eine junge Frau putzt einen Tisch in einem Café
28.06.2023    Madeline Sieland
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Einig waren sich die Mitglieder der Mindestlohnkommission dieses Mal nicht. Denn erstmals fiel ein Beschluss nicht einstimmig. Arbeitnehmervertreter forderten eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 13,50 Euro pro Stunde, um einen Inflationsausgleich zu gewährleisten.

„Die Beschlussfassung fällt in eine Zeit schwachen Wirtschaftswachstums und anhaltend hoher Inflation in Deutschland, die für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen große Herausforderungen darstellen“, heißt es im Beschluss der Mindestlohnkommission. Entsprechend betrachte man eine stufenweise Erhöhung auf 12,42 Euro pro Stunde ab Januar 2024 und dann auf 12,82 Euro ab 2025 als vertretbar.

Höherer Mindestlohn, steigende Preise

Aufseiten der Unternehmerinnen und Unternehmer dürfte die Entscheidung der Kommission zumindest für etwas Erleichterung sorgen.

Denn eine Umfrage von Lexware unter kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) zeigte kürzlich, dass es für viele von ihnen wirtschaftlich eine Herausforderung wird, wenn der Mindestlohn in den kommenden Jahren weiter steigt.

50 Prozent der Befragten gaben an, dass sie infolge einer Erhöhung des Mindestlohns erneut Kosten umlegen und Preise erhöhen müssten. Allerdings glauben 54 Prozent nicht, dass Kundinnen und Kunden Preiserhöhungen noch einmal mitgehen würden beziehungsweise sie sind überzeugt, dass diese dann weniger Leistungen in Anspruch nehmen würden. Die Folge wären Umsatzverluste.

Christian Steiger, Geschäftsführer von Lexware, erklärt, was KMU jetzt helfen würde.

Zur Person

Christian Steiger

Christian Steiger

ist Geschäftsführer von Lexware und Founder der Cloud- Buchhaltungslösung Lexoffice. 2008 gründete er die Livestreaming- Plattform Zaplive Media, die er 2010 wieder verließ

Angesichts der hohen Inflationsraten der letzten zwei Jahre ist es verständlich, dass Angestellte Gehaltserhöhungen zum Inflationsausgleich fordern. Und es ist auch verständlich, dass der Mindestlohn angepasst wird. Doch vor welche Herausforderungen stellt das KMU, die die höheren Löhne am Ende des Tages zahlen müssen?

Christian Steiger: Das Problem für KMU ist, dass sie kaum noch die finanziellen Mittel haben, um diese steigenden Kosten zu bewältigen. Sie sind jetzt schon von höheren Preisen etwa bei Material oder Energie betroffen; gleichzeitig sinkt die Kaufkraft ihrer Kundinnen und Kunden. Sollte der Mindestlohn im nächsten Jahr erneut steigen, will jedes zweite KMU die Preise erhöhen. Aber können und wollen Kundinnen und Kunden da mitgehen? Viele KMU befinden sich zunehmend in einer prekären finanziellen Lage und allein die Mindestlohnerhöhung könnte jedes fünfte Unternehmen die Existenz kosten.

Aufgrund der Abzüge bleibt von Gehaltserhöhungen vielfach nicht allzu viel übrig. Andere Maßnahmen – etwa die Bezuschussung privater Ausgaben – eignen sich daher mitunter besser, um den Nettolohn zu optimieren. Werden die Möglichkeiten, über Benefits Wertschätzung zu zeigen und Angestellte zu binden, Ihrer Meinung nach in KMU bereits ausreichend genutzt?

Steiger: KMU haben bereits einige Maßnahmen ergriffen. Ein Fünftel der Betriebe hat etwa flexible Arbeitsmodelle oder Benefits wie eine betriebliche Altersvorsorge eingeführt. Trotzdem glaube ich, dass es noch Luft nach oben gibt, um den Mitarbeitenden mehr zu bieten – und zwar so, dass diese auch tatsächlich davon etwas haben. Beispielsweise durch bedarfsgerechte Unterstützung wie einen ÖPNV-Zuschuss oder Sportangebote.

Die nächste Anhebung des Mindestlohns ist für 2024 geplant. Wie können sich KMU schon heute darauf vorbereiten?

Steiger: Eine der wichtigsten Fragen für Unternehmen ist: Wo stehe ich jetzt und in Zukunft? Erwartete Änderungen müssen frühzeitig in die Planung einfließen, um etwa Kundinnen und Kunden auf bevorstehende Preiserhöhungen hinzuweisen. Auch können Investitionen in neue Technologien und die Digitalisierung von Prozessen dazu beitragen, Kosten zu sparen.

Zudem ist es wichtig, die Lage der KMU immer wieder sichtbar zu machen: laut sein und zeigen, wo Grenzen erreicht werden, an denen Unternehmen nicht mehr aus eigener Kraft Lösungen finden, um ihr Überleben zu sichern.

Welche Maßnahmen sind vonseiten der Politik nötig, damit KMU langfristig liquide bleiben und am Markt bestehen können?

Steiger: In erster Linie der Abbau von Bürokratie, etwa durch digitale Lösungen. Die immer komplexeren Prozesse kosten Unternehmerinnen und Unternehmer viel Zeit. Einfachere und einheitliche Gründungs- und Antragsverfahren, klare Ansprechpartner, der Ausbau von One-Stop-Shops für die Gründung – es besteht dringender Verbesserungsbedarf.

Zudem brauchen KMU gezielte Förderungen, die sie bei wichtigen Investitionen unterstützen. Denn gerade diese werden gerne aufgeschoben und das dafür eingeplante Geld anderweitig genutzt.

28.06.2023    Madeline Sieland
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