Nicht Berlin oder London und auch nicht München – die Brüder Prasath (39) und Vicknath (27) Krishnamoorthy haben sich für das beschauliche Hochsauerland entschieden. Aus ihrem Arnsberger Büro im Südosten Nordrhein-Westfalens helfen sie mit ihrem Unternehmen //P-CATION Deutschlands Mittelständlern bei der digitalen Transformation.
Von Tech-Consulting zu KI-Pionieren
Was Prasath 2014 als reine Tech-Consulting-Firma gründete, hat sich mittlerweile zu einem anerkannten Unternehmen in den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI) und Digitalisierung entwickelt. Neben Beratungsdiensten, Vorträgen und Workshops hat besonders „//JASMIN-ERP“ für den Durchbruch gesorgt.
Das ERP im Namen bedeutet Enterprise Resource Planning und steht für ein spezielles Softwaresystem. „Das Tool ‚//JASMIN-ERP‘ ist ein KI-Assistenzsystem, das über 900 Geschäftsprozesse managt und miteinander verknüpft“, erklärt Prasath. Finanzen, Warenwirtschaft, Produktion, Kundenkommunikation, Personalwesen oder etwa Logistik erledigt „//JASMIN-ERP“ automatisch im Hintergrund und stimmt die Bereiche auf das Tagesgeschäft des jeweiligen Betriebs ab. „Dadurch sparen Unternehmen rund 70 Prozent ihrer Arbeitsressourcen ein“, schätzt Prasath. Durch diese Lösung und Arbeitserleichterung können sich die Mitarbeitenden anspruchsvolleren Aufgaben zuwenden.
Deutschlands digitale Transformation
//P-CATION trifft damit einen Nerv der Zeit: Laut Digitalisierungsindex des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz stagnierte die Digitalisierung im Mittelstand 2023 weiter – im europäischen Vergleich liegt Deutschland in der digitalen Transformation auf den hinteren Plätzen. Der Digitalisierungsdruck, der während der Coronapandemie viele Unternehmen zum Handeln zwang, ist längst abgeflaut – und damit auch die Eigeninitiative vieler Betriebe. Ein schlecht ausgebautes digitales Ökosystem, Fachkräftemangel und fehlendes Know-how im Umgang mit Schlüsseltechnologien hemmen deutsche Firmen vielerorts.
An diesen Baustellen setzt //P-CATION an. Einerseits mit Beratungsleistungen und Workshops rund um KI, andererseits auch unmittelbar operativ: „//JASMIN-ERP“ soll den Unternehmen ein intuitives Verständnis für digitale Ökosysteme vermitteln. „Für unsere Software braucht niemand einen Doktortitel, im Gegenteil, wir haben das System so programmiert, dass Mitarbeitende in wenigen Klicks übersichtlich die relevanten Informationen erhalten, ohne Datenwust oder das Risiko, dass wichtige Informationen verloren gehen“, erklärt Prasath. Denn trotz vollautomatischer Leistung entscheidet am Ende immer noch der Mensch über die vom System erbrachten Vorschläge.
Auszeichnung als "Arbeitgeber der Zukunft"
Der Hochsauerlandkreis bietet für //P-CATION das perfekte Umfeld. In Nordrhein-Westfalens flächenmäßig größtem Landkreis sind unzählige mittelständische Familienunternehmen angesiedelt – hier will //P-CATION Digitalisierung fördern und gleichzeitig Unternehmen bei der Einführung moderner Technologien unterstützen. Überwog 2020 noch die Skepsis innerhalb der heimischen Wirtschaft, wuchs das Interesse mit zunehmender Auftragslage. „Hier war der Flurfunk im Landkreis das beste Marketing für uns“, sagt Vicknath, der das Unternehmen seit 2018 als Geschäftsführer leitet. Dies führte sogar dazu, dass eines Tages zwei „große Nachbarn anklopften“: Vertreter einer sehr bekannten Brauerei sowie die Geschäftsführung eines Weltmarktführers im Leuchtmittelgeschäft interessierten sich für das Geschäftsmodell des Arnsberger Unternehmens.
„Beide hatten im Vorfeld in ihren hiesigen Netzwerken viel über unsere Arbeit gehört und waren neugierig, was sich hinter //P-CATION und‚//JASMIN-ERP‘ verbirgt“, erinnert sich Prasath. Mittlerweile zählen mehr als 75 Unternehmen zu ihrem Kundenstamm, und die Software-Schmiede ist durchaus auch über den Hochsauerlandkreis hinaus bekannt. Im vergangenen Jahr nahmen die Geschäftsführer auf einem Festival in Essen den „Arbeitgeber der Zukunft“-Award des Deutschen Innovationsinstituts für Nachhaltigkeit und Digitalisierung entgegen. „Das war ein cooles Netzwerk-Event und eine besondere Ehre für uns. Es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, so Vicknath.
Im Sauerland entwickelt
Wenn man die Krishnamoorthy-Brüder nach den FinTech-Möglichkeiten in Metropolen wie Berlin oder London fragt, schmunzeln sie nur. Ihre Wahl fiel auf Arnsberg im Sauerland. Hier, nur wenige Kilometer entfernt von Sundern, dem kleinen Dorf, in dem sie beide aufgewachsen sind. 2009 hat Prasath den Vorläufer von //P-CATION in seiner Garage gegründet.
Als er das Potenzial von KI und Region erkannte, holte er später seinen Bruder Vicknath ins Boot – dieser hatte gerade frisch seinen Master in Controlling und Risk-Management abgeschlossen. Während Prasath sich fortan um technische Innovationen kümmerte, übernahm Vicknath die kaufmännische Leitung.
Intuitive Alternative zu SAP
Doch wo führt dieser Weg noch hin? Zuletzt eröffneten sie in Oeventrop, einem kleinen 6.198-Seelen-Dorf in der Nähe von Arnsberg, ein weiteres Büro. Langfristig soll sich „//JASMIN-ERP“ als flexiblere, günstigere und intuitivere Alternative zu Großanbietern wie SAP oder Lexoffice im KMU-Sektor etablieren. „Die großen Konzerne in Frankfurt, Köln, Berlin oder München brauchen wir zu unserer Software nicht ansprechen, die haben eigene Lösungen und Ressourcen“, sagt Prasath. Doch den zahlreichen Mittelständlern in ländlicheren Gebieten sei oftmals gar nicht bewusst, wie viel Potenzial durch manuelle Papierarbeit und veraltete Systeme ungenutzt bliebe – auf lange Sicht mit drastischen Folgen. „Wenn wir in Deutschland in den kommenden zwei bis drei Jahren nicht vollends die digitale Transformation und eine breite Integration von Künstlicher Intelligenz schaffen, verlieren wir das globale Wettrennen.“ Es sei Zeit für eine neue Ära im Mittelstand: digitale Familienunternehmen mit Expertise in KI. Der Hochsauerlandkreis befindet sich hier bereits im Wandel.