Digitalisierung verändert das Bankenwesen immer rasanter. Aber vor allem im Firmenkundengeschäft bleibt für Dr. Michael Wiedmann, CEO und CFO der IKB Deutsche Industriebank, die menschliche Beratung unersetzlich. Insbesondere wenn es um komplexe Finanzierungsfragen und die Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit geht, seien persönliche Beziehungen und Fachexpertise entscheidend.
Finanzierung
Banken als Treiber der wirtschaftlichen Transformation
FinTechs und Tech-Giganten zwingen die Banken ebenso zur digitalen Transformation wie deren Kunden. Für die Zukunft empfiehlt Dr. Michael Wiedmann von der IKB Deutsche Industriebank einen engeren Austausch zwischen Unternehmen, Banken und staatlichen Förderprogrammen. Damit die Transformation der Wirtschaft gelingen kann.
03.05.2024
Dr. Michael Wiedmann
ist CEO und CFO der IKB Deutsche Industriebank. Dort verantwortet er die Bereiche Finanzen, Personal sowie Treasury & Investment
DUP UNTERNEHMER: Von Bill Gates stammt der Satz „Banking is necessary, banks are not“. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Dr. Michael Wiedmann: Ein Unternehmen, das für die Gesellschaft einen Mehrwert schafft, hat immer eine Daseinsberechtigung. Und die im Satz getätigte Aussage hängt natürlich davon ab, wie man den Begriff „Bank“ definiert. Die zukünftige Bank wird sicherlich eine andere sein, als sie aktuell ist oder vor 30 Jahren war. Bill Gates ist ein brillanter Unternehmer und Visionär. Aber sein Zitat stammt meines Wissens aus den 1990ern; seitdem sind also ungefähr 30 Jahre vergangen. Bisher sieht es nicht so aus, als würde sich die Aussage erfüllen. Vielmehr werden einige FinTechs, die das Banking über eine Mobile App im Zusammenhang mit dem Einsatz einer Zahlungskarte abwickeln, sogar als Neobanken bezeichnet. Die Übergänge von FinTechs zu Banken sind also mittlerweile fließend. Viele Banken arbeiten mit FinTechs zusammen oder sind an ihnen beteiligt. Man lernt viel voneinander, um das Banking weiterzuentwickeln.
Wie wird sich denn die Bank der Zukunft von der aktuellen unterscheiden?
Wiedmann: Grundsätzlich wird der Fokus immer mehr auf wertschöpfenden Dienstleistungen und weniger auf Prozessen liegen. Betrachten wir das Retailgeschäft, so gab es vor 20 Jahren noch in fast jedem Ort Bankfilialen, die meisten Prozesse liefen manuell ab. Das ist heute deutlich anders. Und in Zukunft wird es noch weniger Filialen geben, Prozesse und Service werden noch umfassender digital gesteuert als heute. Ich erwarte in den nächsten Jahren eine weitere Konsolidierung. Denn aktuell gibt es zu viele Player, und der Retailmarkt ist ziemlich unübersichtlich. Interessant wird sein, wie Konzerne wie Apple und Amazon sich zukünftig im Zahlungsverkehr positionieren und welchen zusätzlichen Kundennutzen Künstliche Intelligenz etwa bei der Geldanlage generieren kann. Ich denke, die Entwicklung wird ähnlich sein wie bei der Dotcom-Blase vor gut 20 Jahren. Einige FinTechs und Neobanken mit überzeugenden Geschäftsmodellen werden sich im Retailgeschäft etablieren. Viele werden aber auch entweder in größere Player integriert werden oder vom Markt verschwinden.
Und wie wird es im zukünftigen Firmenkundengeschäft der Banken aussehen?
Wiedmann: Auch hier wird die Digitalisierung weiter fortschreiten. Aber je komplizierter ein Finanzprodukt oder eine Transaktion ist und je höher der Betrag ist, um den es geht, desto mehr wird nach wie vor das Vertrauen zwischen den Vertragspartnern eine Rolle spielen. Und das baut man vor allem über persönliche Beziehungen auf. Zudem übernehmen Banken gesellschaftliche Funktionen, die so komplex sind, dass sie meines Erachtens auch längerfristig nicht von FinTechs, Apps oder KI übernommen werden können.
