Schon bei der Ankündigung der Entwicklung einer Warn-App hatten Datenschützer Bedenken hinsichtlich der Sicherheit personenbezogener Daten geäußert. Zu diesem Zeitpunkt stand zudem noch die Idee einer zentralen Speicherung der gesammelten Daten im Raum. Beides ist mit der finalen Version nicht zur Anwendung gekommen. Mit der Entscheidung, bei der technischen Entwicklung der Corona-Warn-App statt auf GPS auf die Bluetooth-Technologie zu setzen, habe man sich von der Erhebung von Standortdaten unabhängig gemacht und die Daten würden allein auf dem Smartphone des Nutzers gespeichert, erläuterte Kanzleramtschef Dr. Helge Braun in der Pressekonferenz der Bundesregierung und des Robert-Koch-Instituts sowie der beiden an der technischen Realisierung beteiligten Konzerne Deutsche Telekom und SAP.
Bundesgesundsheitsminister Jens Spahn betont die zweistufige Freiwilligkeit bei der App-Nutzung: „Die Entscheidung, die App herunterzuladen, ist jedem freigestellt. In der nächsten Stufe, kann ebenfalls jeder Nutzer selbst festlegen, ob er seine Daten mit anderen Nutzern anonym teilen möchte.“ Die App gebe keine Anweisungen, sondern Empfehlungen, wie das eigene Verhalten etwas zur Bekämpfung der Pandemie beitragen kann. Ebenfalls sei sie kein Freifahrtsschein. Sie ersetze kein achtsames Verhalten hinsichtlich Abstandsregeln und des Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.
App kann im Unternehmen helfen, darf aber keine Pflicht sein
Genau diese Punkte können für Arbeitgeber jedoch relevant im Mitarbeiterschutz werden. Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Teilnahmen an größeren Menschenansammlungen oder auch Urlaubsreisen können die Gefahr einer Infektion erhöhen. Da zunehmend mehr Arbeitnehmer wieder in ihre Büros gehen, besteht vermehrt die Gefahr, noch symptomfrei Kollegen anzustecken. Die App kann helfen, Infektionsketten schon frühzeitig zu unterbrechen. Prof. Dr. Volker Nürnberg, Partner bei der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erklärte im DUB-Video-Call zum Thema „Betriebliches Gesundheitsmanagement" dazu, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter proaktiv auf die Vorteile der App hinweisen sollten, gleichzeitig müsse aber Freiwilligkeit gewährleistet sein.
Auch im Bundesverbraucherschutzministerium ist die Einschätzung ähnlich. Ministerin Christine Lambrecht: „Der Datenschutz und die Anonymität in der App bleiben zu jedem Zeitpunkt gewahrt. Allerdings können Arbeitgeber ihre Angestellten nicht dazu verpflichten, die Anwendung auf ihren Privathandys zu installieren. Dies wird auch so bleiben. Dazu ist kein Gesetz geplant. Bei Diensthandys muss abgewogen werden, ob hier die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers oder die Freiwilligkeit des Einzelnen gilt.“ Allerdings plädiere sie auch hier an die Freiwilligkeit, da Arbeitgeber Kontakte auch über andere Wege, wie beispielsweise Listen dokumentieren und nachvollziehen könnten.
Prof. Dr. Lothar Heinz Wieler, Leiter des Robert-Koch-Instituts, weist darauf hin, dass die App die bisherigen Maßnahmen ergänze. Diese würden jedoch jetzt nicht obsolet. Deswegen würde es auch nicht zutreffen, dass mindestens 60 Prozent der 50 Millionen in Deutschland registrierten Smartphones die Anwendung installiert haben müssten, um einen Effekt zu erzielen. Diese Kennzahl erhielte nur Gültigkeit, wenn alle anderen Maßnahmen abgeschafft würden.
Nutzung von Social Media gibt mehr Daten preis
Die Bereitstellung des Codes, des Datenschutzkonzeptes sowie des allgemeinen Konzepts zur Funktion als Open Source auf GitHub, habe sich bezahlt gemacht, erklärte Jürgen Müller, SAP-Vorstand. Aus der Community seien bereits 2100 Meldungen mit Verbesserungsvorschlägen eingegangen, von denen nach intensiver Prüfung einige umgesetzt wurden. Die App sende via Bluetooth verschlüsselte Zufallscodes, die Dauer, Nähe und Zeitpunkt seit der Begegnung erfassen, jedoch keine Rückschlüsse auf Smartphone oder Nutzer zuließen. Diese Daten würden jeweils für zwei Wochen auf dem Gerät gespeichert und dann automatisch gelöscht. Jede Online-Pizzabestellung oder Nutzung von Social Media gebe mehr Daten preis.
Die App sei eine technische Innovation Made in Germany, betont Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, in der Pressekonferenz. Alltagssituationen von der Fahrt im ICE, über den Restaurantbesuch oder eine ausufernde Cocktailparty seien im Labor nachgestellt worden, um die Effizienz und den Daten- und Energieverbrauch der App zu testen. Zum aktuellen Zeitpunkt könne die App 80 Prozent der Begegnungen korrekt anzeigen. Dies würde sich mit der weiteren Entwicklung noch verbessern. Im Vergleich zu analogen Methoden, wie sie in den Gesundheitsämtern zum Beispiel mit Gedächtsnisprotokollen durchgeführt würden, könnten so vier Tage im Erkennungsprozess einer Infektion gespart und Kontaktketten unterbrochen werden.
Laut Spahn ermöglicht die Nutzung der App es jetzt auch symptomlosen Kontaktpersonen einen kostenfreien Test beim Arzt zu bekommen: „Es ist besser zu wissen, dass man sich angesteckt hat, bevor man krank wird." Die nächsten Schritte seien, die App neben Deutsch und Englisch in weiteren Sprachen wie Türkisch, Arabisch oder Russisch bereitzustellen und eine Verknüpfung mit anderen innereuropäisch genutzten Warn-Apps zu ermöglichen. SAP-Vorstand Müller: „Die Pandemie ist global. Nationale Alleingänge helfen nicht.“