Was die Bundesbank prognostiziert, klingt alles andere als beruhigend: „Insgesamt könnte die Inflationsrate im Herbst eine Größenordnung von zehn Prozent erreichen“, heißt es im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank. Es wäre die höchste Teuerungsrate seit 70 Jahren.
Im Juli lag die Inflationsrate hierzulande bei 7,5 Prozent. Gründe für eine weitere Steigerung in den kommenden Monaten gibt es viele:
- das Entlastungspaket mit Neun-Euro-Ticket und Tankrabatt läuft Ende August aus
- die Gasumlage kommt – und mit ihr weiter steigende Energiepreise
- die Abwertung des Euro erhöht die Kosten für importierte Waren und Vorprodukte in der Produktion
- der Mindestlohn steigt im Oktober auf zwölf Euro pro Stunde, was zu höheren Lohn- und Produktionskosten in Unternehmen führt und in der Folge die Inflation weiter anheizen könnte
Für Arbeitnehmende bedeutet das alles vor allem eines: Sie können sich von ihrem Gehalt immer weniger leisten. Um den damit verbundenen Kaufkraftverlust auszugleichen, heißt es im Monatsbericht August der Bundesbank: „Auch aufgrund der zunehmenden Arbeitsmarktknappheiten zeichnet sich ein höherer Lohndruck als im zweiten Quartal ab.“
Höhere Inflation, steigender Lohn?
Rund 63 Prozent der Beschäftigten hierzulande erwartet wegen steigender Lebenshaltungskosten Unterstützung vom Arbeitgeber. Das zeigt eine Umfrage von Culture Amp, einer Plattform für Employee-Experience, unter 1.020 Angestellten in Deutschland.
Und Arbeitgeber nehmen diesen Wunsch durchaus wahr und reagieren: Eine Umfrage der Beratung WTW zeigt, dass fast ein Drittel der Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden angesichts der Inflation entlasten wollen. Vier von zehn Unternehmen haben beispielsweise die Gehälter von Mitarbeitenden bereits stärker erhöht als ursprünglich geplant. Dabei werden allerdings mitunter klare Prioritäten gesetzt: In 19 Prozent der Firmen werden Gehälter von Angestellten mit geringem Einkommen bevorzugt angepasst; 24 Prozent zahlen Fachkräften mit gefragten Kompetenzen mehr.
Um aber die Teuerungsrate auszugleichen war das alles bisher zu wenig: Die aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts zur Lohnentwicklung zeigen, dass der Nominallohnindex im ersten Quartal 2022 um vier Prozent höher lag als im Vorjahresquartal. Aufgrund der gestiegenen Verbraucherpreise sind die Reallöhne jedoch um 1,8 Prozent gesunken.
Maßnahmen zum Inflationsausgleich gut durchdenken
„Während viele Unternehmen in den ersten Monaten des Jahres noch abgewartet haben, weil sie davon ausgingen, dass die Inflation nur von kurzer Dauer sein würde, setzen sie nun erste Maßnahmen um. Überstürzter Aktivismus ist aber zu vermeiden“, sagt Florian Frank, Head of Work and Rewards bei WTW. „Wir empfehlen Unternehmen, zuerst ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten und die personalpolitischen Notwendigkeiten abzuwägen.“
Um Mitarbeitende zu gewinnen, zu binden und zu motivieren empfiehlt er zudem, nicht nur das Gehalt als Teil der Vergütung zu betrachten, sondern auch Nebenleistungen, Weiterbildungsmöglichkeiten, Karrierechancen und das Arbeitszeitmodell.
Inflationsausgleich per Lohnerhöhung ist nicht alles
Denn grundsätzlich seien Gehaltserhöhungen – betont Karsten Kahlau, Anwalt bei der Arbeitsrechtskanzlei Wittig Ünalp – nicht die beste Option zum Inflationsausgleich. Das Problem daran: Aufgrund von Steuern und Sozialabgaben kommt von der Gehaltserhöhung meist nur wenig auf dem Konto des Mitarbeitenden an.
Kahlau empfiehlt daher Alternativen wie steuerfreie oder pauschal lohnversteuerte Sachbezüge und Zuschüsse in Betracht zu ziehen. Die Vorteile dabei:
- meist fallen dafür keine Sozialversicherungsbeiträge an
- Beschäftigte haben real mehr Geld auf dem Konto, wenn der Arbeitgeber private Ausgaben bezuschusst
- Arbeitgeber reduzieren – anders als bei einer einfachen Gehaltserhöhung – ihre Lohnnebenkosten
Möglich ist in der Praxis vieles – etwa vergünstigte Tickets für Bus und Bahn, ein E-Bike oder ein Elektro-Dienstwagen. „Wie groß dabei die Ersparnis auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite ist, hängt von diversen Faktoren wie der Steuerklasse und dem Wert des Sachbezugs ab“, sagt Kahlau. „Im Vergleich zum privaten Kauf eines E-Bikes kann man als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer abhängig vom Leasingvertrag des Unternehmens erfahrungsgemäß bis zu 40 Prozent sparen.“
Bei einem E-Dienstwagen, der 20.000 Kilometer im Jahr fährt, kann die monatliche Ersparnis von Steuern und Sozialabgaben beim Arbeitnehmenden bei circa 140 Euro liegen.
Auch private Ausgaben bezuschussen
Eine Option sind außerdem Zuschüsse zu privaten Ausgaben – etwa zu Kindergartengebühren oder zum Internetanschluss. „Zahlt ein Unternehmen den Mitarbeitenden monatlich einen Zuschuss von 50 Euro für die private Internetnutzung, wären das 600 Euro netto zusätzlich pro Jahr. Bei einer klassischen Gehaltserhöhung von 600 Euro netto in der Steuerklasse 3 würden für das Unternehmen aber mindestens die doppelten Kosten anfallen“, so Kahlau. „Bei dem Zuschuss sind hingegen pauschal nur 25 Prozent Lohnsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer fällig. Aus diesem Grund ist der Zuschuss insbesondere dann geeignet, wenn die finanzielle Lage des Unternehmens keine Gehaltserhöhung erlaubt.“
Dabei gilt es allerdings eines zu beachten: Der Maximalbetrag für Zuschüsse beträgt 50 Euro pro Monat. Aber: „Es kann nur exakt der Betrag bezuschusst werden, der den tatsächlichen Kosten entspricht“, so Kahlau. In der Praxis ist das mit administrativem Aufwand verbunden. Denn der Arbeitgeber muss diese Kosten kennen, also regelmäßig Belege bei den Angestellten anfordern und diese bei einer Steuerprüfung vorlegen können.