Warum Finanz-Chefs nicht nur Zahlenverständnis brauchen

Die Finanzabteilung wird in den nächsten zehn Jahren im Zuge der Automatisierung ein neues Rollenbild in der Organisation einnehmen. Schafft sie sich Ihrer Meinung nach selbst ab oder hat sie vielmehr die Chance, die einflussreichste Rolle neben der/dem CEO einzunehmen?

Melanie Kreis: Digitalisierung bietet vor allem Chancen. Wir betrachten sie als Hebel für verbesserte Effektivität und Effizienz. Doch um die Möglichkeiten der Digitalisierung optimal ausschöpfen zu können, braucht es das richtige Mindset und die richtige Kultur. Natürlich werden sich auch Jobprofile verändern. Doch sollte Digitalisierung nicht als abstrakte Bedrohung des Arbeitsplatzes verstanden werden, sondern vielmehr als Booster für die Leistungsfähigkeit. Digitalisierung ermöglicht eine bessere Entscheidungsfindung dank tieferer Geschäftseinblicke. Der Einsatz von modernen Technologien für repetitive Aufgaben schafft Freiraum für Aufgaben, die zusätzlichen Wert generieren – weg von der Daten-Aufbereitung, hin zur wertschöpfenden Analyse, um bestmögliche Erkenntnisse für den gesamten Konzern ableiten zu können.

Mit der Unterstützung durch Technologie verändert sich das Anforderungsprofil der Führungskräfte im Finanzwesen. Was zeichnet den/die CFO und die Führungskräfte der Zukunft aus?

Kreis: Der Finance-Bereich ist mit stetig steigenden Anforderungen konfrontiert. So erfassen die Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit die Finanzorganisation direkt und haben zugleich einen signifikanten Einfluss auf den künftigen Geschäftserfolg. Gerade durch die Vielzahl an neuen Aufgaben sollten Finanzexperten nicht mehr nur ein reines Verständnis für Zahlen mitbringen, sondern nah am Geschäft sein und zunehmende Expertise bei Zukunftsthemen wie Chancen der Digitalisierung und Nachhaltigkeit entwickeln. Hierbei muss nicht jeder ein digitaler Experte werden. Es wird noch mehr auf die richtige Zusammensetzung der Teams mit einer breiten Palette von Fähigkeiten ankommen, aber Führungskräfte werden zumindest ein Grundverständnis für die neuen Themenkomplexe entwickeln müssen. Und auch eine überzeugende und effektive Kommunikation wird noch wichtiger werden, um die Menschen in der Finanzorganisation mit durch die Transformationsprozesse zu nehmen und außerhalb von Finance die richtigen Steuerungsimpulse für die Gesamtorganisation setzen zu können. Hierfür müssen Führungskräfte im Finance-Bereich als geschätzte Finanzexperten und glaubwürdige Unternehmensführer zugleich agieren.

Was sollten CFOs im Zuge der digitalen Transformation jetzt unbedingt tun, um die Weichen für die Zukunft zu stellen?

Kreis: Digitalisierung ist ein effektives Mittel zur Steigerung von betrieblicher Effizienz und hilft die Interaktion mit Kunden und Mitarbeitern zu optimieren. Entsprechend determiniert diese den zukünftigen Geschäftserfolg und gehört auf die strategische Agenda. Ausgehend von der strategischen Bedeutung müssen die Chancen aufgezeigt werden, die für ein Unternehmen aus der Digitalisierung resultieren. Die digitale Transformation muss so positioniert werden, dass alle Beteiligten die Vorteile verstehen. Nur so können Investitionen in Digitalisierungsmaßnahmen erfolgreich umgesetzt werden. Das gilt von der Automatisierung einzelner Prozesse bis hin zum unternehmensweiten Roll-out eines harmonisierten ERP-Systems. Entscheidend wird es sein, die notwendigen Kompetenzen im Finanzbereich aufzubauen – durch die Rekrutierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit neuen Fähigkeiten, zum Beispiel im Bereich Data Analytics, aber auch durch die gezielte Schulung und Weiterbildung der bestehenden Finanzorganisation.