Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat zu erheblichen Verwerfungen in den internationalen Lieferketten geführt. Viele Staaten und Staatengemeinschaften haben Sanktionen gegenüber Russland erlassen oder bereits bestehende Regelungen ausgeweitet. Doch die Situation ist unübersichtlich. Zeit für eine Kurzdarstellung der EU-Sanktionen – und einen genaueren Blick auf die güter- und personenbezogenen Restriktionen.
Restriktionen gegen Russland gibt es seit 2014
Restriktionen seitens der EU gegenüber Russland bestehen seit 2014. Sie waren eine Reaktion auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die damit verbundenen Maßnahmen, die die Ukraine destabilisieren sollen sowie ihre territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit untergruben und bedrohten. Zu diesem Zweck wurden seinerzeit die Verordnungen (EU) Nr. 269/2014 sowie (EU) 833/2014 erlassen.
Beide Verordnungen wurden seit Ende Februar 2022 als Reaktion auf den Angriffskrieg mehrfach erweitert. In mittlerweile sechs Tranchen stellen sie die Grundlage für die Restriktionen der EU dar.
Neben diesen beiden Verordnungen bestehen aus gleichem Grund weitere Vorgaben der EU. Dazu gehören die VO (EU) 2022/263, deren Anwendungsbereich sich auf die nicht länger durch die Ukraine kontrollierten Gebiete bezieht, und die VO (EU) Nr. 765/2006, die ein Embargo gegenüber Belarus beinhaltet. Aufgrund der Mitwirkung des Landes an dem Krieg wurde es zuletzt deutlich ausgeweitet.
In diesem Beitrag beziehe ich mich aber ausschließlich auf die VO (EU) Nr. 269/2014 und VO (EU) Nr. 833/2014 zum Rechtsstand am 25. Mai 2022.
Prüfen, ob Kunden oder Lieferanten auf Sanktionslisten stehen
Die verschiedenen Ausweitungen des EU-Embargos sind umfassend und können jeden Wirtschaftsbeteiligten betreffen. Daher ist eine Ist-Aufnahme der eigenen Prozesse erforderlich. In einem zweiten Schritt werden dann konkrete Risiken identifiziert, die sich aus den genannten Verordnungen ergeben können.
Die VO (EU) Nr. 269/2014 umfasst personenbezogene Restriktionen und enthält eine Anlage, auf der Personen geführt werden, welche nach Ansicht der EU im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg stehen und insoweit von wirtschaftlichen Aktivitäten der EU abgeschnitten werden sollen. Zum einen werden Gelder und wirtschaftliche Ressourcen von gelisteten Personen eingefroren [Art. 2 Abs. 1 VO (EU) Nr. 269/2014)]. Zum anderen ist es in Bereitstellungsverboten untersagt, den gelisteten Personen unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen [Art. 2 Abs. 2 VO (EU) Nr. 269/2014)].
Art. 2 Abs. 2 VO (EU) Nr. 269/2014 verlangt, dass alle Debitoren und Kreditoren eines Unternehmens einer Prüfung unterzogen werden, ob sie unmittelbar in der Anlage gelistet sind. In der Praxis erfolgt eine solche Prüfung regelmäßig aufgrund der Vielzahl an zu prüfenden Transaktionen systematisch durch entsprechende IT-Tools wie zum Beispiel die Zoll- und Außenhandelssoftware SAP Global Trade Services.
Ein Risiko, dass dabei leicht außer Acht gelassen wird: Auch mittelbare Bereitstellungsverbote gilt es zu prüfen. Diese liegen dann vor, wenn Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen einer nicht gelisteten Person bereitgestellt werden, diese jedoch von einer sanktionierten Person kontrolliert wird. Dieser sanktionierten Person kämen die wirtschaftlichen Ressourcen oder Gelder also mittelbar zugute. Daher ist es für Unternehmen besonders wichtig bei einer Prüfung der Debitoren und Kreditoren auch die jeweiligen Gesellschafter, Geschäftsführer und andere Personen mit Kontrollfunktion mit den Listungen abzugleichen.
