In Zeiten des Fachkräftemangels geht es nicht darum, dass irgendjemand ersetzt wird, sondern dass Technologie menschliche Lücken schließt. Digitalisierung in Deutschland ist vor allem mit vielen Mythen behaftet. Und je staatsnaher die Branche, wie zum Beispiel das Gesundheitswesen, desto paternalistischer wird der Patient, Bürger, Steuerzahler oder Kunde entmündigt. Man will ihn scheinbar schützen.
Deutschland ist Weltmeister in der Regulatorik
Statt über die Herausforderungen zu sprechen, sollten wir uns auf die Chancen fokussieren. Eine Fokussierung auf den Nutzen, die Wirtschaft, Gesellschaft und das Wohl jedes Einzelnen. Deutschland war mal das Land der Ingenieure, war mal Exportweltmeister, war mal Apotheke der Welt, war einst vieles – und spielt in der digitalen Welt von heute eine eher untergeordnete Rolle. Tendenz abwärts. Und das gilt für Europa insgesamt. Es heißt: In den USA wird vieles erfunden, in China die Produktion hochgefahren und in Europa reguliert. Wir sind heute also Weltmeister in der Regulatorik theoretischer Risiken. Super!
Die zahlreichen Diskussionen rund um die Digitalisierung drehen sich oft unsortiert um sehr viele Themen. Sie sind meist unkoordiniert, unsortiert, und es werden Begriffe gebraucht, die häufig in Datenschutz und Datensicherheit münden, dazwischen in Interoperabilität, und spätestens bei dem Thema Haftung ist der Spaß dann vorbei. Was stattdessen dringend benötigt wird, ist ein klares Framework.
Estland als Vorbild der Digitalisierung
Das sogenannte Wachstumsphasen-Modell für ein voll funktionsfähiges E-Government von Layne und Lee hilft jeder Organisation, die Digitalisierung in den vier Stufen darzustellen. Diese vier Phasen lauten: Katalogisierung – zum Beispiel durch eine Online-Präsenz oder herunterladbare Formulare –, Transaktion – beispielsweise durch Online-Transaktionen –, vertikale Integration durch den Verbund ähnlicher Funktionalitäten sowie horizontale Integration von unterschiedlichen Systemen und Lebenslagenzentrierung.
Die technische und organisatorische Komplexität sowie der Grad der Integration nimmt mit jeder Stufe zu. Estland gilt als Musterbeispiel, wo dies bereits gelungen ist. Ein derartiges Framework, das schon über 20 Jahre alt ist, hilft auch in Deutschland, die Digitalisierung schrittweise und chronologisch anzugehen. Es hilft aber vor allem dabei, ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln. Eines, das nicht schwarz-weiß, eins oder null ist, sondern vor allem inkrementell – deshalb heißt es auch digitale Transformation. Und die ist nie fertig. Was meiner Meinung nach wichtig ist: Aus German Angst muss wieder German Mut werden, damit Deutschland wieder zum Superlativ wird.