Gründerszene

Start-ups und Mittelstand: So kooperieren sie erfolgreich

„Erfolg schlägt alle Argumente.“ Das sagt Pixum-Gründer und Cewe-Digitalisierungsexperte Daniel Attallah. Sein Beispiel steht für eine gewinnbringende Kombination von Idee und Infrastruktur, Start-ups und Mittelstand. Dazu bietet Dr. Alexander von Frankenberg mit dem High-Tech Gründerfonds ein Gefäß für Kooperationen dieser Art – und damit eine Schmiede für Win-win-Konstellationen. Was dabei zu beachten ist, verraten die beiden Experten im DUB Digital Business Talk.

11.02.2021

Alexander von Frankenberg hat insbesondere in mittelständischen Unternehmen in Deutschland „großes Potenzial“ für die Kooperation mit Start-ups identifiziert. Und genau hier sieht er sich mit dem High-Tech Gründerfonds (HTGF), dessen Geschäfte er führt und der weite Teile der deutschen Start-up-Szene repräsentiert, „stark aufgestellt“. Denn unter den Geschäftsideen der deutschen Gründerszene tummeln sich laut von Frankenberg überwiegend B2B-Ansätze, die also ohnehin auf die Zusammenarbeit und den Austausch mit dem etablierten Mittelstand setzen.

Daniel Attallah, Komiteemitglied im HTGF, weiß aus eigener Erfahrung was es heißt, ein Start-up zu gründen und erfolgreich zu etablieren. Kurz nach der Jahrtausendwende, als die Disruption der Digitalfotografie von den analogen Branchengrößen noch belächelt wurde, gründete er den Online-Fotoservice Pixum.

Heute zählt Pixum 140 Mitarbeiter. Und Attallah selbst ist nicht nur CEO von Pixum, sondern auch als digitaler Impulsgeber für den Mittelständler CEWE aktiv. „Erfolg hat was mit Planbarkeit und Fleiß zu tun, nicht nur mit Glück“, resümiert Attallah im DUB Digital Business Talk.

Im Falle von Pixum umfasste die Strategie Attallahs die für beide Seiten richtungsweisende Kooperation mit dem heutigen europäischen Branchenprimus der Fotodienstleistungen, bei dem er sich offiziell für die Corporate Venture- und Innovations-Aktivitäten verantwortlich zeichnet. „Das voneinander Lernen ist wichtig: Wir haben den Umwälzungsprozess bei CEWE mit innovativen Ideen vorangetrieben, während sie uns mit ihrer Erfahrung und ihrem Netzwerk weitergeholfen haben“, erinnert sich Attallah.

Zauberformel gegen Kulturschock

Diese Beobachtung ist auch eine zentrale Erkenntnis aus der über 15-jährigen Arbeit von Alexander von Frankenberg beim High-Tech Gründerfonds. Doch nicht immer funktioniert eine Zusammenarbeit derart ungleicher Partner von Beginn an so reibungslos. „Das etablierte Unternehmen muss im ersten Schritt die Erkenntnis haben, dass das Start-up nicht die strategisch-operativen Innovationsprobleme lösen kann. Das muss man am Ende selbst machen“, erklärt von Frankenberg und schlägt zwei Varianten vor:

  • Der erste Weg setzt auf reine Inspiration durch die Start-ups, deren neue Ansätze und Impulse das etablierte Unternehmen anschließend im eigenen Betrieb umzusetzen versucht.
  • Die zweite Möglichkeit ist laut von Frankenberg eine alle Bereiche durchdringende Kooperation.

Die Voraussetzung dafür zeigt Attallahs Beispiel: Die damalige Unternehmensführung von CEWE habe die zwingend notwendige offene Mentalität mitgebracht, sodass die disruptiven Ansätze von Pixum nicht mit dem eigenen Corporate-Business-Gedanken in Konflikt gerieten, sondern zusammengeführt wurden. „Ein etabliertes Unternehmen muss sich immer mit der Zukunft befassen – und das gelingt fast immer nur mit externen Impulsen“, so Attallah weiter. Und diesen müsse man Zeit und Raum geben, um zu wirken. „Learning statt earning“ lautet also die Zauberformel gegen den Kulturschock.

Labyrinth für Start-ups

Gleiches gilt auch für die Bereitschaft der Start-ups, wenn es darum geht, Kooperationen mit Konstanten der Branche einzugehen. Von Frankenberg sieht darin die Chance auf einen zentralen Fingerzeig im Entwicklungsprozess nach der Gründung. „Als Start-up kann man sehr lange im Labyrinth laufen, bis man den richtigen Ansprechpartner findet“, so der HTGF-Chef. Als Hilfe bei den klassischen Hürden der Unerfahrenheit sind die weit verzweigten Netzwerke und Vertriebskanäle der etablierten Player unabdingbar.

