Ich möchte nicht sagen, dass deutsche Unternehmen heute nicht mehr innovativ sind. Wir sind Weltmeister der inkrementellen Innovation, denn wir können bestehende Produkte sehr gut verbessern. Wenn es aber darum geht, Bestehendes und bisher Erfolgreiches kritisch zu hinterfragen, Bewährtes über den Haufen zu werfen und unter hoher Unsicherheit komplett neue Wege zu gehen, dann tun wir uns schwer.
Ein Beispiel, welches das verdeutlichen soll: Der Autokonzern VW, zugegebenermaßen kein klassischer Weltmarktführer, hat eines der höchsten Forschungs- und Entwicklungsbudgets weltweit. Es ist noch nicht lange her, da rangierte der Wolfsburger Autokonzern in diesem Ranking sogar auf Platz eins, noch vor Amazon, Samsung,Google, Microsoft & Co. Wofür wurde das Geld in der Vergangenheit ausgegeben? Etwas ketzerisch formuliert: in Spaltmaß und Reduzierung des durchschnittlichen Dieselverbrauchs von 5,2 l/100 km auf 4,9 l/100 km. F&E-Budgets müssen heute in neue digitale, disruptive Geschäftsmodelle und richtungsweisende Innovationen fließen. Denn die Zeiten ändern sich – rasend schnell.
Eine der größten Schwächen in Deutschland: fehlendes digitales Mindset!
Aber, so zeigen es aktuelle Studien, mit der Zukunft der Digitalisierung tun sich viele Unternehmen noch immer schwer. Eine aktuelle Studie des European Center for Digital Competitiveness zeigt: Deutschland verliert enorm an digitaler Wettbewerbsfähigkeit. Eine der größten Schwächen läge dabei im fehlenden „digitalen Mindset“. Das Mittelstandspanel der KfW kommt zu keinem besseren Ergebnis. Konkret hat demnach nicht einmal jeder dritte Mittelständler in den vergangenen Jahren systematisch in neue digitale Prozesse und Produkte investiert. Corona- und Lockdown-bedingt dürften einige Unternehmen einiges nachgeholt haben, aber das vorherrschende Mindset ist nach wie vor: In Trippelschritten bis zur Perfektion an bestehenden Produkten feilen.
Die wenigsten Unternehmen haben sich mutig den wesentlichen und zukunftsweisenden Themen gestellt: Habe ich das richtige Geschäftsmodell, um auch in fünf oder zehn Jahren noch bestehen zu können? Wie schaffe ich es, mit bestehenden und neuen Kunden schnell in den digitalen Austausch und ins Geschäft zu kommen – egal, ob ich als Unternehmen im B2C- oder B2B-Umfeld unterwegs bin? Wie muss ich mein Unternehmen verändern, damit ich einen Beitrag zu den sozialen und ökologischen Herausforderungen in der Welt leisten kann? Wie muss ich meine Organisationsform, Arbeits- und Innovationsweise ändern, damit ich mit den neuen digitalen Wettbewerbern und den sich rasant verändernden Märkten mithalten kann?
Schiebt das altbewährte Ingenieursdenken und den Perfektionismus beiseite
In den zehn Jahren als CEO des Digitalpioniers etventure habe ich unzählige digitale Transformationen begleitet. Sehr viel hat funktioniert, aber vieles ist auch gescheitert. Zudem komme ich selbst aus der Unternehmerfamilie eines Weltmarktführers und habe lange als Geschäftsführer eines großen Mittelständlers gearbeitet. Ich kenne die Kultur und das Mindset eines Familienunternehmens also aus eigener Erfahrung. Meine digitale Lernkurve war immens. Und zur Gründung von etventure bin ich überhaupt erst gekommen, weil ich vorher im Mittelstand mein persönliches „Innovations-Waterloo“ erlebte. Diese Erfahrungen habe ich nun in meinem neuen Buch „Werdet Weltmutführer“ zusammengefasst.
In diesem Buch zeige ich, wie Organisationen in der aktuellen komplexen Welt den Durchblick erlangen und digitale Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle mit bestehenden und neuen Kunden erfolgreich entwickeln und skalieren können. Wie Unternehmen bestehende Organisationsstrukturen und etablierte Vertriebskanäle und Geschäftsmodelle erfolgreich transformieren und so für einen Kultur- und Mindset-Wandel sorgen. Dabei lege ich den Fokus auf neuartige Innovationsmethoden und appelliere an den Mut, das Ingenieursdenken sowie den typischen deutschen Perfektionismus und Kontrollzwang punktuell aufzugeben. Und weil bei jeder Veränderung der Mensch im Mittelpunkt steht, zeige ich auf, wie Mitarbeiter und Mitarbeiterin aus ihrer bewahrenden Haltung herausgeholt und für die digitale Zukunft begeistert und befähigt werden können.
Den mutigen Macherinnen und Machern gehört unser aller Zukunft!
„Deutschland steht bezüglich der Digitalisierung am Scheideweg. Es wird seit Jahren viel darüber geredet, aber zu wenig gehandelt. Philipp Depiereux analysiert in seinem neuen Buch messerscharf und umfassend, wo wir stehen und was zu tun ist“, schrieb mit Gisbert Rühl zu diesem Buch.
Ich bin überzeugt, Traditionsunternehmen haben die besten Voraussetzungen, ihre weltweite Marktführerschaft auch in digitalen Zeiten zu verteidigen. Über die Digitalisierung wurde bis heute viel geredet, die Umsetzung ist aber der entscheidende Schlüssel. Dafür braucht es ein neues Mindset und vor allem: Mut! So schaffen wir die digitale Transformation der Wirtschaft!
Mein Appell an alle, die die Wirtschaft nachhaltig positiv gestalten möchten: „Schiebt das altbewährte Ingenieursdenken und den Perfektionismus beiseite und beschreitet mutig neue Wege!“
Werdet WELTMUTFÜHRER!
Welt | mut | füh | rer sind Unternehmen, die mit einem neuen Mindset Bewährtes immer wieder hinterfragen und den (digitalen) Wandel aktiv vorantreiben. Sie sind bereit, ihr Geschäftsmodell und Wirken auf unsere Gesellschaft grundlegend zu verändern.
Apropos VW - Hoffnung gibt mir der aktuell amtierende VW CEO Herbert Diess, der den Konzern wie kaum ein anderer vor ihm in Sachen Mindset, Softwaredenken und Nutzerzentrierung mutig transformiert. Diess verkörpert für mich das Gegenteil des Hochmutgehabes vieler anderer CEOs. Er propagiert aktuell auch als nahezu einziger deutscher Automobil-CEO den Perspektivwechsel, wonach sich das Auto in eine rollende Internet-Plattform entwickeln wird, die navigieren, informieren, unterhalten und selbstständig fahren kann. Hinzu kommt sein Statement zur Elektromobilität: Volkswagen ist elektrisch oder gar nicht. Auf einer Führungskräftetagung Anfang 2020 sagte er: „Was uns fehlt, das sind vor allem Schnelligkeit und der Mut zu kraftvollem, wenn es sein muss, radikalem Umsteuern. Wir werden ein zusätzliches Aufholprogramm brauchen, um alles Potenzial zu mobilisieren. Der Sturm geht jetzt erst los.“ Besser kann man es kaum formulieren. Ich würde mir mehr Führungskräfte vom Schlag eines Herbert Diess in Deutschland wünschen!