Die Fahrradindustrie in Deutschland, Österreich und der Schweiz steht vor einem Wendepunkt. Die pandemiebedingten Boomjahre sind vorbei. Stattdessen prägen hohe Lagerbestände, sinkende Umsätze und verändertes Konsumverhalten die Branche – vor allem klassische Räder sind weniger gefragt. Somit erlebt die Sparte derzeit, was auch andere Branchen für langlebige und markenorientierte Konsumgüter immer mal wieder durchmachen.
Wichtige Sofortmaßnahmen in der Krise
Doch es gibt Wege, solche Krisen zu meistern. Dazu sind verschiedene strategische Handlungsansätze nötig, wie ich aus meiner Beratungspraxis bei Enomyc weiß. So sollten zunächst Sofortmaßnahmen greifen. Es ist beispielsweise zentral, die Liquidität zu sichern. Das kann durch sorgfältig durchgeführte Rabattaktionen und Bestandsreduzierung geschehen. Kosten müssen darüber hinaus rigoros kontrolliert und Produktionsprozesse flexibilisiert werden. So können Radhersteller beispielsweise auf Lieferengpässe, wie in der Pandemie, oder Nachfrageschwankungen reagieren.
Krisenresistenz durch strategische Positionierung
Nicht zuletzt ist die strategische Positionierung im Markt wichtig. Dafür müssen sich Unternehmen auf eine Zielgruppe fokussieren. Aus Sicht dieser Kunden sollten sich die Anbieter klar von ihren Wettbewerbern differenzieren. Ein Beispiel: Während die Nachfrage nach mechanischen Rädern zuletzt eingebrochen ist, wenden sich immer mehr Kunden den E-Bikes zu. Dort boomt derzeit vor allem das höhere Preissegment. E-Rennräder könnten davon profitieren, weil sie es auch Senioren ermöglichen, Radrennsport gemeinsam mit Jüngeren zu betreiben.
Ein Radproduzent, der eine solche Nische besetzen will, wird allerdings nur Erfolg haben, wenn er diese Kunden auf eine Customer Journey mitnimmt. Das bedeutet, potenzielle Kunden werden vom Interesse am Produkt, über den Kauf bis zum Ende des Lebenszyklus ihres E-Rennrads begleitet.
Für eine erfolgreiche Customer Journey stehen Unternehmen dabei vor folgenden Herausforderungen:
- Interesse: In der frühen Phase der Kundenentscheidung steht das Online-Marketing im Mittelpunkt. Die Sichtbarkeit und Reichweite in Kanälen wie Social Media, Blogs oder Online-Magazinen muss hoch sein. Markttrends sollten früh erkannt, Wettbewerber im Blick behalten werden.
- Entscheidung: Potenziellen Kunden müssen umfassende, leicht zugängliche und verlässliche Informationen bereitgestellt werden. Touch-Points zwischen Produkt und Kunde sollten geschaffen werden, um Begutachtung und Tests von online gefundenen E-Bikes vor dem Kauf im stationären Geschäft zu ermöglichen.
- Kauf: Reibungsverluste zwischen Online- und Offline-Kanälen sollten minimiert werden. Zum Beispiel durch Probefahrten, Click-and-Collect-Optionen und verschiedene Zahlungsmöglichkeiten.
- Service: After-Sales-Service und regelmäßige Kundeninteraktionen sind wichtig, um nach dem Kauf die Bindung zu stärken. Dazu zählen technische Unterstützung, Produktpflege oder auch Events.
- Kundenmanagement: Um Kunden langfristig zu binden, sind geeignete CRM-Systeme eine Voraussetzung. Sie ermöglichen personalisiertes Marketing und gezielte Up- und Cross-Selling-Angebote.
- Lieferkette: Unternehmen brauchen eine resiliente Supply Chain. Das bedeutet: Lean-Prinzipien in der Produktion, bestandsarme Logistik, Fokus auf Kernkompetenzen und gegebenenfalls Outsourcing.
Um Trends wie dem E-Bike oder zum Fahrrad-Leasing herum lassen sich vielfältige Strategien und Customer Journeys entwickeln. Das gesteigerte Umweltbewusstsein, die Digitalisierung und das „Health Movement“ treiben darüber hinaus auch verwandte Branchen an, die langlebige, anmutige und hochwertige Konsumgüter herstellen. Auch hier können innovative Hersteller von der richtigen Strategie profitieren.
Noch mehr Insights in die Customer Journey
Wie eine Customer Journey im konkreten Beispiel des Fahrradhersteller Rose Bikes gelingt, erklärt Gastautor Dr. Stefan Frings hier.