Kolumne

Digital Health Management

Solange CD's mit dem Taxi gefahren werden...

Solange Untersuchungsergebnisse in deutschen Kliniken und Praxen auf CD-ROM gebrannt werden, könne von Digital Health keine Rede sein, beklagt Professor David Matusiewicz.

19.06.2023

Es ist nicht unüblich, dass Patienten in eine Klinik kommen, die beispielsweise eine Gefäßuntersuchung vornimmt, und am Ende soll eine Bypass-Operation gemacht werden – allerdings in einer anderen Klinik, die darauf spezialisiert ist. Eines passiert dann ganz leise und selbstverständlich: Die Daten der bisherigen Untersuchung werden auf eine CD-ROM „gebrannt“, die – wenn es schnell gehen muss – mit einem Taxi in die operierende Klinik gefahren wird. Auf dem Beifahrersitz oder im Kofferraum.

Illustration Kolumne David Matusiewicz

Es gibt nicht wenige dieser Kurierfahrer, die eine CD-Box auf dem Beifahrersitz haben, die man aus den 1990er-Jahren kennt. Eben weil es keine Seltenheit ist, dass diese Datenträger manchmal über lange Strecken hinweg quer durch Deutschland transportiert werden.

In anderen Fällen nehmen die Patienten die CD-ROM mit ihren Daten mit nach Hause und wollen sie mit einem anderen Arzt teilen oder laden alles in eine Cloud hoch, wobei die Gegenseite oftmals daran verzweifelt, weil die Daten verschlüsselt sind beziehungsweise besondere Software benötigt wird, um diese einzusehen. Die Bedürfnisse der Patienten werden zum Schutz der Patientendaten völlig missachtet, und ihre Gesundheit wird so gefährdet.

Im Alltag ist noch vieles analog

Fest steht: Solange CD-Roms mit einem Taxi von Klinik A zu Klinik B gefahren werden, kann keine Rede von innovativer Medizin in Deutschland sein.

David Matusiewicz ist Professor für Medizinmanagement an der FOM Hochschule. Seit 2015 verantwortet er dort als Dekan den Hochschulbereich Gesundheit & Soziales und ist einer der renommiertesten Experten für Digital Health in Deutschland

Das ist eines von vielen Beispielen, anhand derer man kopfschüttelnd über den Stand der digitalen Dokumentenverarbeitung sinnieren könnte. Ist es woanders viel besser?

Wie oft kommt es noch in unserem beruflichen Alltag vor, dass wir Papier ausfüllen oder unterschreiben müssen. Ich persönlich habe vor rund zehn Jahren meinen Drucker ab-, allerdings im vergangenen Jahr doch wieder angeschafft. Ich bin eingeknickt, weil ich immer wieder vor Herausforderungen stand, die am Ende umständlich waren, so ganz ohne Drucker. Ich habe jetzt einen mobilen mit Akku; so kann ich im Notfall direkt vor der Behörde auf dem Parkplatz im Auto drucken.

Wunsch versus Wirklichkeit

Wir erinnern uns noch an die Bilder von Bundeswehrsoldaten im Gesundheitsamt während der Pandemie, die bei der Nachverfolgung der Kontakte halfen, und an die Briefe, die lange nach der Quarantäne ankamen, um über eben diese Quarantäne zu informieren. Wir erinnern uns an die Kontaktlisten vor Restaurants, wo man sehen konnte, wer mit wem dort war.

Wenn wir heute über Künstliche Intelligenz, ChatGPT und die schöne neue Welt sprechen, sollten wir nicht vergessen, dass wir eine ganz lange Brücke haben zwischen der noch nicht vorhandenen digitalen Dokumentenverwaltung und der Angst davor, dass bei der Migration beziehungsweise der Zusammenführung der Dokumente Daten verschwinden könnten. Gleichzeitig flippen Marketing-Menschen aufgrund der neuen digitalen Möglichkeiten völlig aus.