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Versicherungen: Mit viel Kundennähe gegen die digitale Konkurrenz

Die Digitalisierung? Wird auch in der Versicherungswirtschaft nicht in Zweifel gezogen. Und die InsurTechs? Sie sind auf dem Radar. Allerdings darf Digitalisierung kein Selbstzweck sein. Denn zum Erfolg gehört mehr – gerade in Corona-Zeiten.

10.06.2021

In Kürze: 

  • Digitalisierung ist heute auch in der Assekuranz nicht wegzudenken. 
  • Punkten können Versicherer aber nicht nur mit cleveren Online-Tools, sondern etwa auch mit Nachhaltigkeit. 
  • Die Unternehmen Sparkassen DirektVersicherung und NV Versicherungen wurden beide von „FOCUS MONEY“ in der Kategorie „Fairster Schadenregulierer“ ausgezeichnet. 

Online geht inzwischen fast alles, auch der Abschluss von Versicherungsprodukten. Was bedeutet das für die klassischen Anbieter? So einiges. Zum einen die Notwendigkeit, die Digitalisierung immer genau im Auge zu behalten, mit all ihren Chancen. Auf der anderen Seite dürfen gerade Unternehmen mit einer langen Historie nicht vergessen, was sie stark gemacht hat: der direkte Kontakt zum Kunden, die Nähe. Denn das ist eine Währung, die auch heute noch wertvoll ist, gerade im Wettstreit mit InsurTechs, die das Produkt Versicherung weitgehend online abwickeln wollen. 

Für Entscheider bedeutet das einen Balanceakt zwischen dem technisch Möglichen und dem unternehmerisch Sinnvollen. Ein Balanceakt, der sich aber gut bewerkstelligen lässt, finden Jürgen Cramer und Henning Bernau. Cramer sitzt im Vorstand der Sparkassen DirektVersicherung; Bernau ist Prokurist der NV Versicherungen. Beide waren Gast im Champions-Talk von DUP UNTERNEHMER.

Welche Eigenschaften brauchen Führungskräfte mit Blick auf das Morgen? 

Management-Literatur füllt ganze Regalmeter in Bibliotheken. Ein Dauerbrennerthema: die Haltung, das „Mindset“. Kein Wunder – denn Studien und Erhebungen zeigen immer wieder die hohe Bedeutung der Einstellung. Das Wertschöpfungspotenzial etwa von „Proaktivität“ und „unternehmerischer Handlungsorientierung“ im deutschen Mittelstand liegt auf Sicht von acht Jahren bei 6,8 Milliarden Euro, so Daten der Bertelsmann Stiftung. 

Deutlicher wird Bernau von der NV Versicherungen. Es hänge auch immer von der Unternehmensgröße ab, ordnet er ein. „Man sollte immer vorbildhaft vorangehen. Das bedeutet nicht als erster ins Büro zu kommen und es als letzter zu verlassen.“ Aber man „muss immer am Ball bleiben, nicht abgehoben sein, die Menschen sensibel ernst nehmen und trotzdem zielorientiert entscheiden.“ 

Cramer von der Sparkassen DirektVersicherung schlägt in die gleiche Kerbe: Teamfähigkeit sei sehr wichtig, ebenso Empathie und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. „Es gibt genug Manager, die nach drei bis fünf Jahren ein Unternehmen wechseln.“ Für ihn ist das kein Unternehmertum, sondern Söldnermentalität. Und die hilft nicht mit Blick in die Zukunft.  

Wie stehen Sie zu InsurTechs, der jungen Konkurrenz? 

„In tiefster Gelassenheit“, sagt Cramer. „Wir sehen da viel Hype. Die nutzen teilweise die digitale Verschlafenheit der analogen Konkurrenz. Aber am Ende des Tages wird sich auch da die Spreu vom Weizen trennen.“

Tatsächlich hat die Coronakrise einiges verändert. 86 Prozent der europäischen Assekuranz-Unternehmen erwarten, dass sich das Verhalten der Kunden in der Covid-Krise nachhaltig verändert hat, zeigt eine Studie von ISG. 

Eine Veränderung beobachtet auch Cramer. „Das relativiert sich gerade alles. Und es wird deutlich: Unternehmen brauchen auch im Internet einen starken Anker, eine Marke, ein Standing.“ Für ihn zeigt der Blick auf InsurTechs: „Die Bäume wachsen daher auch dort nicht in den Himmel.“

InsurTechs – Partner oder Bedrohung? 

Kein Text über Unternehmensführung, der heute ohne das Schlagwort „Disruption“ auskommt. Zu Recht – denn sie ermöglicht Sprunginnovationen, die Gesellschaft und Unternehmen rasch voranbringen. mRNA-Impfstoffe sind ein Beispiel. Und sie sind etwas, das häufiger vorkommt als man denkt, stellt eine Studie der DIHK fest.  

Für die arrivierten Spieler der Wirtschaft bedeutet das, den Markt im Auge zu behalten, sagt Bernau. „Manche der InsurTechs wollen Wachstum um jeden Preis.“ Kann das gutgehen? Wer weiß. „In manchen Feldern wie etwa der Hundehalterhaftpflicht sind InsurTechs eine echte Konkurrenz, drücken den Preis ohne Ende. Wir müssen das aber nicht mitgehen und sollten uns stattdessen fragen, wie man mit Service gegenhalten kann. Denn im Schadenfall wird so manch einer verstehen, warum der Preis bei InsurTechs so niedrig ist.“ Bei NV Versicherungen befände sich die Schadensabteilung im Haus, sei nicht ausgelagert. „Damit binden wir Kunden; die wechseln dann nicht so einfach – trotz der zwei oder drei Euro Mehrkosten.“ Disruption? Sie ist also kein Allheilmittel.

Die Rolle der Nachhaltigkeit im Unternehmen? 

„Das Thema treibt uns alle um“, sagt Cramer. „Da kann niemand die Augen verschließen. Nun produzieren wir kein Aluminium.“ Die Herstellung des Leichtmetalls kostet sehr viel Energie. „Aber trotzdem, jeder muss etwas tun. Niemand kann den Klimawandel ernsthaft leugnen. Wenn Sie so wollen, geht es nun um das ‚zählen, wiegen, messen‘. Das Abwasser etwa: Unsere Dachkonstruktion fängt Regenwasser auf. Auch beim Verkehrsaufkommen schauen wir, was wir verändern können.“ 

Für Bernau hat das Thema zwei Facetten: „Das eine sind Gebäude, Unternehmenskultur, das papierlose Büro und so weiter. Inzwischen ist das ja Standard. 2014 haben wir daher auch die Versicherungswelt in das Thema Nachhaltigkeit gehoben. Für diese nachhaltigen Produkte sind wir anfänglich belächelt worden. Wir pflanzen zum Beispiel mit bessergrün gemeinsam pro Vertrag einen Baum, sind inzwischen bei rund 46.000 Bäumen angelangt. Und wenn ein grün versichertes Hausgerät kaputt geht, beteiligen wir uns an den Mehrkosten für eines mit einer höheren Effizienz.“ 

Recht gibt beiden eine Erhebung der Unternehmensberatung Deloitte: 49 Prozent der befragten Unternehmen mit nachhaltigem Kurs beobachten eine erhöhte Kundenzufriedenheit – offline wie online.