„Der Erfolg von heute ist der Feind von morgen“, sagt Christian Steiger, Geschäftsführer von Lexware. Kein Unternehmen sei langfristig erfolgreich; man müsse sich daher immer wieder neu erfinden. Steiger weiß, wovon er spricht, denn Lexware hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt – von einem Fachverlag respektive einem Anbieter von Buchhaltungssoftware zu einem digitalen Player. Es mussten stets neue Geschäftsfelder gesucht und aufgebaut werden. „Disruption ist eine Dauerschleife“, sagt Steiger im DUP Digital Business Talk.
Bei Disruption zählt hohe Geschwindigkeit
Daniel Bartsch, Co-Gründer und CFO des Mittelstandsfinanzierers Creditshelf, beobachtet und nutzt disruptive Entwicklungen seit Jahren. Er war lange in Banken tätig. „Ich habe gesehen, was diese an Potenzial haben liegen lassen.“ Bartsch zog seine Schlüsse daraus, war Mitgründer von Creditshelf, einer digitalen Vermittlungsplattform für Firmenkredite, die Finanzierungsanfragen deutlich schneller bearbeiten kann, als dies bei den Hausbanken der Unternehmen der Fall ist. Bartsch: „Wir arbeiten datengetrieben und verfügen deshalb über eine höhere Geschwindigkeit.“ Er bezeichnet sein Unternehmen als „ein auf Kundenbedürfnisse ausgerichtetes Schnellboot“.
Lexware bietet Selbstständigen und Kleinunternehmern heute neben seinen bewährten kaufmännischen Desktop-Lösungen auch innovative Cloud-Software, etwa die automatisierte Online-Buchhaltungslösung „Lexoffice“. Der Sprung in die Cloud hat sich gelohnt: In beiden Geschäftsfeldern ist Lexware marktführend. „Technologie bietet heute viel Potenzial, um disruptive Ideen umzusetzen und dadurch Vorteile im Markt zu erlangen“, sagt Bartsch. Da gehe es um Effizienzen, aber auch um die Customer-Experience der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen. „Technologie ist der Schlüssel“, so Bartsch.
„Egal welche Technologie, der Ausgangspunkt ist immer das Verständnis für die Bedürfnisse des Kunden“, stimmt Steiger zu. „Technologie ist ein Enabler, aber niemals die Antwort.“ Ein Beispiel für ihn ist das Programm „Lexoffice“; damit hätte man „das Büro in der Hosentasche“ und Daten seien heute überall verfügbar. Lexware selbst betrachte sich auch gar nicht als Technologieunternehmen. Steiger: „Wir wollen Kundenprobleme lösen.“
Wichtige Positionierung: Wofür soll die Firma stehen?
Sicher bringt Disruption, etwa über den Aufbau neuer Geschäftsfelder, Dynamik in ein Unternehmen. Doch bedeutet dies nicht zugleich, dass sich das Profil einer Firma nicht mehr klar darstellt? „Jede Unternehmensführung muss sich Gedanken machen, wofür die Firma stehen soll“, sagt Bartsch. Wolle man eher im Hintergrund agieren und womöglich White-Label-Lösungen anbieten? Oder wolle man mit einer Marke den Markt besetzen und die Kundenschnittstellen adressieren? Dann werde die Marke wahrgenommen. „Beides können durchaus interessante Strategien sein“, so Barsch. So trete etwa Creditshelf als eigene Marke und Mittelstandsfinanzierer auf – einerseits als Wettbewerber der Banken, mit denen an anderen Stellen jedoch auch zusammengearbeitet wird.
Ein Vorteil der disruptiven FinTechs gegenüber einer traditionellen Bank sei die fehlende Schnittstellenproblematik, so Bartsch. Er erinnert sich an ein Institut, in dem er einst als Berater tätig war. „Dort wurden mehr als 130 Systeme zusammen verwoben. Darunter leiden auch die Kunden, weil durch Medienbrüche längere Laufzeiten entstehen. Da hat man es als Gründer beim Start auf der grünen Wiese sehr viel einfacher.“
Steiger ergänzt: „Kunden wollen heute, dass direkt etwas passiert, wenn sie agieren. Doch geben sie bei Banken einen Überweisungsauftrag auf und liegt ein Wochenende dazwischen, kommt das Geld erst nach einigen Werktagen an.“ Das sei in Zeiten von PayPal und Co. nicht mehr tragbar, so Steiger. Und Kunden sähen ja komfortablere Lösungen innovativer Anbieter. Damit stiegen Erwartungshaltung und Veränderungsbereitschaft der Kunden, ergänzt Bartsch.
Nötige Veränderungskultur
Fällt es Unternehmen, die erfolgreich agieren, nicht schwer, sich immer wieder zu hinterfragen, um sich weiterzuentwickeln? Bartsch antwortet prompt: „Es kommt darauf an, wie offen die Führungsmannschaft für eine Veränderungskultur ist. Außerdem sollten die Mitarbeitenden in die Ideenfindung eingebunden werden, denn sie sind ja vielfach viel näher an den Kunden als die Geschäftsführung.“ Steiger beleuchtet noch einen anderen Aspekt: „Wir können uns als Familienunternehmen nicht am Kapitalmarkt bedienen und ein FinTech nach dem anderen kaufen. Deshalb sind wir zur Innovation gezwungen.“