29.04.2021    Fabian J. Fischer
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Vor einigen Jahren schwappte die große Frage durch Unternehmen: Brauchen wir nicht auch einen CDO, einen Chief Digital Officer? Diese Frage ist nicht ganzheitlich gedacht, denn ein CDO ohne Macht und einem entsprechenden Team ist ein zahnloser Tiger. Ein guter CDO braucht Menschen im Hintergrund, mit denen er zusammenarbeiten und umsetzen kann. Und dabei kommen Digital Units ins Spiel.

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Digital Units, manchmal auch Innovation oder Incubation Labs genannt, kommen zum Einsatz, wenn im Rahmen einer Digitalstrategie neue Geschäftsmodelle umgesetzt oder neue Geschäftsfelder angegangen werden soll. Gerade dann, wenn digitale Wertschöpfungen nicht der Schwerpunkt des Kerngeschäfts sind, kann eine Digital Unit die drängenden Fragen der Digitalisierung losgelöst vom Rest der Organisation angehen. Wie die Digital Unit idealerweise aufgebaut ist, variiert individuell.

Digital Units als Optimierer oder als Macher

Möglich ist etwa, dass sie als interner Dienstleister fungiert, also von den verschiedenen Geschäftsbereichen bei Bedarf herangezogen wird. Dort können sie beratend und optimierend pro Abteilung oder Projekt eingreifen, neue Geschäftsmodelle validieren oder als Sparringspartner fungieren.

Bei größeren Unternehmen mit mehreren Marken können sie zum Beispiel auch für eine Vereinheitlichung von Standards und KPIs sorgen, vielleicht auch basierend darauf Marketing-Budgets bündeln. Kurzum: Ihr Job ist es zu optimieren, sie haben keine „Profit and Loss“-Verantwortung.

Möglich ist aber auch, das sie neues Geschäft generieren, also selbst aktiv werden. Das kann bedeuten, dass sie eng am Kerngeschäft arbeiten und dort neue Erlösströme finden oder aber, dass sie abseits der Organisation agieren und neue Geschäftsmodelle entdecken, validieren und auch bauen. Hier kann es für Digital Units dann auch eine Verantwortung für Gewinn und Verlust geben, bis hin zur Ausgliederung als eigenständige Modelle (Corporate Venturing).

Illustration von Fabian Fischer

Fabian J. Fischer ist ein Hamburger Unternehmer, digitaler Vordenker und Investor. Als CEO von Etribes verantwortet er die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens, das mittelständische Unternehmen und Dax-Konzerne bei den Herausforderungen der Digitalisierung berät. Fischer ist ebenso Co-Founder von Picea Capital, einem Evergreen Venture Capital Fund mit Fokus auf Early-Stage-Technologieunternehmen.

Völlig klar: Mischformen sind immer möglich und abhängig von der Ausgangslage und dem Ziel des Unternehmens.

Wie eine Digital Unit aufgebaut sein sollte

Der Aufbau einer Digital Unit kann in Größe und Fachexpertise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern extrem variieren, je nach Bedarf können es zehn Entwicklerinnen und Entwickler sein oder keiner, dafür aber fünf UX-Designerinnen und Designer, die ein anderes Unternehmen wiederum nicht braucht. Empfehlenswert ist aber immer ein möglichst diverses Team (in Kompetenzen und Hintergründen) aufzustellen, idealerweise auch nicht aus der eigenen Branche, um neue Perspektiven auf die Digitalisierung einzubringen.

In jedem Fall muss sehr klar geplant werden, wie genau die Digital Unit ins Unternehmen eingebunden ist, welche Schnittstellen es geben soll, wer mit wem im Austausch steht. Das Operating Model dafür muss mit der bestehenden Organisation kombinierbar sein, weil es durchaus möglich ist, dass die Entstehung einer Digital Unit auf Ängste oder gar Ressentiments trifft – etwa weil sich Zuständigkeiten und einhergehend damit auch die Verantwortung verschieben.

Es kann auch zielführend als Unternehmen sein, zunächst externe Köpfe als Digital Unit ins Unternehmen zu integrieren, um somit schneller ins Tun zu kommen und Schwung aufzunehmen. Hier interimsweise etwa mit externen CDOs oder Brand Managern zu arbeiten, kann die Flughöhe massiv steigern sowie nach innen und außen als erster Proof of Concept wirken. Ich selbst war schon als Interims Managing Director der Digital-Unit bei Hapag-Lloyd tätig und habe erlebt, wie wichtig es sein kann, diesen ersten Anschub zu leisten.

Digitalkompetenz wird zunehmen

Landauf, Landab machen Unternehmen ihre Digital Units öffentlich sichtbarer. Spannend ist etwa zu beobachten, was Henkels Chief Digital Innovation Officer, Michael Nilles, bei Henkel dx und Joachim Harms, Managing Director bei Oetker Digital, aufbauen. Beides sind deutsche Traditionsunternehmen, deren Geschäftsmodell zunächst nicht klassisch digital ist, aber Wege dorthin finden muss, um langfristig erfolgreich zu sein.

In einer idealen Welt wäre jeder im Unternehmen fit genug im Digitalen, sodass es keine extra Unit bräuchte. Aber: Das Digitale ist noch so neu, braucht andere Herangehensweisen und Geschäftsmodelllogiken, dass eine Digital Unit eine wichtige Übergangslösung sein kann.

Tatsächlich ist die Digitalkompetenz auch in vielen Unternehmen ein Generationsthema; Digital Natives rücken Stück für Stück in Entscheiderpositionen und vertreten dadurch viel selbstverständlicher auch digitale Perspektiven. Bis das aber flächendeckend der Fall ist, sind Digital Units ein attraktiver Hebel, um zukünftige Führungskräfte aufzubauen und das Unternehmen erst einmal ins digitale Fahrwasser zu bringen.

Kolumnen, Kommentare und Gastbeiträge auf DUP-magazin.de geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.

29.04.2021    Fabian J. Fischer
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