Bayerische Forschungsallianz GmbH

Wenn Gewinn keine Rolle spielt

Martin Reichel, der Geschäftsführer der Bayerische Forschungsallianz, über die großen Möglichkeiten in einem Business, in dem es nicht darum geht, einen Gewinn zu erwirtschaften.

26.07.2022

Martin Reichel

Geschäftsführer der Bayerischen Forschungsallianz GmbH. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen und war zunächst als Anwalt im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes tätig, bevor zum Helmholtz Zentrum München wechselte und dort zuletzt den Bereich Recht und Technologietransfer leitete. 2011 wechselte er dann als Geschäftsführer zur Bayerischen Forschungsallianz.

Wie hat sich Ihr Business in den letzten Monaten entwickelt? Gibt es ein besonderes Learning aus der Coronakrise für Ihr Unternehmen?

Martin Reichel: Wie viele Unternehmen haben auch wir, die Bayerische Forschungsallianz, während der Coronapandemie im Bereich „Mobiles Arbeiten“ und auch bei der Implementierung von Online-Veranstaltungen mit Videokonferenztools einen weiteren Sprung nach vorne gemacht. Wir waren hier zwar aufgrund unseres internationalen Aufgabenbereichs bereits sehr gut aufgestellt, doch Videokonferenzen waren bis dahin eher die Ausnahme. Sie können persönliche Begegnungen leider einfach nicht vollumfassend ersetzen. Aber wir konnten so unseren Geschäftsbetrieb dann doch erstaunlich gut aufrechterhalten. In Zukunft werden wir deshalb ganz sicher nun auch verstärkt Video- und Onlineformate einsetzen, allein um das Reisebudget und die Reisezeiten zu reduzieren. Und gleichzeitig reduzieren wir dadurch auch ganz im Sinne des EU-Klimaziele erheblich unsere CO2-Emmissionen. Hier ist aus der Not heraus etwas sehr Positives entstanden. Auch wenn wir auf persönliche Begegnungen in Zukunft trotzdem nicht ganz verzichten können. Wir werden aber jetzt ganz sicher öfter darüber nachdenken, ob eine Reise unbedingt notwendig ist.

Was ist das Erfolgsrezept für Ihr Business?

Reichel: Die vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst geförderte Bayerische Forschungsallianz berät und unterstützt bayerische Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft, insbesondere KMU, umfassend beim Einwerben von europäischen Fördermitteln für Forschung, Entwicklung und Innovation. Gleichzeitig unterstützen wir internationale Forschungs- und Innovationsprojekte auch als Projektpartner, indem wir beispielsweise das Projektmanagement oder auch die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen. Wir sind nicht nur Theoretiker, sondern auch Praktiker. Das Streben nach einem klassischen Wachstum wie bei gewinnorientierten Unternehmen ist als öffentliches Unternehmen nicht unser primäres Ziel. Das Erfolgsrezept für unser Business ist die Möglichkeit, auf die Bedürfnisse unserer Kunden sehr individuell und bedarfsgerecht reagieren zu können – gerade, weil wir nicht darauf angewiesen sind, einen Gewinn zu erwirtschaften. Wir können es uns deshalb auch erlauben, Antragsunterstützung bei Projektideen zu leisten, die auf den ersten Blick vielleicht nur geringe Chancen auf eine anschließende EU-Förderung haben. Doch der Prozess der Antragserarbeitung hilft unseren Kunden als Learning dann im zweiten Versuch, um erfolgreich zu sein. Unser Key-Performance-Indicator, KPI, sind unter anderem vor allem die Fördermittel, die wir mit und für bayerische Akteure eingeworben haben. Für jeden Euro, den der Freistaat Bayern in uns investiert, holen wir sieben Euro aus Brüssel nach Bayern. Dieser Mehrwert wird von Seiten der politischen Entscheidungsträger – insbesondere auch bei unseren internationalen Aktivitäten in Kanada, Israel und Afrika – gesehen und geschätzt, und er ermöglicht uns auch, den Dialog mit den zuständigen Ministerien zu verstärken, um speziell für diesen Bereich die Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln zu erwirken.

Wie bleiben Sie als Unternehmen neugierig und innovativ und was tun Sie als Management, um das zu fördern?