Für Start-ups mit noch ausbaufähiger Reputation sei es nun mal schwerer, an Investoren oder spezifische Expertise zu kommen. Umso seltener sei laut Attallah auch das sogenannte Bootstrapping – sprich: das erfolgreiche Etablieren und Finanzieren eines Start-ups ohne externe Hilfestellungen. „Ich ziehe den Hut vor Unternehmen, die das schaffen. Aber das ist schon sehr selten. Es ist ja nicht nur das Fremdkapital, das Start-ups hilft, schneller und mutiger zu wachsen. Sondern es ist auch die Expertise von erfahrenen Unternehmern.“

Von Frankenberg sieht allerdings auch hier Kombinationsmöglichkeiten: „Es gibt da ein paar tolle Beispiele, zum Beispiel Celonis: Die haben erst ‚gebootstrapped‘ und ihr Unternehmen, ohne Geld aufzunehmen, sauber aufgebaut. Dann, später als üblich, haben sie für eine schnelle Expansion doch Fremdfinanzierungen zugelassen. Diese Kombination ist gar nicht so schlecht.“ 

Fonds öffnet Türen

Einen Mehrwert seines High-Tech Gründerfonds sieht von Frankenberg ohnehin auch im Vernetzen und Helfen: „Wir öffnen Türen und helfen mit unserem Netzwerk aus. Aber zusätzlich unterstützen wir die Gründer auch mit unserer Krisenerfahrung.“

Seiner Auffassung nach scheitern Start-ups besonders am Umgang mit der ersten schweren Zeit, obwohl Krisen wie wirtschaftliche Stagnation immer auch einen gewissen Lerneffekt bedeuten und dazugehören. An dieser Stelle werde der HTGF mit seiner Unterstützung extrem wichtig. Von Frankenberg betont allerdings, dass die Gründer stets auch die Chefs bleiben. Der Venture-Capital-Investor hilft nur mit Erfahrung und Netzwerk aus: „Wir schlagen die Flanke, die Gründer müssen die Tore schießen.“

Ein anderer Fahrtweg zur Arbeit und Elon Musk als Vorbild

Doch wie gelingt es Mittelständlern und Start-ups, sich aus eingefahrenen Denkmustern zu befreien? Kann man Offenheit etwa trainieren? „Ja“, gibt sich der HTGF-Geschäftsführer überzeugt. Sein Rezept: „Versuchen Sie einfach einmal, jeden Tag etwas Neues zu machen.“ Das heißt konkret, mal „einen anderen Weg zur Arbeit nehmen oder ein Gericht ordern, ohne zu wissen, was es ist“. Diese Maßnahme könne auf Dauer dazu führen, dass die anfängliche Ablehnung gegenüber dem Unbekannten nachlässt. „In unserer Welt kommt heute so viel Neues auf einen zu – da muss es einfach Offenheit geben.“ Dies sei die grundsätzliche Essenz, um visionäres Denken zu etablieren.

Als Ergänzung bringt Attallah das Beispiel des Tesla-Gründers Elon Musk. Dieser falle zwar immer wieder mit teils skurrilen Ideen auf, stehe aber mit dieser Mischung aus Fantasie und Wagemut heute an der Spitze mehrerer Milliardenunternehmen. Der Merksatz des Pixum-Gründers daraus: „Erfolg schlägt alle Argumente.“ 

Die Höhle der Pionierarbeit

Ist die deutsche Start-up-Szene in Wirkung und Wahrnehmung bei Investoren und in der Öffentlichkeit mittlerweile dort angelangt, wo sie hingehört? Jein, urteilen die Experten. Obwohl sich für die Szene schon sehr viel getan hat – nicht zuletzt auch mit dem HTGF. „Öffentlichkeitswirksame Pionierarbeit haben aber auch Formate, wie ‚Die Höhle des Löwen‘, geleistet“, so von Frankenberg.

Attallah sieht einige Ansätze in der hiesigen Start-up-Szene aber durchaus auch noch kritisch. Der Blick vieler würde sich noch zu einseitig auf den heimischen und zu wenig auf den internationalen Markt richten: „Deutsche Unternehmen denken zu sehr innerhalb der Grenzen des eigenen Landes. Der Fokus von Start-ups in Dänemark oder den Niederlanden ist wegen des kleineren heimischen Abnahmemarktes direkt auf die internationale Bühne gerichtet.“

Deshalb operiere keines der aus dem Start-up-Boom der vergangenen Jahre hervorgegangenen Unternehmen in Deutschland im Milliardenbereich. „Zalando und Delivery Hero wären dann vielleicht das Zehnfache wert“, so von Frankenberg.

Investments lohnen sich

Für eine Beteiligung beim High-Tech Gründerfonds sind derartige Dimensionen dagegen nicht vonnöten: Unternehmen mit einem Umsatz unter 100 Millionen Euro könnten mit einer Investition von 2,5 Millionen Euro partizipieren. Liegt der Umsatz über dieser Marke, umfasst das Investment drei Millionen Euro.

Die „Big-Player“ ab fünf Milliarden Euro zahlen fünf Millionen Euro – „eigentlich viel zu wenig“, scherzt von Frankenberg und ergänzt: „Unser Fokus liegt nicht auf der Maximierung unserer Rendite, sondern die beteiligten Unternehmen bekommen erstens ihr Geld verzinst zurück und erhalten zweitens einen Mehrwert an Know-how.“