Alles beginnt mit der Absicht, seinen Bewerbungsprozess zu erneuern. „Wichtig ist das richtige Mindset“, sagt von Borcke. Man müsse wollen, können und dann machen. An zu hohen Kosten werde digitales Recruiting nicht scheitern, meinen beide Experten. Von Borcke: „Man kann mit relativ überschaubarem finanziellen Einsatz selbst für vermeintlich schwierige Berufsfelder Talente gewinnen.“ Und Wolkenhauer bestätigt: „Softwarelösungen sind nicht teuer. Jeder kann sich seine Programme so zusammenstellen, wie er sie für seinen Bereich braucht.“
Von Borcke hat jüngst mit seinen Studenten an der Hochschule Fresenius den Digital Recruiting Prozess der 30 Dax-Unternehmen untersucht. Ergebnis: Die deutschen Top drei im Recruiting sind Telekom, Allianz und Henkel. Alle anderen Unternehmen haben nur befriedigende oder ausreichende Schulnoten bekommen. Das Skandal-Unternehmen Wirecard – zum Zeitpunkt der Studie noch nicht insolvent – wurde gar Letzter.
Für DUB Unternehmer erklären von Borcke und Wolkenhauer gemeinsam die Dos and Don‘ts im Recruitingprozess.
Das sind die Dos im Recruitingprozess
Analyse: „Digitales Recruiting beginnt mit einer Bestandsaufnahme“, sagt von Borcke. „Wo stehe ich? Wo sind meine Handlungsfelder? Was will ich erreichen? Dann nach Kosten und Effekt priorisieren und loslegen.“ Für die Analyse können zum Beispiel auch neue Mitarbeiter befragt werden, wie sie den Bewerbungsprozess empfunden haben.
Aktionen: Loslegen heißt zum Beispiel, ein Image-Video seines Unternehmens zu drehen, auf Youtube hochzuladen, um dann mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Google – Youtube gehört zum Tech-Giganten – über einen längeren Zeitraum weit vorn gerankt zu werden. Auch relativ kostengünstig: eine vielseitige Karriere-Website oder kreative Social-Media-Aktionen auf Instagram.
Abholen: Digitale Talente verbringen heutzutage mehrere Stunden täglich auf Social Media. Unternehmen sollten Bewerber deshalb in ihrer Lebenswirklichkeit abholen. Außerdem sei es wichtig, Mechanismen einzusetzen, die sie von Plattformen wie Amazon oder Netflix bereits kennen, etwa Einloggen und Personalisierung.
Automatisieren: Eine automatisierte Eingangsbestätigung für eine Bewerbung ist ein „Must-have“. Generell können Bewerbungsprozesse zunächst digitalisiert beginnen, indem Chatbots zum Beispiel Standardfragen nach Eintrittsdatum und Arbeitszeiten automatisiert beantworten. Insgesamt muss der Prozess für den Bewerber schnell gehen. Unterlagen müssen zügig hochgeladen werden können; der Bewerbungsprozess muss für den Nutzer komfortabel sein. Wolkenhauer stellt fest: „Ingenieure bekommen Programme, Außendienstler Firmenwagen – aber häufig ist die Personalabteilung die einzige im Unternehmen, die keine speziellen Werkzeuge an die Hand bekommt.“
Antworten: Je weiter der Bewerbungsprozess fortschreitet, umso wichtiger wird allerdings wieder der menschliche Kontakt. Eine gute Alternative zu einem Chatbot ist ein Chat mit einem echten Mitarbeiter, also zum Beispiel einer Fach- oder Führungskraft.
Authentizität: Die Experten raten zu Ehrlichkeit. Personalabteilungen sollten ihr Unternehmen so darstellen, wie es ist, und individuelle Stärken herausarbeiten – etwa Regionalität oder gute Gehälter.
Das sind die Don'ts im Recruitingprozess
Alte oder unnötige Tools: E-Mail, PDF und Outlook erfüllen laut Wolkenhauer weder Datenschutzansprüche noch sind sie effizient. Keiner wolle heutzutage noch die Bewerbung per E-Mail. KI und Chatbots bräuchten Unternehmen aber nur bei großen Bewerbermengen.
Antwort vergessen: Es ist schlecht für die Reputation, wenn Bewerber keine Eingangsbestätigung oder Absage bekommen. Lösung auch hier: automatisierte Prozesse, wie sie zum Beispiel Software-Anwendungen bieten.
Angeben: Wolkenhauer warnt: „Was nützt es mir, wenn meine Website aussieht wie Netflix, aber mein Unternehmen wie eine Excel-Tabelle?" Bewertungsportale brächten hier ohnehin schnell die Wahrheit ans Licht.
Abverlangen: Die Personalabteilung muss den digitalen Prozess mittragen. Es nütze nichts, wenn sie gegen das digitale Recruiting rebelliere, finden die Experten. Digitales Recruiting sei Führungsaufgabe.