Noch nie war es für Unternehmen so schwer, im War for Talents erfolgreich zu sein. Denn der Fachkräftemangel wird zu einem immer größeren Problem. Wertvolle Recruiting-Tipps für Unternehmerinnen und Unternehmer geben Brigitte Zypries, Bundesministerin a.D., sowie der Mittelstandsexperte Marc Wittbrock vom Deutschen Innovationsinstitut für Nachhaltigkeit und Digitalisierung.
Arbeitgeber der Zukunft
Recruiting-Tipps: Was hilft bei Fachkräftemangel?
Personalmangel bedroht den Wirtschaftsaufschwung nach der Pandemie; Recruiting wird damit zum alles entscheidenden Wettbewerbsfaktor für Unternehmen. Doch wie kann der immer härter werdende War for Talents gewonnen werden? Zum Beispiel mit der richtigen Positionierung und Kommunikation.
16.02.2022
Brigitte Zypries
Die ehemalige Bundesjustiz- und -wirtschaftsministerin ist Business Angel für Start-ups und Herausgeberin des DUP UNTERNEHMER-Magazins
Marc Wittbrock
ist Geschäftsführer des Deutschen Innovationsinstituts für Nachhaltigkeit und Digitalisierung
Frau Zypries, was spricht für einen Aufschwung nach der Pandemie?
Brigitte Zypries: Der riesige Nachholbedarf der Konsumenten nach den vielen Lockdowns sollte für eine extrem starke Nachfrage sorgen, zum Beispiel nach Urlaubsreisen. Erste Airlines positionieren sich bereits dafür und stocken Kapazitäten auf. Aber auch die Industrie kann zuversichtlicher nach vorn blicken: Die Zeit unterbrochener Lieferketten dürfte nach der Coronapandemie vorüber sein.
Worin sehen Sie die größten Hemmnisse?
Zypries: Ganz klar: im Fachkräftemangel. Denn wir erleben den Wandel von einem Arbeitslosen- hin zu einem arbeiterlosen Markt. Das liegt daran, dass immer mehr Beschäftigte aus den geburtenstarken Jahrgängen nach und nach in Rente gehen – und Nachwuchskräfte sind zugleich extrem rar. Aktuell fehlen der deutschen Wirtschaft bereits rund 390.000 Fachkräfte. Das sind etwa 50.000 mehr als vor dem Ausbruch der Coronapandemie.
Herr Wittbrock, das Deutsche Innovationsinstitut für Nachhaltigkeit und Digitalisierung erstellt zurzeit eine große Studie. Wie sind die deutschen Unternehmen für die Zukunft aufgestellt?
Marc Wittbrock: Wir prüfen, was erfolgreiche und zukunftsfähige Unternehmen ausmacht, welche davon die DNA haben, um das „nächste BionTech“ oder das „nächste Zalando“ zu werden. Und wir stellen dabei fest: Die deutschen Unternehmen digitalisieren und transformieren sich aktuell so schnell wie nie zuvor. Sie sind extrem kreativ. In Deutschland schlummern noch viele Hidden Champions, die bisher weitgehend unbekannt sind. Dieses Potenzial stimmt mich optimistisch für die Zukunft der deutschen Wirtschaft.
Wo ist die Personalnot derzeit am größten?
Zypries: Betroffen sind insbesondere die Bereiche IT, Handwerk sowie das Hotel- und Gaststättengewerbe. Letzteres ist ja von den Lockdowns besonders gebeutelt worden: Viele Beschäftigte sind gegangen, die meisten davon werden nicht zurückkommen. Wenn Urlaubsreisen jetzt wieder anziehen, haben wir in dieser Branche spätestens im Sommer ein massives Problem. Fakt ist: Wir haben zu wenige Menschen in Deutschland, die arbeiten wollen. Viele Unternehmen werden deshalb ihre Bewerbersuche komplett neu ausrichten müssen.
Deckt sich diese Einschätzung mit den Ergebnissen der diind-Untersuchung?
Wittbrock: Ich kann bestätigen, dass sich der Fachkräftemangel zum größten Problem der deutschen Wirtschaft auswachsen wird. Das zeigen unsere bisherigen Ergebnisse ganz deutlich. Der Kampf um Talente wird gigantisch. Der Arbeitsmarkt eifert der Bundesliga nach. Wechselprämien und Handgeld von bis zu 5.000 Euro – bei der Abwerbung von IT-Experten etwa ist das heute schon gang und gäbe. Eine verrückte Welt!
Was können Unternehmer konkret tun?
Wittbrock: Sie müssen ihre Unternehmen bekannt machen, für sich werben. Denn der Arbeitsmarkt wird künftig so funktionieren wie ein Consumer-Markt – für Arbeitgeber wird Marketing deswegen unerlässlich werden. Das gilt insbesondere für Unternehmen, die noch keinen starken Markennamen haben oder die etwa im ländlichen Raum angesiedelt sind. Um potenzielle Bewerber anzulocken, bieten Siegel wie zum Beispiel „Arbeitgeber der Zukunft“ dabei Orientierung.
Also bringen solche Siegel tatsächlich etwas?
Wittbrock: Ein klares Ja! Siegel helfen Unternehmen, aus der Masse herauszustechen. Es gibt eine ganze Reihe von Studien, die positive Effekte auf die Außenwirkung von Unternehmen eindeutig belegen. Wir beim diind gehen von mindestens 30 Prozent mehr Effizienz im Recruiting-Prozess aus. Unternehmen, die unser Siegel bereits erhalten haben, bestätigen das.
Redakteur
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