Zukunft des Einkaufens

Zwei Trends für eine bessere Kunden-Experience

Das gesamte Einkaufserlebnis muss heute exzellent sein – keinen geringeren Anspruch haben Kundinnen und Kunden an die Customer Journey. Zwei Trends, auf die es ankommt.

05.11.2021

In Großstädten tummeln sich auf den Radwegen immer mehr Lieferdienste, die Brotlaibe, Shampoos oder Bowls durch die Straßen kutschieren. Und auch die Paketboten haben viel zu tun, der Online-Handel und damit der Produktversand boomen. Warum finden das die Kundinnen und Kunden gut? Die kurze Antwort: Weil es auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist.

Kasten für die Kolumne von Fabian Fischer

Die lange Antwort: Weil diese Unternehmen es schaffen, dass sich Kundinnen und Kunden gern in ihrem Produktkosmos aufhalten und sie individuelle Lösungen finden. Diese beiden Faktoren werden in Zukunft noch entscheidender für die Kunden-Experience sein – und somit für den Erfolg von Unternehmen.

Die Zukunft des Einkaufens ist langfristig angelegt

Kunden-Experience meint nicht nur, dass die App schön gestaltet ist und alle Buttons an der passenden Stelle sind. Entscheidend ist vielmehr die Kunden-Experience entlang der gesamten Customer Journey, also entlang aller Berührungspunkte der Kunden mit Produkt und Marke. Das gesamte Einkaufserlebnis muss heute exzellent sein – und es endet nicht mit dem Produktversand, sondern beinhaltet im Bedarfsfall auch einen möglichst reibungslosen Kundensupport, Umtausch und so weiter.

Denn während im stationären Handel der physische Radius den Einkauf potenziell beeinflusst, ist das Online-Shopping grenzenlos. Ist die Kunden-Experience also nicht exzellent und vollständig überzeugend, können die Kundinnen und Kunden einfach einen Tab weiterziehen. Das war früher beim rein stationären Handel nicht möglich: Da hatte der Dorfmetzger ein Monopol. Egal, ob er freundlich war oder nicht, Wurst gab es nur dort oder im Kilometer entfernten Nachbardorf.

Amazons Erfolgsgeheimnis

Daher war es etwa äußerst klug von Amazon, dem Kundenservice von Beginn an eine so hohe Bedeutung beizumessen: Die gute Erreichbarkeit und das häufig kulante Entgegenkommen des Kundenservices bauten schnell ein Grundvertrauen in die Marke auf und sprach sich herum. Natürlich war dies zunächst ein kostenintensives Investment für Amazon. Langfristig jedoch hat dieses Erlebnis dazu geführt, dass Kunden treu bleiben.

Das Gefühl, bei Amazon als Kunde gut behandelt zu werden und daher gern und bedenkenlos wiederzukommen, sorgt für eine „Stickiness“. Als Kunde verweilt man gern bei Amazon, ist gern in diesem Produktkosmos. Die Grundlagen dafür hat der Branchenprimus früh geschaffen und sie sind eines seiner vielen Erfolgsgeheimnisse. Gleichzeitig wird es für Amazon essentiell bleiben, das Kundenerlebnis auch bei einem immer größer werdenden Sortiment auf dem hohen Niveau zu halten.

Illustration von Fabian Fischer
Fabian J. Fischer ist ein Hamburger Unternehmer, digitaler Vordenker und Investor. Als CEO von Etribes verantwortet er die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens, das mittelständische Unternehmen und Dax-Konzerne bei den Herausforderungen der Digitalisierung berät. Fischer ist ebenso Co-Founder von Picea Capital, einem Evergreen Venture Capital Fund mit Fokus auf Early-Stage-Technologieunternehmen.

Die Zukunft des Einkaufens ist individuell

Innerhalb weniger Minuten bringen die Großstadt-Lieferdienste von Gorillas, Flink und Co. aktuell Lebensmittel oder Drogeriebedarf in die Haushalte, da die Quick-Commerce-Anbieter dezentrale Lager in Ballungsgebieten aufgebaut haben. Das Angebot passt für spontane Käufe, wenn etwa der Kaffee zum Frühstück fehlt. Eine langfristig planende Zielgruppe mag da die Nase rümpfen und eher auf die Wocheneinkaufs-Anbieter Picnic oder Frischepost setzen. Gemeinsam haben sie alle: Sie stellen die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt des Handels, nicht die eigene Logistik.

Im ersten Schritt werden diese Angebote den klassischen Supermarkt nicht komplett verdrängen oder ersetzen. Sie werden ihm jedoch Marktanteile abnehmen, die beim riesigen Kuchen des Lebensmitteleinzelhandels immer noch äußerst interessant sind. Das eigentliche Kapital aber sind die langfristigen Kundenzugänge: Anbieter wie Gorillas oder Flink sehen durch die Käufe in ihren Apps sofort, welche Produkte gut gehen und welche Ladenhüter sind. Darauf können sie viel schneller und individueller reagieren – im Preis etwa. Aber auch langfristig im Produkt, etwa mit Eigenmarken.

Der Wert dieser Investments sind also langfristig die Kundenzugänge und die Insights über Einkaufswünsche und Bedürfnisse. Die Kunden und ihre Wünsche rücken dadurch immer mehr in den Mittelpunkt.

Kunden-Experience entscheidet in Zukunft, wie wir einkaufen

Gemeinsam haben die aktuellen Entwicklungen im Online-Shopping – sei es Direct-to-Consumer oder die Creator Economy – dass die Kundinnen und Kunden mehr denn je im Zentrum stehen. Ihre Bedürfnisse sind es, die in Zukunft immer weiter in den Mittelpunkt jedes Unternehmens rücken müssen. Nur so werden sie es schaffen, die Kundinnen und Kunden in ihren Produktkosmos zu ziehen und sie mit individuellen Angeboten langfristig zu überzeugen.