Welche Aufgaben sind das?
Wiedmann: Etwa maßgeschneiderte Finanzierungen hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft anzubieten. Also Lösungen, bei denen vor allem die Beratungskompetenz der jeweiligen Bank gefragt ist. Diese wird auf die Schnelle nicht von KI ersetzt werden können, da KI auf Sicht noch keine kognitiven Fähigkeiten haben wird, die flächendeckend einsetzbar sind.
Können Sie ein Beispiel für diese nicht ersetzbare menschliche Beratungskompetenz nennen?
Wiedmann: Nehmen wir mal an, ein Stahlwerk will aus Klimaschutzgründen seine Produktion von Koks auf Wasserstoff umstellen. Das zugrunde liegende Verfahren ist aber noch nicht erprobt, das Endprodukt Stahl wird durch die Umstellung deutlich teurer, und die dafür notwendigen Investitionen sind gigantisch.
Das klingt nach nicht finanzierbar!
Wiedmann: Zunächst ja; zumindest lässt sich diese Investition nicht so einfach via App oder KI darstellen. Vielmehr ist ein enger Austausch der verschiedenen beteiligten Stakeholder erforderlich. Da ist zum einen das Unternehmen, das mit seiner Investition langfristig eine Rendite erzielen möchte. Dann ist eine technisch machbare Lösung erforderlich, die Experten gegebenenfalls mit einer Forschungseinrichtung entwickeln. Der Staat muss so ein Leuchtturmprojekt wollen und fördern. Schließlich müssen Banken die Finanzierung strukturieren und bereitstellen.
Sie sprechen im Plural von „Banken“?
Wiedmann: Die Investitionssumme von Projekten wie grüner Stahl geht in die Milliarden, während der Einsatz einer neuen Technologie mit erhöhtem Risiko verbunden ist. Deshalb empfiehlt es sich, mehrere Banken an der Finanzierung zu beteiligen, um so das Risiko zu streuen. Eine Bank hat dann in der Regel den Hut auf und strukturiert die Finanzierung, die anderen Banken beteiligen sich an den verschiedenen Tranchen der benötigten Kreditsumme. Das haben wir auch schon heute. Aber solche Syndizierungen beziehungsweise Konsortien wird es mit Blick auf die anstehenden gewaltigen Investitionen öfter geben müssen, um die nachhaltige Transformation voranzutreiben.
Wohin geht die Reise bei den Förderprogrammen?
Wiedmann: In Zukunft dürfte es für Unternehmen schwer bis unmöglich sein, eine Investition finanziert zu bekommen, die nicht nachhaltig ist. Die Europäische Union gibt durch ihre Taxonomie und die Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive stringent vor, in welche Richtung es gehen soll. Und spätestens hier kommen Förderprogramme ins Spiel. Denn der Kapitalmarkt allein reicht nicht aus, um den Investitionsbedarf ausreichend zu decken – zumindest zu Beginn und während der Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität. Für eine effiziente Transformation braucht es deshalb gezielte Unterstützung und Anreize. Die Bedeutung von Förderprogrammen wird daher weiter zunehmen. Auch müssen diese den sich ständig verändernden Bedürfnissen angepasst werden, damit sie effiziente Impulse für unsere Industrieunternehmen darstellen. Dies gilt nicht nur für die Finanzierung von Produktionsanlagen, sondern auch für die Markteinführung grüner Produkte.
Wo steht Deutschland bei der Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit im internationalen Vergleich?
Wiedmann: Verglichen mit anderen großen Industrienationen sind wir in Deutschland ziemlich weit mit der Transformation. Einer der Gründe ist sicher, dass die Zusammenarbeit zwischen staatlicher Förderung, Banken und Unternehmen seit Jahrzehnten etabliert ist und im Großen und Ganzen gut funktioniert – auch im internationalen Vergleich. Gerade unsere mittelständischen Unternehmen sind meist schlank und effizient aufgestellt und können schnell auf veränderte Marktbedingungen reagieren. Da wir die meisten fossilen Energieträger importieren müssen, ist zudem das wirtschaftliche und gesellschaftliche Interesse groß, durch den Ausbau regenerativer Energie unabhängiger vom Weltmarkt zu werden.
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