Nachhaltiges Wirtschaften

Erfolgskonzept: Kann Diversität die ESG-Performance verbessern?

Eine neue Studie der AllBright Stiftung zeigt, dass Familienunternehmen bei der Modernisierung ihrer Führungsstrukturen nicht vorankommen. Der Frauenanteil in Vorständen und Geschäftsführungen beträgt lediglich 8,3 Prozent. So sind diese Firmen langfristig aber sowohl als Arbeitgeber als auch für Investoren unattraktiv. Denn je diverser ein Unternehmen aufgestellt ist, desto zukunftsfähiger ist es.

23.05.2022

Divers aufgestellte Teams sind erfolgreicher. Das haben in der Vergangenheit bereits zahlreiche Studien bestätigt. Man sollte also meinen, Unternehmen achten inzwischen ganz selbstverständlich auf Diversität auf allen Hierarchieebenen. Doch dem ist nicht so.

So zeigt ein neuer Bericht der AllBright Stiftung, dass in der obersten Führungsetage der 100 umsatzstärksten deutschen Familienunternehmen zum Stichtag am 1. März 2022 lediglich 8,3 Prozent Frauen arbeiteten – kaum mehr als bei der ersten Untersuchung 2020. Damals waren es sieben Prozent. In den 70 Unternehmen, die sich komplett in Familienbesitz befinden, ist der Frauenanteil mit 4,8 Prozent sogar noch deutlich niedriger.

Albright Stiftung zeigt Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit

„Damit werden Familienunternehmen ihrem selbst gesteckten Anspruch nicht gerecht“, sagt Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der deutsch-schwedischen AllBright Stiftung, die sich für mehr Vielfalt in Führungsetagen einsetzt. „Selbst die Dax-Konzerne sind da schon weiter – und deren Zahlen sind im internationalen Vergleich auch deutlich unter dem Durchschnitt.“ Bei den 160 Dax-, MDax- und SDax-Unternehmen lag der Anteil von Frauen in Vorständen und Geschäftsführungen zum 1. März 2022 bei 14,3 Prozent.

Allerdings rühmen sich die Chefs von Familienunternehmen immer wieder damit, dass sie es als ihre Pflicht ansehen, gesellschaftlich verantwortlich zu agieren und zu wirtschaften. Da passt es eigentlich so gar nicht ins Bild, dass ihre Bemühungen um Chancengleichheit vor allem in der obersten Führungsetage zu wünschen übrig lassen.

So zeigt die Analyse der AllBright Stiftung unter anderem folgendes:

  • Am Stichtag 1. März 2022 waren in den Vorständen und Geschäftsführungen der 100 untersuchten Familienunternehmen 408 Männer, aber nur 37 Frauen tätig. 68 der 100 Firmen hatten überhaupt keine Frau in der Führungsetage.
  • Das durchschnittliche Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglied ist zu 92 Prozent männlich, zu 87 Prozent deutsch, 1967 geboren und 79 Prozent haben ihre Ausbildung in Westdeutschland gemacht.
  • Während der Frauenanteil bei Neurekrutierungen in Familienunternehmen 2020 noch bei 22 Prozent lag, sind es aktuell nur noch zwölf Prozent.
  • Bei den 40 Dax-Konzernen waren 38 Prozent der Neurekrutierungen seit 1. März 2020 weiblich, bei den 70 Unternehmen in vollständigem Familienbesitz waren es nur sechs Prozent.

Männergeführte Firmen sind für Top-Talente unattraktiv

Die AllBright Stiftung macht mit Blick auf diese Erkenntnisse auch eine interessante Rechnung auf: Sollten die Familienfirmen ihr Tempo beibehalten, wäre Parität – also eine Besetzung je zur Hälfte mit Männern und Frauen – in den Führungsetagen erst 2072 erreicht.

Dazu geben die Expertinnen und Experten der AllBright Stiftung folgendes zu bedenken: „Diversität zieht Top-Talente an, ein veraltetes Führungsverständnis tut es nicht. Die Familienunternehmen riskieren, in der Konkurrenz um die besten Köpfe zu Arbeitgebern zweiter Wahl zu werden. Doch Familienunternehmen sind seit jeher Anpassungskünstler: überlebt hat, wer die Zeichen der Zeit erkannt und für sich genutzt hat. Sie haben gute Voraussetzungen, auch diese Herausforderung zu meistern, sollten aber zügig ihre Prioritäten justieren.“

Diversität verbessert ökologische und soziale Performance

In anderen Worten: Nur wer erkennt, dass Diversität und Chancengleichheit keine Zeitgeistthemen sind, sondern eine große dauerhafte gesellschaftliche Veränderung, wird auch langfristig am Markt bestehen können.

Denn nicht nur im War for Talents hat Nachteile, wer offenbar wenig Interesse an echter gelebter Diversität hat. Die Studie „E&S-Friendly Boards“ zeigt, dass die Unternehmen mit der besten Gesamtperformance in den Bereichen Environment, Social und Governance (ESG) auch die am stärksten diversifizierten Vorstände bezüglich Alter, Geschlecht und Nationalität haben.

Durchgeführt wurde die Studie in 50 Ländern vom Esade Center of Corporate Governance sowie von Diligent, einem Anbieter digitaler Corporate-Governance- und Compliance-Lösungen.

Die Studie zeigt, dass…

  • …Vorstände mit einem höheren Frauenanteil ein breiteres Maß an Fachwissen in Bereichen wie Menschenführung, Finanzen, Technologie und Corporate Governance aufweisen. Folglich führen also mehr weibliche Führungskräfte zu einem insgesamt stärkeren und leistungsfähigeren Vorstand.
  • …Vorstände mit Altersdiversität die Vielfalt des Denkens und Innovationen mehr fördern, wodurch Unternehmen die Möglichkeit haben, sich schneller an den gesellschaftlichen und technologischen Wandel anzupassen.

„Speziell für Deutschland hat die Studie gezeigt, dass wir bei der Altersstruktur schon auf einem guten Weg sind, beim Frauenanteil aber noch erheblichen Nachholbedarf haben“, sagt Hanna Krüger, Regional Vice President DACH bei Diligent. Sie empfiehlt allen, die langfristig einen Rolle am Markt spielen wollen: „Wir leben in einer zunehmend vernetzten Welt, in der viele Unternehmen international tätig sind und mit einer Vielzahl von Kulturen interagieren. Für Vorstände ist es daher ein Muss, E&S-Herausforderungen mit innovativen und frischen Ideen anzugehen und die mit traditionellen, statischen Kulturelementen verbundenen Risiken zu reduzieren.“