Dass sich etwas verändern muss, war offensichtlich. „Tatsächlich waren wir zu Beginn unserer Transformation 2019 mehr als ein Jahrzehnt wirtschaftlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben“, sagt Marion Oswald, Investment Partner bei Franz Haniel & Cie. Einst ist die Duisburger Familienholding mit Kohlezechen, Eisenhütten und Dampfschiffen groß geworden. Mit der Zeit entwickelte sich das Unternehmen zum Family-Equity-Investor.
Haniel führt ein Portfolio eigenständiger Unternehmen, das derzeit neun Geschäftsbereiche umfasst. Und das birgt eine zentrale Herausforderung: Wie lässt sich diese komplexe Unternehmenskonstellation mit Erfolg durch eine Transformation führen? Welche Auswirkungen haben Haniel-interne Veränderungen etwa auch auf die Unternehmen im Portfolio? Und noch viel wichtiger: Was können sich andere von Haniels Weg in die Zukunft abschauen?
Das erklärte Ziel der strategischen Neuausrichtung ist ambitioniert: Haniel will überdurchschnittlich erfolgreich sein mit nachhaltigen Geschäftsmodellen. „Es reicht nicht aus, nur an ein paar Stellschrauben zu drehen“, betont Oswald. Was es braucht: eine Transformation auf ganzer Linie. Sprich: eine neue Art der Führung in der Holding, einen Kulturwandel, den Umbau des Portfolios und ein neues Managementsystem. „Ziel ist es, alle Investitionen enkelfähig zu machen und Wert für Generationen zu schaffen“, sagt Oswald. Den Weg dahin soll eine konsequente Ausrichtung an Nachhaltigkeitskriterien ebnen.
Haniel setzt auf Nachhaltigkeit plus Performance
Wesentliche Grundlage seien die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, aus denen man zehn Kriterien zur Arbeit an einer „Future of Living“ abgeleitet habe. So wird beispielsweise genau geschaut, wie viele nachhaltige Angebote sich im Produktportfolio des jeweiligen Unternehmens finden und ob das Geschäftsmodell dazu beitragen kann, Klimaschutz, Biodiversität oder fairen Zugang zu Bildung zu fördern. Diese Kriterien wurden dann noch um das Thema wirtschaftliche Performance ergänzt. „Das eine geht nicht ohne das andere“, sagt Oswald.
Bei der operativen Umsetzung setzt Haniel auf die drei Säulen Portfolio, Führung und Kultur. Innerhalb jeder Säule finden sich wiederum einzelne Unterbereiche. Themen wie Diversity, Gleichberechtigung und Inklusion sind zum Beispiel unter Kultur angesiedelt. Logisch. Komplexer hingegen wird es im Bereich Führung und Management.
Das Managementsystem: Der ‚Haniel Operating Way‘
„Der ‚Haniel Operating Way‘ strukturiert unsere Arbeitsweisen und unser Handeln“, sagt Georg Steinbacher, als Transformation Lead bei Haniel verantwortlich für den Change-Prozess in Portfoliounternehmen. Das System basiert auf den Lean-Management-Methoden, die darauf abzielen, Prozesse effizienter zu machen. Dieser Ansatz wird sowohl von der Führungsetage als auch von den Mitarbeitenden getragen und umgesetzt, so Steinbacher. Und er gilt im Kleinen wie im Großen – sei es bei der Gestaltung des eigenen Arbeitsalltags oder bei der Übersetzung von Strategien zu Projekten.
Zudem gilt: Der „Haniel Operating Way“ wird nicht nur für die hauseigene Transformation genutzt, sondern auch zur Weiterentwicklung der Firmen im Portfolio. „Mit diesem Managementsystem haben wir uns von einer reinen Finanzholding hin zu einem strategischen Architekten entwickelt“, sagt Steinbacher. In der Praxis heißt das: Man geht aktiv in den Dialog mit dem Management der Firmen und arbeitet strategisch an Themen – unabhängig davon, ob es sich um ein neu akquiriertes Unternehmen handelt oder um eines, das schon jahrelang zum Portfolio gehört. „Der ‚Haniel Operating Way‘ agiert über alle Business-Units hinweg. So beobachten wir die gesamte Wertschöpfung und schauen, was es zu optimieren gibt“, sagt Oswald. Wesentliches Kriterium ist dabei, dass ein Unternehmen zur strategischen Neuausrichtung von Haniel passt.
Beispiel aus dem Portfolio
„Ein gutes Beispiel aus unserem Portfolio ist die ELG, die dieses Jahr veräußert wurde“, sagt Oswald. „Es ist ein ungewöhnliches, aber spannendes Beispiel, weil dort während des Verkaufsprozesses Transformation und Restrukturierung parallel gelaufen sind.“ Die ELG wurde 1962 gegründet. Geschäftsmodell ist es, Rohstoffe zu recyceln – etwa Edelstahl, Superlegierungen und Titan. Das Unternehmen ist an 51 Standorten weltweit vertreten. „Die ELG war lange Marktführer im Bereich Edelstahl-Recycling. Doch mit der Zeit ist das Unternehmen am Markt zurückgefallen“, erklärt Oswald.
Steinbacher ergänzt: „Das ist auch ein gutes Beispiel dafür, was bei Haniel im vergangenen Jahrzehnt nicht gut lief. Die ELG war lange bei uns im Portfolio und ist auch dadurch gewachsen, dass Haniel das Geschäftsmodell früh erkannt und aktiv unterstützt hat.“ Doch dann habe sich das Edelstahlgeschäft mehr und mehr nach Asien verlagert. Allerdings habe sich die ELG dieser Entwicklung nicht angepasst. Während sich die Marktgröße also verdoppelt hat, blieb der Umsatz ungefähr auf dem gleichen Niveau. Das zeigt laut Steinbacher auch, wie wichtig es für eine Beteiligungsgesellschaft ist, Unternehmen nicht nur anfänglich zu unterstützen. „Man muss sie kontinuierlich weiterentwickeln, das Management fordern und fördern.“
Nachdem Steinbacher und sein Team aktiv an der Transformation von ELG gearbeitet haben, steht das Unternehmen laut Oswald wieder gut da. „Natürlich war der Prozess an vielen Stellen auch schmerzhaft. Aber am Ende spricht der Erfolg für sich.“ Und was vieles einfacher gemacht habe, sei die Tatsache, dass Haniel bei anderen die gleichen Maßstäbe ansetze wie bei sich selbst. „Mit den ,Core Behaviours‘, also den angestrebten Verhaltensweisen, messen wir uns selbst und fordern diese auch von den Führungskräften der Tochterunternehmen ein“, sagt Oswald. Diese wären etwa „Think customer first“, „Empower others“, „Improve every day“, „Take ownership“ und „Compete for success“. Diese Grundprinzipien helfen dabei, über das gesamte Portfolio hinweg ein leistungsorientiertes und unternehmerisch denkendes Team zu etablieren, das die Transformation gemeinsam gestaltet und zum Erfolg führt.