Illustration zeigt unter anderem den Reichstag, das Brandenburger Tor und den Berliner Fernsehturm
26.10.2022
  • Drucken

Zahlen lügen nicht: Zwar investierten Risikokapitalgeber im ersten Halbjahr 2022 mehr als sechs Milliarden Euro in deutsche Start-ups. Doch im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Minus von 20 Prozent. Nur eine kleine Delle oder der Anfang eines langfristigen Trends? Das wird sich noch zeigen. Aber angesichts der hohen Inflation, steigender Kosten für Rohstoffe, des Fachkräftemangels sowie der drohenden Energiekrise war die wirtschaftliche Situation für Gründerinnen und Gründer schon mal deutlich besser.

Start-up-Strategie ignoriert Mehrheit der Gründenden

Auch die Bundesregierung hat erkannt, dass junge Unternehmen in Deutschland mehr Unterstützung brauchen, und ­daher im Juli ihre erste Start-up-Strategie beschlossen. Kernpunkte sind unter anderem ein schnellerer Zugang zu Förderungen sowie zu Daten und öffentlichen Aufträgen. Aber auch Maßnahmen, um die Gewinnung von Talenten zu erleichtern, finden sich in dem Papier.

Doch genau durch dieses Strategie­papier wird deutlich, dass die Regierung in ihren Plänen zu kurz denkt. Zum einen machen Start-ups nur rund fünf Prozent aller Neugründungen aus. Die Mehrheit sind klassische Existenzgründer wie Friseure oder Bäcker, die ein eigenes Geschäft eröffnen, oder Menschen, die sich mit der Entwicklung und dem Angebot von Produkten oder Dienstleistungen selbstständig machen. Mit dem Fokus einzig auf Start-ups ignoriert die Bundesregierung also die ganz große Mehrheit der Gründerinnen und Gründer.

Zum anderen gehen die geplanten Maßnahmen an einigen der größten Hindernisse bei der Existenzgründung vorbei oder berühren sie nur am Rande. Eines dieser Hindernisse ist beispielsweise der bürokratische Aufwand, der mit einer Gründung einhergeht. Dieser kostet viel Zeit, Geld und letztendlich auch Nerven – selbst wenn beispielsweise vereinbart wurde, „dass Gründungsprozesse künftig vollständig digital und möglichst innerhalb von 24 Stunden abgewickelt werden“ sollen. 

Dieser Schritt hin zum sogenannten One-Stop-Shop bleibt aber weiter schwammig formuliert, auch wenn dies ein wirklicher Pain-Point für Gründende ist. 

Bei zu viel Bürokratie sind Fehler vorprogrammiert

So hat die Studie eines Zahlungsdienstleisters ergeben, dass deutsche Behörden im Schnitt 2.865 Euro für die Regis­trierung eines Unternehmens verlangen. Gerade in der Anfangsphase ist das für Gründende viel Geld, das sie nicht in ihr Geschäft investieren können. Im europäischen Durchschnitt liegen diese Kosten mit 1.631 Euro um mehr als ein Drittel niedriger. Zudem sind für den ­Prozess in Deutschland durchschnittlich 6,5 büro­kratische Schritte notwendig, und es vergehen acht Tage, bis die Behörden den Antrag bearbeitet haben.

In diesem Zusammenhang entsteht auch ein weiteres Problem für Existenzgründerinnen und -gründer: Bei amtlichen Formularen und Anträgen wird sehr viel Wissen vorausgesetzt, das ihnen allerdings in der Realität oft fehlt. Das gilt auch für viele andere Prozesse. Entsprechend hoch ist insbesondere am Anfang das Risiko, Fehler – etwa steuerrechtlicher, sozialversicherungsrechtlicher, wirtschaftsrecht­licher oder datenschutzrechtlicher Natur – zu begehen, die Folgen bis hin zum finanziellen Ruin haben können. Schon allein die Angaben zu den voraussichtlichen Einnahmen durch die Gründung können herausfordernd sein.

Alternativ holt man sich – um sicherzugehen – professionelle Unterstützung für den Gründungsprozess. Aber die ist in der Regel teuer.

Hilfe muss zum Bedarf passen

Fragen der finanziellen Unterstützung sind für die meisten Gründenden grundsätzlich ein Thema. Die Herausforderung ist dabei jedoch nicht nur, passende Förderprogramme zu finden, sondern auch, die oft komplizierten und aufwendigen Antragsverfahren zu meistern.

Die Idee der Bundesregierung, ein Portal zu schaffen, um Fördermöglichkeiten zu finden, zu beantragen und vollständig abzuwickeln, geht daher in die richtige Richtung. Aber folgende Punkte sollten dabei dringend Beachtung finden:

Passgenaue Hilfen: Beispielsweise im Hinblick auf die Energiekrise werden Gründende bislang mal wieder über­sehen. Wir brauchen für sie aber dezidierte Unterstützung, die sich tatsächlich an ihren realen Anforderungen und Bedürfnissen orientiert.

Digitale Infrastruktur: Die Digitalisierung deutscher Behörden ist ein leidiges Thema, muss aber endlich mit Nachdruck angegangen werden. Man kann heute nahezu jeden Vorgang online erledigen – nur der Behördengang findet in den meisten Städten und Gemeinden weiterhin offline statt, inklusive Bezahlung mit Bargeld. Wünschenswert ist auch die Vernetzbarkeit mit Software­lösungen, die den Gründenden etwa bei der Buchhaltung den Rücken freihalten. Offene Schnittstellen, sogenannte APIs, sind ein Muss.

Wissenstransfer: Schon in Schulen und an Universitäten sollten wir Angebote schaffen, die Wissen rund um die Unternehmensgründung vermitteln. Außerdem sollten Gründungsinteressierte viel schneller und verständlicher erfahren, welche Voraussetzungen und Anforderungen sie erfüllen müssen.

Viele wichtige und wegweisende Ideen kommen aus Deutschland. Doch in den vergangenen Jahren haben uns andere Länder den Rang abgelaufen. Um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands zu sichern, brauchen wir aber nicht nur Ideen, sondern müssen sie auch in der Realität umsetzen. Dafür muss die Existenzgründung einfacher, schneller und mit weniger Risiko möglich sein.

Zur Person

Christian Steiger von Lexware

Christian Steiger

ist Geschäftsführer von Lexware und Founder der Cloud-Buchhaltungslösung lexoffice. Eines seiner Kernziele ist der Ausbau des lexoffice-Ökosystems zum Beziehungsmacher und digitalen Berater

Kolumnen, Kommentare und Gastbeiträge auf DUP-magazin.de geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.
26.10.2022
  • Drucken
Zur Startseite