EuroMinds Wirtschaftsgipfel

Was nachhaltige Wirtschaft für Europa bedeutet

Die Jubiläumsausgabe der diesjährigen EuroMinds im Juni drehte sich vor allem um eins: neue Perspektiven für Europa. Auf die Frage, welche Werte diesen zugrunde liegen sollen und welche Rolle nachhaltige Wirtschaft dabei spielt, haben über 180 Führungskräfte aus Wirtschaft, Politik, Medien und Wissenschaft ihre ganz eigenen Antworten gegeben.

Nachhaltige Wirtschaft: Auf einer Bühne unterhalten sich ein Mann in blauem Anzug und eine Frau in rotem Kostüm

21.08.2024

Wie ein grüner Faden zog sich das Thema nachhaltige Wirtschaft zwei Tage lang durch die zahlreichen Programmpunkte der EuroMinds im Hamburger Sternehotel „Grand Elysée“. Egal ob in der Mobilität oder Finanzwelt, im Einzelhandel oder im Tourismus – nachhaltiges Handeln treibt inzwischen immer mehr Unternehmensstrategien an.

Dabei entstehen ganz individuelle Ansätze für Innovationen. Zum Beispiel bei Dolomiti Superski. Einer der weltweit größten Skiverbunde will Nachhaltigkeit und Skitourismus in Einklang bringen, etwa mit Investitionen in Forschung und Entwicklung (siehe Interview unten).

Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher zeigte sich auf der EuroMinds innovationsfreudig. Nur durch emissionsfreies, autonomes Fahren könne man Städte entlasten und den Verkehr sicherer machen. In seinem Grußwort berichtete er aus eigener Erfahrung. Einen Tag lang habe er sich die Woche zuvor in einem autonomen Automobil durch die Stadt bewegt, um Termine wahrzunehmen. Sein Fazit: „Es hat funktioniert.“

Lösungsorientierter Austausch fördert nachhaltige Wirtschaft

Der lösungsorientierte Ansatz von EuroMinds-Gründer Sören Bauer bekam in diesem Jahr dank der zusätzlichen Lösungsbühne eine zentrale Rolle. Moderatorin Gila Thieleke resümierte: „Hier bekommen genau diejenigen eine Plattform, die sonst nicht genug Gehör finden. Der Austausch mit dem Publikum ist intensiver, und wir schaffen durch die Nahbarkeit eine regelrecht familiäre Atmosphäre.“

Auch die Themen Finanzen, Diversity, moderne Führung sowie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) wurden auf der EuroMinds diskutiert. Um KI sinnvoll vorantreiben zu können, braucht es ein gesellschaftliches Wertefundament. Dazu sprach auch Boxlegende und Unternehmer Henry Maske und stellte klar: „Ein zentraler Wert ist für mich die Freiheit des Einzelnen. Meine Freiheit kann aber nur so weit gehen, wie sie meine Mitmenschen nicht einschränkt.“

Mehr Mut zur Verantwortung

Über die gemeinsamen Werte, mit denen Europa vor dem Hintergrund multipler Krisen eine nachhaltige Wirtschaft gestalten kann, diskutierten unter anderem die EU-Parlamentsabgeordnete Lena Düpont und das Mitglied des estnischen Wirtschaftsausschusses Andres Sutt. Der Digitalpionier Estland war in diesem Jahr Euro Minds-Partnerland.

Sutt betonte, man müsse das europäische Selbstvertrauen durch mehr Erfolgsgeschichten stärken: „Wenn wir auf die Tech-Branche schauen, so zeigt der europäische Technologie-Report Atomium, dass Europa im Jahr 2023 mehr Talente aus den USA angezogen hat als umgekehrt.“ Und Düpont wies darauf hin, dass Demokratien uns alle in die Verantwortung nähmen, mitzugestalten und dem schädlichen „Narrativ vom Staatsversagen“ kritisch zu begegnen.

Am Ende der beiden inhaltsreichen Tage zeigte sich Gastgeber Bauer äußerst zufrieden: „Im fünften Jahr haben wir das umfangreichste Programm unserer Geschichte präsentiert. Aber wir haben noch viele Ideen. Seien Sie also gespannt auf 2025.“

„Glaubwürdige Nachhaltigkeit schaffen“

Skifahren gilt nicht gerade als umweltfreundlich. Das Präparieren der Pisten kann Flora und Fauna erheblich beeinflussen. Wie Dolomiti Superski dennoch echte Nachhaltigkeit schaffen will, erklärt Marketingdirektor Marco Pappalardo.

Marco Pappalardo

Marco Pappalardo

treibt seit 2020 die Entwicklung neuer touristischer Produkte bei Dolomiti Superski voran

DUP UNTERNEHMER-Magazin: 97 Prozent Ihrer Pisten werden künstlich beschneit. Wie minimieren Sie dabei Energie- und Wasserbedarf?

Marco Pappalardo: Unsere Anlagen betreiben wir ausschließlich mit Strom aus Wasserkraft. Außerdem setzen wir nur reines Quellwasser und Druckluft zur Schnee-Erzeugung ein. Dazu sammeln wir das Wasser während der Sommermonate in eigenen Speicherseen, um Quellen und Bäche nicht zu stressen. Wir „leihen“ es uns also gewissermaßen, denn im Frühling lassen wir es wieder schmelzen und als sauberes Wasser natürlich abrinnen oder im Boden versickern. Zudem modernisieren wir unsere Anlagen konstant. Unser System ist so ausgerichtet, dass wir – teilweise auch softwaregestützt – genau wissen, wo wie viel Schnee produziert wird. Das ermöglicht uns, noch vorhandenen Schnee im Frühjahr so zu bewegen, dass er überall bis zum Saisonende ausreicht. Das spart Wasser, Strom, Treibstoff und Geld.

Wie genau sieht Ihre Umweltstrategie aus?

Pappalardo: Ein Beispiel ist unser kürzlich abgeschlossenes Wiederaufforstungsprojekt „Pflanze einen Baum“, mit dem wir die Waldschäden nach dem Sturm „Vaia“ 2018 ausgleichen wollen. Vor rund vier Jahren haben wir das langfristige Projekt „Dolomiti Superski – Responsibility“ ins Leben gerufen. Darin definieren wir acht Themenfelder, in denen jedes unserer 125 Unternehmen in den kommenden Jahren konkrete Maßnahmen in die Wege leiten muss. Vom Wasser-, Energie- oder Abfallmanagement bis hin zu erneuerbaren Wohnsiedlungen oder Sharing-Mobilitätskonzepten für das Personal. Um deren Umsetzung besser anzutreiben und zu koordinieren, haben wir in jedem Gebiet einen „Sustainability Ranger“ ernannt. Unser Ansatz: glaubwürdige Nachhaltigkeit schaffen dank stetiger Bemühungen und Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung.

Auf der EuroMinds haben Sie über Seilbahnen als grüne Alternative für den ÖPNV diskutiert. Wie genau könnte das aussehen?

Pappalardo: Seilbahnbauer haben schon längst die urbane Mobilität als ihr größtes Entwicklungspotenzial erkannt. Große Metropolen wie Miami, Rio oder Mexico City setzen das bereits um. Auch in Berggebieten entwickelt sich die horizontale Mobilität immer mehr zur Alternative für den klassischen ÖPNV, etwa für die Fahrt von Dorf zu Dorf. Aber auch die Verknüpfung beider Welten birgt Chancen. Bei uns in den Dolomiten planen wir verstärkt die Anbindung mit dem Zug so, dass man von den Bahnhöfen direkt zu den Talstationen der Aufstiegsanlagen wechseln kann.