Arbeitsrecht

Was Sie vor der Workation vertraglich regeln sollten

Einfach mal den heimischen Schreibtisch hinter sich lassen und für eine Weile vom Strand aus oder vor Bergpanorama arbeiten? Workation klingt verlockend. Doch bei dieser speziellen Form des mobilen Arbeitens gibt es rechtlich einiges zu beachten.

27.07.2022

Mobile Work, Homeoffice, Remote Work oder auch Workation sind inzwischen weit mehr als Buzzwords. Sie sind gelebte Normalität. Der Zuspruch für flexiblere Arbeitsformen ist groß. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom arbeitet die Hälfte der Erwerbstätigen in Deutschland ganz oder teilweise mobil.

Beim Handelsunternehmen BabyOne beispielsweise können die rund 160 Mitarbeitenden der Franchisezentrale in Münster seit Kurzem problemlos von jedem x-beliebigen Ort innerhalb Europas ihrer Beschäftigung nachgehen. Perspektivisch ist geplant, auch für die Mitarbeitenden in den Fachmärkten flexiblere Arbeitsmodelle zu entwickeln.

Einen historischen Wandel mitgestalten

„Wir sind Zeitzeugen eines historischen Wandels in der Arbeitswelt. Wer heute die besten Talente für sich gewinnen und langfristig an sich binden will, muss ausgetretene Pfade erkennen und verlassen können. Wir glauben fest an eine zukünftige Arbeitswelt, in der die Bedeutung persönlicher Freiheitsgrade noch stärker zunehmen wird“, sagt Anna Weber, Co-CEO von BabyOne.

Das Familienunternehmen befindet sich mitten im digitalen Transformationsprozess, zu dem auch ein umfassender Kulturwandel gehört. Das Ziel: auf selbstverantwortlich agierende Mitarbeitende und Teams setzen statt wie in der Vergangenheit auf Kontrolle durch die Vorgesetzten. Der „work from anywhere“-Ansatz ist dabei eine zentrale Maßnahme.

„Der Wunsch nach mehr Flexibilität, Selbstbestimmung und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist groß“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. Und so verwundert es kaum, dass Arbeitsorte abseits von Einzel- oder Großraumbüro und Homeoffice an Popularität gewinnen. 59 Prozent der Beschäftigten würden laut Bitkom gerne aus der Ferienwohnung arbeiten, 58 Prozent von einem festen Wohnort im Ausland und 31 Prozent im Campingbus.

Es gibt nicht die eine Art der Arbeit

„Die neue Normalität entscheidet sich nicht zwischen klassischer Präsenzarbeit und Homeoffice, sondern ist ein klares Sowohl-als-auch. Hybride Arbeitsmodelle werden sich zunehmend durchsetzen“, so Berg. „Die meisten werden einige Tage pro Woche ins Büro gehen und einige Tage zu Hause arbeiten. Manche werden nur noch im Homeoffice sein, andere nur im Büro. Und der eine und die andere wird Workation bevorzugen und am Urlaubsort arbeiten, sei es im Hotel oder Camper – immer vorausgesetzt, der Job lässt das zu.“

Workation gewann nicht zuletzt dadurch an Relevanz, dass private Reisen während der Pandemie nur eingeschränkt möglich waren. Laut einer Umfrage des Online-Portals Expedia würde jeder Zweite lieber in einem warmen Land arbeiten statt Urlaub im eigenen Land zu machen. Und knapp ein Drittel der Beschäftigten wäre mit einer Workation-Möglichkeit nicht nur entspannter und glücklicher, sondern nach eigener Einschätzung auch produktiver. Doch wann ist Workation wirklich Workation?

Workation versus digitales Nomandentum

Workation ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus den englischen Worten „work“ und „vacation“. Per Definition handelt es sich dabei um die temporäre Ausübung des Jobs an einem Ort, an dem man sonst eher Urlaub machen würde. Digitale Nomaden hingegen wechseln sowohl regelmäßig den Arbeitsort als auch den Job beziehungsweise Auftraggeber.

Arbeiten wo andere Urlaub machen – ob am Strand, in den Bergen oder in einer Metropole: Das klingt verlockend, ist in der Umsetzung allerdings mitunter problematisch. Denn bei Workation gibt es rechtlich einiges zu beachten.