Reichel: Unser Tagesgeschäft sind hochinnovative Projektideen und sogar disruptive Innovationen. Mit ihnen haben wir jeden Tag rund um die Uhr zu tun, und sie zwingen uns natürlich von vornherein schon, neugierig zu bleiben und innovativ zu denken. Das hilft enorm, den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus offen zu halten. Zudem versuchen wir, bei möglichst vielen Projekten auch intern interdisziplinär zu arbeiten. Wir haben ja verschiedene Expertenteams in ganz unterschiedlichen Forschungsbereichen. Wenn sich dann beispielsweise das Team „Gesundheitsforschung und Biotechnologie“ mit dem Team „Informations- und Kommunikationstechnologien“ zusammensetzt, können kreative und innovative Ideen entstehen, weil es dann doch auf den zweiten Blick interessante Überschneidungen gibt. Was aber natürlich immer auch wichtig ist: frischer Wind von außen! Neue innovativ-denkende Mitarbeitende, die ins Unternehmen kommen und noch nicht betriebsblind sind, bieten immer große Chancen! Deshalb sind bei uns alle Mitarbeitenden dazu aufgerufen, neue Ideen zu entwickeln und auch den Mut zu haben, sie zu äußern. Meine Tür steht immer offen! Jeder Mitarbeitende kann mit seinen Ideen und Überlegungen zu mir kommen oder es auch gerne erstmal im eigenen Team besprechen. Wichtig ist, kreativ zu bleiben, sich weiterzuentwickeln, nicht stehenzubleiben. Auf den bisherigen Erfolgen ausruhen? Bitte nicht!

Was ist die größte Stärke der Company? Was zeichnet Sie aus? Trauen Sie sich eine Schwäche preiszugeben?

Reichel: Die Fähigkeit der einzelnen Mitarbeitenden, sich ständig auf neue Sachverhalte und neue Personen einzustellen und der Wunsch, durch die erbrachte Unterstützung innovative Ideen zu verwirklichen – also die intrinsische Motivation, Europa auf dem Weg zu einem grünen, digitalen und resilienten Kontinent zu unterstützen – sind sicherlich unsere Stärken und unser Antrieb. Gleichzeitig sind diese hohe Motivation und die innere Verbundenheit zu den Projektideen manchmal auch eine besondere Herausforderung, wenn es um die persönlichen Arbeitszeiten der einzelnen Mitarbeitenden geht. Nicht jeder kann gleich nach erfolgreicher Mitteleinwerbung loslassen und sich von dem Projekt auch wieder zurückzuziehen. Das kommt mir manchmal vor wie bei Eltern, die ihre Kinder auch loslassen müssen. Da müssen wir als Arbeitgeber drauf achten, unsere Mitarbeitenden vor einer Überlastung zu schützen und auch die Zeit für die Entwicklung neuer Ideen zu schaffen.

In wenigen Worten: Was tun Sie, um den digitalen Anschluss nicht zu verpassen?

Reichel: Digital sind wir sehr gut aufgestellt, und wir versuchen sowohl auf der Hardware- als auch auf der Softwareseite eine Überalterung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten zu vermeiden. Durch die Art unserer Tätigkeit sind wir mit den neuen digitalen Technologien permanent in Berührung und selbstverständlich überlegen wir uns dann auch immer, ob auch wir eine solche Lösung bei uns implementieren können. Als reines Beratungsunternehmen brauchen wir allerdings auch nur einen kleinen Teil all dieser digitalen Möglichkeiten, die für das produzierende Gewerbe sicherlich enorm viel entscheidender sind als für uns. Trotzdem erscheint es mir persönlich immer als sehr wichtig, kontinuierlich ein Ohr am Puls der Zeit zu haben.

Was macht Ihr Unternehmen bei Bestandskunden besonders erfolgreich?

Reichel: Die Art unserer Tätigkeit ist nur schwer mit klassischen Unternehmen vergleichbar. Nicht alle von uns unterstützten Akteure sind bei der Einwerbung der Fördermittel erfolgreich und es bedarf schon einer höheren Frustrationstoleranz, um den zeitlichen und finanziellen Aufwand ein weiteres Mal zu erbringen. Wir verstehen uns immer als Teil des antragstellenden Teams, und damit verbunden ist eine hohe Einsatzbereitschaft unserer Mitarbeitenden, es ein weiteres Mal zu versuchen, bis das Ergebnis stimmt. Das motiviert dann auch unsere Kunden – gerade unsere Bestandskunden melden uns das als Feedback.

Was ist ihr Erfolgsfaktor, um Neugeschäft zu gewinnen?