Beschränkungen beim Im- und Export können alle treffen
Die VO (EU) Nr. 833/2014 enthält unter anderem güterbezogene Restriktionen, umfassende Beschränkungen im Wertpapierhandel sowie weitere geschäftsspezifische Einschränkungen – darunter zum Beispiel die Sperrung des EU-Luftraums und der EU-Häfen oder das Verbot von Transportdienstleistungen von russischen Straßenverkehrsunternehmen im EU-Raum.
Güterbezogene Restriktionen werden nach ein- und ausfuhrspezifischen Vorgaben unterschieden.
Die einfuhrseitigen Restriktionen stellen auf die Zolltarifnummer der Güter ab und beschränken Geschäfte mit Eisen- und Stahlerzeugnissen [Art. 3g VO (EU) Nr. 833/2014] sowie spezifischen Waren, die erhebliche Einnahmen für Russland erbringen [Artikel 3i VO (EU) Nr. 833/2014]. Diese Definition erfasst einen besonders weiten Warenkreis und kann so Unternehmen aller Branchen betreffen. Eine Prüfung, welche Güter entsprechenden Restriktionen unterliegen, ist insoweit in jedem Fall und branchenunabhängig zwingend erforderlich.
Unternehmen müssen darauf achten, dass neben der (zollrechtlichen) Einfuhr auch der Kauf selbst untersagt ist, wenn die Waren aus Russland kommen oder dort ihren nicht-präferenziellen (handelspolitischen) Ursprung haben. Die richtige zolltarifliche Einreihung und Stammdatenpflege werden damit besonders wichtig.
Schon der Vertragsabschluss ist verboten
Ausfuhrseitig gestaltet sich die erforderliche Prüfung noch komplexer: Die Zahl der zu überprüfenden Anhänge mit unterschiedlichen Gütern ist deutlich höher. Zudem fällt neben der zolltariflichen Einreihung auch eine Klassifizierung nach Dual-Use-Verordnung [VO (EU) Nr. 821/2021] und einer allein für die VO (EU) Nr. 833/2014 geschaffene Klassifizierung für Güter an, die zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung des Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen können. Diese müssen gesondert überprüft werden. Wie bei den einfuhrseitigen Restriktionen ist nicht bloß die physische Ausfuhr verboten, sondern unter anderem schon der Vertragsabschluss.
Die EU-Restriktionen sind komplex; die damit verbundenen Risiken für Unternehmen oft unüberschaubar. Im Zusammenhang mit Russlandgeschäften kommen Unternehmen um eine Einzelfallprüfung nicht herum, denn nur so können auch Ausnahmetatbestände gewürdigt werden. Verstöße können empfindliche Strafen zur Folge haben – in Deutschland etwa nach § 18 Abs. 1 Außenwirtschaftsgesetz eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Um Strafen zu vermeiden, müssen Unternehmen ihre Prozesse und Geschäfte gründlich überprüfen. Gibt es einen Russlandbezug? Und wenn ja, ist dieser mit den Vorgaben aus den genannten Verordnungen vereinbar?
Maßnahmen im Rahmen eines Compliance-Management-Systems haben sich unserer Erfahrung nach bewährt, um die Risiken zu minimeren. So kann sich etwa eine eigene Taskforce zu den Embargo-Verordnungen schnell lohnen. Diese kann insbesondere beim fortlaufenden Monitoring entscheidend unterstützen, denn die genannten Verordnungen ändern sich oft kurzfristig; die Situation ist genauso wie die Nachrichtenlage volatil. Schnell jederzeit zu wissen, welche Auswirkungen sich für den Geschäftsbetrieb ergeben, ist für Unternehmen absolut betriebskritisch.
Mittelfristig können IT-Tools wie SAP Global Trade Services dabei helfen, die Sicherheit im Außenhandel für Unternehmen zu erhöhen und menschliche Fehler zu reduzieren.