Workation nur mit Einverständnis des Arbeitgebers möglich

Aus arbeitsrechtlicher Sicht handelt es sich bei Workation um eine Form der mobilen Arbeit – und mobile Arbeit ist grundsätzlich weder orts- noch arbeitsplatzgebunden. Das ist der große Unterschied zum Homeoffice, bei dem Beschäftige von einem festen Ort – in der Regel dem eigenen Zuhause – aus arbeiten.

Dieser Unterschied ist arbeitsrechtlich wichtig. Denn er bedeutet: Selbst wenn die Möglichkeit zu Fernarbeit – also zu Remote Work oder Homeoffice – bereits vertraglich geregelt ist, inkludiert das keine Workation im Ausland. Homeoffice- oder Remote-Work-Vereinbarungen gelten nur solange, wie sich der Arbeitnehmende in Deutschland aufhält.

„Wollen arbeitswütige Sommerfrischler ihren Job im Anschluss an den zweiwöchigen Mittelmeer-Trip im Strandhotel ausüben, bedarf es der Zustimmung des Unternehmens“, sagt Felix Korten, Arbeitsrechtsexperte und Vorstand bei Korten Rechtsanwälte. Schließlich obliegt es grundsätzlich dem Arbeitgeber, über den Arbeitsort zu bestimmen. „Lehnen Chefs ab, können Beschäftigte nicht auf diese Sonderform des mobilen Arbeitens bestehen.“ Denn: Ein allgemeines Recht auf mobiles Arbeiten oder Homeoffice existiert aktuell weder fürs In- noch Ausland. „Wer einfach so und ohne Rücksprache den Urlaubs- zum Arbeitsort macht, dem drohen weitreichende arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung“, sagt Korten.

Das sollte in einer Zusatzvereinbarung stehen

Einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine Workation, empfiehlt es sich, die Absprachen in einer detaillierten Zusatz- oder Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag schriftlich festzuhalten. Schließlich gibt es bisher in Deutschland nur wenige gesetzliche Vorgaben, auf die man sich im Streitfall berufen könnte.

Korten empfiehlt in solch einer Vereinbarung unter anderem den abweichenden Tätigkeitsort, Arbeitszeiten, Erreichbarkeit, Kostenerstattung und Rückkehrmodalitäten zu regeln. „Unbedingt bei der Zusatzvereinbarung zu beachten ist auch die Frage des anwendbaren Rechts“, fügt er Anwalt hinzu. Denn unter Umständen können bei Angestellten, die einen Teil ihrer Arbeitszeit im Ausland verbringen, die Gesetze des Gastlands greifen.

Daneben gilt es, auch steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Aspekte vorab in der Vereinbarung festzuhalten. Denn schon eine Workation, die länger als vier Wochen dauert, kann Konsequenzen in Bezug auf Besteuerung und Sozialversicherung haben.

Gut über die Sozialversicherung informieren

Die Frage nach der Besteuerung lässt sich nur unter Berücksichtigung der Doppelbesteuerungsabkommen beantworten. Ob zusätzliche Abgaben an die Finanzbehörde des Gastlands abgeführt werden müssen, hängt primär von der Dauer der Tätigkeit im Ausland ab. „Für gewöhnlich können in Deutschland steuerlich ansässige Arbeitnehmende remote auf Reisen bis zu 183 Tage im Jahr arbeiten, ohne dass es sich auf den Lohnsteuerabzug auswirkt“, betont Korten.

Komplizierter ist es bei der Sozialversicherung, da hier das Territorialitätsprinzip gilt. Das heißt: Ein Arbeitnehmer ist in dem Land sozialversicherungspflichtig, in dem er die Arbeit verrichtet. Klingt erstmal logisch. Aber: Es gibt zahlreiche Ausnahmen von dieser Regel. Und so kommt es unter anderem darauf an, ob sich der temporäre Arbeitsort innerhalb oder außerhalb der EU befindet und wie lange man sich dort aufhält.

Wenn man mindestens 25 Prozent der Arbeit in Deutschland verrichten oder wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in Deutschland hat, kann der Arbeitnehmende unter Umständen auch unter das deutsche Sozialversicherungsrecht fallen. Dann benötigen Angestellte für die Dauer der Workation allerdings eine A1-Bescheinigung zum Nachweis der Sozialversicherung in der Heimat.

Damit es am Ende nicht die Sozialversicherung ist, welche die Workation vermiest, empfiehlt Korten arbeitenden Urlaubern sich vor Abreise mit der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Verbindung zu setzen.