeiten, die Prävention und Therapie effizienter und überall verfügbar machen können. Anwendung findet E-Health auch bei Ope­rationen, in denen Spezialisten per Video zugeschaltet werden. Laut einer Bitkom-Umfrage trifft ein solches Verfahrung auf hohe Zustimmung in der Bevölkerung. So wären 56 Prozent der Befragten mit der Online-Unterstützung im OP einverstanden.

Der Weg zum digitalen Gesundheitssystem sei jedoch noch weit, so Professor Jochen Werner, Ärztlicher Direktor der Uniklinik Essen: „Healthcare ist in Deutschland eher Science-Fiction als Realität, denn wir betreiben zur Zeit noch Sickcare. Sich um die Gesundheit zu kümmern, bevor man krank wird, funktioniert ohne Digitalisierung nicht. Und in diesem Bereich ist Deutschland Nachzügler.“

In den Bereich E-Health fällt auch das Thema ­Mobile Health. Dabei handelt es sich um den Einsatz von mobilen Endgeräten, die Gesundheitsdaten wie Herzfrequenz oder Sauerstoffsättigung immer und überall sammeln und auswerten können. Dazu zählen Smartphones und Wear­ables, aber auch Geräte zur Überwachung des Blutzuckerspiegels, intelligente Ohrhörer, welche Umgebungsgeräusche verstärken oder dämpfen können, und haptische Ganzkörperanzüge für den Sport. Neuer Forschungsgegenstand ist die Nano­mesh-Technologie. Mithilfe einer elektronischen zweiten Haut könnten in Zukunft Diagnosen gestellt und Medikamente automatisiert verabreicht werden.

3. Big Data & Künstliche Intelligenz

Unglaubliche Mengen an Daten über Krankheitsverläufe, Vorgeschichten und Therapieerfolge werden Tag für Tag gesammelt. Diese Informationen müssen jedoch analysiert werden, um einen Nutzen aus ihnen zu ziehen. Im Gesundheitswesen soll deshalb verstärkt Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt werden, um eine genauere Diagnose auf der Grundlage von Informationen etwa aus der elektronischen Patientenakte erstellen zu können. Ärztinnen und Ärzte können mit KI alle Informationen über die Vorgeschichte, Symptome und Diagnosen analysieren, um den Ursprung der Krankheit und die passende Therapie zu bestimmen.

Eine wichtige Rolle könnten hierbei die Kran­kenkassen spielen, die eine riesige Menge meist ungenutzter Daten verwahren. Marek Rydzewski, CDO der BARMER, ist von dem Potenzial des Datenschatzes überzeugt, weist aber auch auf die Bedeutung des Datenschutzes hin: „Wir als Krankenkassen müssen eine aktive Rolle einnehmen und Bewusstsein dafür schaffen, welche Vorteile die Nutzung der Patientendaten mit sich bringen kann. Aber es muss auch transparent sein, was mit Daten passiert und welche Kriterien an die Datennutzung geknüpft sind.“ 

Krankenkassen werden laut Rydzewski damit noch stärker als heute Möglichkeiten haben, die Versorgung ihrer Versicherten zu optimieren, Prävention effizienter zu machen und als Partner der Wissenschaft gesundheitliche Innovationen voranzubringen.

4. Brain-Computer-Interfaces

Gegenstände nur mit den eigenen Gedanken zu steuern war bisher lediglich in Star-Wars-Fantasien möglich. Brain-Computer-Interfaces (BCI) bilden eine Schnittstelle zwischen dem menschlichen Gehirn und Computern und wandeln so Nervensignale in elektrische Signale um, die dann in Form eines Befehls beispielsweise Prothesen ohne Muskelkontrolle steuern. Die Symptome von Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer oder Epilepsie können so deutlich gemildert werden. Auch Menschen, die bewegungsunfähig oder aufgrund von Amputationen eingeschränkt sind, erhalten die Chance, Bewegungen wieder ausführen zu können.

BCI findet weltweit Beachtung. So hofft Elon Musk beispielsweise, Menschen eines Tages mit kleinen, tragbaren Computern auszustatten, die mit dem Gehirn verbunden sind. Seine Firma Neuralink konnte bereits die Hirnaktivität eines Schweins mithilfe implantierter Sensoren erfassen und erhielt kürzlich eine Gerätezulassung, um die Forschung am Menschen voranzutreiben.

5. Bioprinter

In der Lebensmittelindustrie sollen Bioprinter künstliches Fleisch herstellen, um den Klimawandel zu bekämpfen. In der Medizin könnten sie künftig die Rolle eines Ersatzteillagers für den menschlichen Körper einnehmen. Denn wie bei einem 3-D-Drucker werden aus gezüchteten Zellen und polymerem Gel Gewebestrukturen gedruckt, die sich dann in Organe verwandeln. Gelingt dies, könnten Menschen mit neuen Organen ausgestattet werden, die individuell angepasst sind und so vom Körper nicht mehr abgestoßen werden. 

„Wir werden organisches Material nicht mehr aus anderen Körperteilen entnehmen müssen, sondern können es in Zukunft künstlich herstellen. In ersten Versuchen an Mäusen konnten bereits dem Zahn ­ähnliche Strukturen nachgezüchtet werden“, berichtet der Zahnarzt Jörn Thiemer. 

Biodrucker könnten jedoch nicht nur in der Zahnarztpraxis verwendet werden. Ein Szenario ist die Nutzung in der Notfallmedizin. Denn Organe, die auf Knopfdruck hergestellt werden könnten, würden jeden Tag Leben retten.