Künstliche Intelligenz

Wie Deutschland KI-Maßstäbe setzen kann

Künstliche Intelligenz ist überall – und das ist erst der Anfang. Gerade in der Wirtschaft, wie der DUB Digital Think Tank zeigt. Denn die Technologie ermöglicht einen smarten Umgang mit den Containerladungen vorhandener Daten. Vorausgesetzt, die Unternehmen handeln jetzt.

26.02.2020

Am Ende ging es nur darum, ihn abzuschalten. Hal ist der Computer aus „2001“, der das Raumschiff übernimmt und fast die gesamte Besatzung tötet. Abschalten kann ihn nur der letzte Überlebende. Eine böse cineastische Vision mit einem roten Auge. Aber eben nur eine Vision.

Denn tatsächlich ist „das alles Quatsch“, sagt Alexander Britz, Head of Digital Business und Artificial Intelligence bei Microsoft Deutschland. „Alles“, das sind jene Geschichten von Maschinen, die irgendwann die Weltherrschaft anstreben und übermächtig werden. Der Grund für sein Abwinken: Eine starke Künstliche Intelligenz (KI), eine Superintelligenz mit eigenem Willen, gibt es nicht. Wer heute von KI spricht, meint die schwache KI: ein System, das zu einem konkreten Problem konkrete Lösungen hervorbringt. Und davon gibt es schon reichlich: Algorithmen geben vor, welche Musik bei Spotify vorgeschlagen wird oder welche Produkte und News im Facebook-Feed erscheinen. Chatbots beantworten Fragen an Airlines. Und in der Industrie erkennt KI dank vorausschauender Wartung Mängel, bevor Maschinen ausfallen. Dinge und Entwicklungen, wie sie auch auf dem KI-Gipfel (DUB Digital Think Tank) diskutiert wurden.

Skepsis bleibt

Weil viele nicht wirklich verstehen, wie das alles funktioniert, scheint dahinter erst einmal etwas ganz Großes zu stecken. Etwas kaum Greifbares, extrem Komplexes. Aber das muss nicht sein. „Das, was als KI verkauft wird, ist ein riesiger Hype“, sagt Ashok Kaul, Head of Analytics bei Roland Berger. Und für Zukunftsforscher Kai Gondlach gilt das speziell für die breite Öffentlichkeit: „Wir Zukunftsforscher sagen, der Hype ist schon vorbei. Als Nächstes folgt: bessere Statistik und autonome Systeme, die selbst verantwortungsvolle Entscheidungen treffen – auf Grundlage von Big Data.“

Kaul: „KI ist im Wesentlichen Statistik in verschiedenen Facetten – von ganz einfach bis hochkomplex.“ Für den deutschen Mittelstand seien schon einfachere Lösungen äußerst effizient. Zumindest wenn die Datenqualität stimmt.  Die Kunst der Datenanalyse bestünde darin, vollkommen unstrukturierte Daten zugänglich zu machen – etwa in der Versicherungswirtschaft. „Mithilfe von versicherungsexternen Daten lassen sich Schäden besser vorhersagen als allein mit internen und so etwa die Prämien senken.“ Steht Deutschlands Unternehmen der Einzug in ein digitales gelobtes Land bevor, Deutschland als KI-Weltmeister?

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Beweg Dich!

Nur, wenn sie Gas geben. Die entsprechende Erkenntnis ist da: 58 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland sind mit ihrem Digitalisierungsgrad unzufrieden, zeigt eine Studie von EasySoftware und KPMG. Doch die Motivation, etwas daran zu ändern, scheint nicht sonderlich groß zu sein. „Wenn der deutsche Mittelständler sagt, ich bewege mich von 22 Prozent der Digitalisierung meiner Geschäftsprozesse auf 35 Prozent in zwei Jahren – dann ist der Anspruch zu niedrig“, warnt Dieter Weißhaar, CEO von Easy Software. Denn: ohne Digitalisierung keine Daten und ohne Daten keine KI. Und aus „zu wenig“ kann ganz schnell „zu spät“ werden, gerade im internationalen Wettbewerb.

Die Experten waren sich beim DUB Digital Think Tank darüber einig, dass nur noch ein kleines Zeitfenster von zwei bis drei Jahren bleibt. Auch Bitkom-Präsident Achim Berg sieht das so: „Bei der Künstlichen Intelligenz müssen wir nach der heutigen Debatte bereits morgen mit der Umsetzung beginnen. Wir dürfen nicht warten, bis wir alle klugen und wichtigen Gedanken aufgeschrieben haben.“ Deutschland will sich die Förderung dieser Technologie bis 2025 drei Milliarden Euro Fördergelder kosten lassen. Und setzt auf einen europäischen Weg.

Die digitale Union

Die FDP-Politikerin Nicola Beer spricht von einer Digitalunion: „Es ergibt keinen Sinn, hier fragmentiert vorzugehen – 28 Nationen, jede für sich. Stattdessen sollten wir uns eng koordinieren. Das gilt für die Forschung und Entwicklung." Mit anderen Worten: Kreieren nicht kopieren. Entsprechend falsch wäre es, ein europäisches Amazon oder Google gründen zu wollen. Und die einzelnen Länder? Sollten sich auf ihre Stärke besinnen. Professor Wolfgang Wahlster vom Deutschen Institut für Künstliche Intelligenz sieht etwa für Deutschland gute Chancen in der Industrie 4.0.

Einigkeit herrscht besonders in einem Punkt: Sollte Europa die Technologieführerschaft erreichen, böte das die Chance, internationale Standards zu setzen – etwa in Hinblick auf Datenschutz und einen verantwortungsvollen Umgang mit KI. Bis dahin ist aber noch einiges zu tun. In Sachen Datenqualität etwa. Die politischen Rahmenbedingungen oder der digitale Nachholbedarf wurden zum Beispiel von den Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf dem zweiten DUB Digital Think Tank in Hamburg mit  rund 100 Gästen diskutiert. Der dritte Think Tank ist für Mai dieses Jahres geplant. Wer spricht da noch von Hal und „2001" – 2020 und KI zählen!

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