Reichel: Aus den durchgeführten Kundenbefragungen wissen wir, dass ein ganz essenzieller Erfolgsfaktor für die Gewinnung neuer Kunden die Weiterempfehlung eines Akteurs ist, den wir bereits erfolgreich unterstützt haben. Kommen die Interessenten erst einmal zum ersten Beratungsgespräch, können wir sie immer gut von unserer Leistungsfähigkeit und unserer Erfahrung in diesem spezifischen Umfeld überzeugen. Für die meisten Kunden ist der entscheidende Faktor, dass wir neben der Kenntnis aller Rahmenbedingungen auch hinreichend Erfahrung in der Durchführung von Projekten und deren administrativer Begleitung haben. Wir beraten ja nicht nur, sondern sind in internationalen Forschungs- und Innovationsprojekten auch Projektpartner, indem wir beispielsweise das Projektmanagement oder auch die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen. Wir können also auch unsere eigenen praktischen Erfahrungen weitergeben und auch von den Fehlern berichten, die wir in der Vergangenheit selbst gemacht haben. Das wissen unsere Kunden sehr zu schätzen. Zudem nehmen unsere Mitarbeitenden permanent an Netzwerkveranstaltungen teil und können dort durch ihre Expertise in der europäischen Forschungs- und Innovationslandschaft die Bayerische Forschungsallianz als Topberatungsunternehmen platzieren.

Was tun Sie, um den Service zu verbessern?

Reichel: Seit vielen Jahren führen wir in regelmäßigen Abständen anonymisierte Kundenbefragungen durch, um die Bedürfnisse unserer Kunden besser zu verstehen und um zu lernen, was wir ggf. noch verbessern müssen. Wir denken, dass wir auf dem diesem Wege bisher ehrliche Rückmeldungen erhalten haben. An den bisher zu verbessernden Punkten haben wir dann gearbeitet. So wurden beispielsweise die Inhalte der von uns angebotenen Workshops noch interaktiver gestaltet oder die Informationsmaterialien mit mehr Beispielen versehen. Auch diesen Herbst werden wir wieder eine Kundenbefragung durchführen, und ich bin gespannt, ob an den Rückmeldungen eine entsprechende Verbesserung unseres Dienstleistungsangebots ablesbar ist. Zudem fragen wir natürlich auch immer wieder im direkten Gespräch bei Kunden nach, was wir besser machen können.

Nennen Sie ein konkretes Beispiel wie Ihr Unternehmen Service lebt?

Reichel: Wir hatten beispielsweise Ende letzten Jahres ein Projektkonsortium mit einem bayerischen Partner intensiv bei der Erstellung eines EU-Förderantrags für dessen Forschungs- und Innovationsprojekt unterstützt. Aus verschiedenen Gründen konnte das Konsortium den ursprünglichen Zeitplan für die Erstellung der einzelnen Antragsteile nicht einhalten, was uns ausgerechnet in der Weihnachtszeit eine Menge Arbeit machte. Die zuständigen Mitarbeitenden haben in dieser Phase teilweise ihren Urlaub unterbrochen und auch in der Weihnachtszeit an den Antragsteilen gefeilt, um dem Konsortium den bestmöglichen Support liefern zu können. Dies geschah aus eigenem Antrieb der Mitarbeitenden und nicht, weil die Unternehmensleitung dies eingefordert hätte.

Was tun Sie, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren? Was bieten Sie aktuellen und zukünftigen Mitarbeitenden? Gibt es eine Maßnahme, die Sie mit Stolz erfüllt?

Reichel: Das ist in der Tat für eine kleine Organisation wie unsere eine Herausforderung. Die klassischen Karrieremöglichkeiten, wie sie große Unternehmen ihren Mitarbeitenden offerieren können, können wir nicht bieten. Es ist uns aber sehr wichtig, dass die Mitarbeitenden die Möglichkeit haben, sich permanent weiterzuentwickeln und fortzubilden. Zudem haben die Mitarbeitenden die Chance, sich permanent mit spannenden Themen aus dem Bereich Forschung und Innovation auseinanderzusetzen und in einem grenzüberschreitenden internationalen und auch sinnstiftenden Umfeld tätig zu sein. Ganz wichtig ist sicherlich auch, dass wir bei der Arbeitszeitgestaltung und den persönlichen Arbeitszeitmodellen als kleinere Organisation sehr flexibel agieren können und zahlreiche Arbeitszeitmodelle realisiert haben, um auch den persönlichen Lebensumständen der einzelnen Mitarbeitenden gerecht werden zu können. Wir sind unter anderem auch Mitgliedsunternehmen im „Familienpakt Bayern“, einer Partnerschaft zwischen der Bayerischen Staatsregierung und der bayerischen Wirtschaft, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Bayern weiter zu verbessern und Impulse in Unternehmenswelt und Gesellschaft zu setzen.