Die weltweit marktstärkste und am meisten diskutierte Kryptowährung Bitcoin ist die älteste Blockchain – aber nur eine von derzeit knapp 1.000. Das Prinzip: Mithilfe der Distributed-Ledger-Technologie werden digitale Informationen auf verschiedenen ebenbürtigen dezentralen Computersystemen chronologisch erfasst, gehalten, verifiziert und gegebenenfalls im gemeinsamen Konsensus angepasst. Wenn die Mehrheit der Systeme die Informationen als richtig beurteilt, werden diese auf der Blockchain abgespeichert. Der Vorteil: Die Informationen sind dokumentiert, einsehbar und lassen sich nicht mehr verändern. So schließt die Blockchain Vertrauenslücken ohne Zuhilfenahme vertrauenswürdiger Instanzen.
In puncto Nachhaltigkeit hat die Technologie allerdings erhebliches Verbesserungspotenzial. Laut der Krypto-Expertin Katharina Gehra könnte dafür der Konsensus-Mechanismus verändert werden, sagte sie auf der DIGITAL X in Köln. „Denn wenn wir systematisch Energie einsparen und gleichzeitig Transparenz und Sicherheit erhöhen wollen, werden wir um Blockchains nicht herumkommen.“ Gehra prognostiziert: „Die Blockchain wird jede Industrie verändern.“ Doch in welchen Unternehmen, Branchen und Bereichen wird sie bereits eingesetzt? Zum Beispiel hier:
1. Supply-Chain-Management
Covid-19 hat die weltweiten Lieferketten seit dem Frühjahr 2020 teils massiv beeinträchtigt. Aufgrund von Materialmangel mussten viele Industriezweige die Produktion herunterfahren, konnten weniger Güter herstellen und verloren zum Teil stark an Umsatz. Gleichzeitig sind die Containerpreise für die Verschiffung von Waren rapide gestiegen.
Patrick Zahn, CEO des Textil-Discounters KiK, weiß um die Fragilität von Lieferketten. In seinem Unternehmen arbeitet seit 2018 ein kleines Team an innovativen Blockchain-Lösungen, um das Supply-Chain-Management schneller, sicherer und transparenter zu machen. Schließlich wollen immer mehr Kundinnen und Kunden wissen, woher das T-Shirt kommt, das sie bei KiK kaufen. „Wir erhoffen uns vom Einsatz der Blockchain einen Wettbewerbsvorteil, weil wir damit die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards besser kontrollieren können“, erklärt Zahn. Mit Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes zum 1. Januar 2023 werde das für deutsche Firmen ohnehin Pflicht. Zahn glaubt deshalb: „Das Gesetz wird andere Unternehmen dazu bringen, in Zukunft ebenfalls auf die Blockchain zu setzen.“
2. Mobilität
Die Mobilität effizienter, sicherer und vor allem nachhaltiger zu machen ist aktuell eine der größten Herausforderungen. Das Bundesverkehrsministerium und das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik gaben bereits im Mai 2019 ein Gutachten heraus, in dem sie mögliche Anwendungsszenarien für die Blockchain im Mobilitätssektor vorgestellt haben – unter anderem in den Bereichen Transport und Logistik, Mobilitätsplattformen sowie voll automatisierte Mobilität. Mit dem Projekt „Open Mobility System“ gab es sogar Versuche, mithilfe der Blockchain ein fälschungssicheres und datenschutzkonformes Ticket für Bus, Bahn und Flugzeug anzubieten.
Aber auch die Automobilkonzerne sehen in der Blockchain-Technologie großes Potenzial, das autonome Fahren oder die E-Mobilität zu forcieren, während Carsharing-Anbieter über die Blockchain beispielsweise Pay-per-Use-Abrechnungen für Mietwagen oder Flotten einfacher realisieren könnten.
3. Kunst
Picasso war gestern: Digitale Kunst ist rasant auf dem Vormarsch. Und: Es ist ein millionenschwerer Markt. Im Frühjahr versteigerte das Londoner Auktionshaus Christie’s eine Collage aus 5.000 digitalen Bildern des US-Künstlers Beeple für beeindruckende 69,3 Millionen US-Dollar. Das Kunstwerk wurde mithilfe von auf der Blockchain gespeicherten Non Fungible Token (NFT) verschlüsselt, ist dadurch einzigartig und fälschungssicher. Auch in der Musikindustrie könnten NFT Zukunft haben. Popmusikerin Grimes, mit der Tech-Pionier Elon Musk einen Sohn hat, hat bereits digital verschlüsselte Musik und Videos verkauft. Der deutsche Künstler Fynn Kliemann versteigerte über die NFT-Plattformen „Rarible“ und „Open Sea“ 100 Jingles für insgesamt 250.000 Euro.
4. Gesundheit
Wie bei Textilien oder Lebensmitteln könnte die Blockchain auch dabei helfen, die Wertschöpfungskette von Medikamenten transparenter zu machen. So ließe sich der illegale Handel mit gefälschten Pharmazeutika unterbinden, weil der gesamte Herstellungsprozess und der Transportweg auf der Blockchain abgelegt wird. Das Bundesgesundheitsministerium hat 2019 einen Ideenwettbewerb durchgeführt. Das Ergebnis: Blockchain-Lösungen könnten unter anderem dem Betäubungsmittelmissbrauch vorbeugen oder bei Patienteneinwilligungen zum Beispiel für Organtransplantationen helfen.
Damit nicht genug: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte hat bereits im Dezember 2017 in einer Studie darauf hingewiesen, dass in Zukunft auch Patientendaten digital und sicher auf der Blockchain gespeichert und von Ärzten abgerufen werden können, was die medizinische Versorgung in vielen Fällen stark beschleunigen würde.
5. Cybersecurity
Ob Internet of Things, Business Intelligence oder Industrie 4.0: Daten werden für Unternehmen und ihre Prozesse immer wertvoller. Umso wichtiger ist es, sie vor Cyberangriffen zu schützen. So könnte in Zukunft die Distributed-Ledger-Technologie dafür sorgen, dass sensible Daten gut geschützt auf der Blockchain liegen. Kryptowährungen und die Finanzbranche zeigen bereits eindrucksvoll, dass und wie es geht.