Sponsored

Automotive-Zulieferer

Raus aus der Lieferketten-Sandwich-Falle

Die deutsche Wirtschaft wankt – und mit ihr die Automobilindustrie. Besonders bei Zulieferern nehmen Insolvenzen zu, Lieferketten brechen weg. Wolfram W. Hackbarth von der Mittelstandsberatung Enomyc analysiert die Schwachstellen der Branche und zeigt, wie Unternehmen resilienter werden und sich für die Zukunft aufstellen.

Illustration: Ein Mann mit einem Schraubenschlüssel, der an Zahnrädern schraubt, als Symbol für Lieferketten-Management

09.04.2025

Die Prognose ist düster: In den nächsten zehn Jahren könnten Zehntausende Arbeitsplätze wegfallen.

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Herr Hackbarth, 2024 betraf jede sechste Insolvenz einen Automobilzulieferer – warum ist die Branche derzeit so anfällig?

Wolfram W. Hackbarth: Die deutsche Wirtschaft steckt seit zwei Jahren in einer Rezession. Unternehmen kämpfen mit steigenden Material- und Energiekosten, hoher Steuer- und Regulierungslast sowie sinkenden Absatzzahlen. Zusätzlich verschärfen der globale Wettbewerb sowie der Preisdruck aus den USA und Asien die Lage. Diese Nachteile treffen nicht nur die Autohersteller, sondern auch Schwerindustrie, Hersteller von Bau- und Sondermaschinen sowie den allgemeinen Anlagen- und Maschinenbau. Doch die Automotivebranche ist aufgrund ihrer Struktur sehr speziell: Original Equipment Manufacturer, kurz OEMs, wie Volkswagen, Daimler oder Porsche reagieren mit Sparprogrammen und Produktionsverlagerungen auf die Flaute. Das trifft am Ende auch die Zulieferbetriebe, sogenannte TIER1- oder TIER2-Lieferanten. Die Prognose ist düster: In den nächsten zehn Jahren könnten Zehntausende Arbeitsplätze wegfallen.

Welche Abhängigkeiten bestehen zwischen den Zulieferbetrieben?

Hackbarth: Besonders kleinere TIER2-Lieferanten, die ihrerseits größere Zulieferer versorgen, geraten durch steigende Materialpreise und wachsenden Margendruck zunehmend in Bedrängnis. Zusätzlich kam es zuletzt durch Insolvenzen, Fachkräftemangel oder Aufkauf von Konkurrenten verstärkt zu Lieferverzögerungen und Produktionsausfällen. Generell stehen Unternehmen jeder Branche stets vor der Frage: Wie lassen sich Lieferkettenausfälle vermeiden, wenn die Zulieferer plötzlich wegbrechen oder sich Kosten unerwartet vervielfachen? Den TIER1-Lieferanten fehlen in diesem Szenario zum Beispiel wichtige Vorprodukte für ihre eigene Produktion, um anschließend die großen OEMs zu beliefern. Diese Sandwich-Position zwischen Komponenten- oder Baugruppenlieferanten und Endhersteller kann für sie teure Konsequenzen haben – mit Kosten in Millionenhöhe.

Wie sieht ein solches Worst-Case-Szenario für TIER1-Lieferanten konkret aus?

Hackbarth: TIER1-Zulieferer sind an strenge Liefergarantien und Service Level Agreements, abgekürzt SLA, gebunden, wie es sie zum Beispiel auch in Dienstleistungsbranchen wie IT oder Logistik gibt. Fällt ein TIER2-Partner aus, muss kurzfristig Ersatz her – etwa ein neuer Hersteller für eine hochspezialisierte Elektronikkomponente. Doch gerade für Nischenprodukte gibt es oft nur wenige Alternativen, und die Umstellung kann Monate dauern. Neue Anbieter müssen umfassende Qualifikationskriterien erfüllen, um die Sicherheits- und Qualitätsstandards der Automobilindustrie zu gewährleisten. Das erfordert umfangreiche sowie kostenintensive Freigabe- und Dauertests, die von den OEMs streng überwacht werden. Die Kosten steigen sozusagen minütlich.

Sie sprachen von der Sandwich-Position – wie können sich Unternehmen aus dieser Falle befreien?

Hackbarth: Das ist aufgrund der besonderen Struktur schwierig. Aber sie können frühzeitig handeln und potenzielle Risiken in der Lieferkette aktiv managen. Ein datenbasiertes Frühwarnsystem hilft dabei, kritische Schwachstellen rechtzeitig zu identifizieren – etwa durch regelmäßige Bonitätsprüfungen, Lieferantenbewertungen und Technologieanalysen. Ergänzend bieten Simulationen und Validierungsanalysen eine realistische Einschätzung, wie sich ein Ausfall auf die gesamte Wertschöpfungskette auswirkt. Um Unternehmen dabei gezielt zu unterstützen, haben wir 2022 das Enomyc-Frühwarnsystem PART, kurz für Pro Active Radar Tool, entwickelt. PART ist ein praxisbewährtes Analyse-Tool für mehr Transparenz und Kontrolle über die Lieferkette. Es deckt finanzielle und technologische Risiken auf und unterstützt eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen OEMs, TIER1- und TIER2-Partnern. Gleichzeitig ermöglicht es eine präzise Projektplanung: Prototyp-Meilensteine, Musterfreigaben und zeitliche Vorgaben für den Produktions- und Produktfreigabeprozess – sogenannte PPAP- oder PPF-Zieltermine – werden frühzeitig festgelegt. So lassen sich Engpässe und Verzögerungen nicht nur beizeiten erkennen, sondern gezielt in steuerbare Szenarien mit klaren Handlungsoptionen überführen.

Lassen sich neben der Risikoerkennung auch allgemeine Vorkehrungen treffen, um Lieferketten nachhaltig abzusichern?

Hackbarth: Auf jeden Fall! Neben der Risikoerkennung stärkt eine breite Lieferantenbasis die Stabilität und reduziert Abhängigkeiten. Bei technisch besonders anspruchsvollen Fertigungs- und/oder Montageabläufen der Zulieferer empfiehlt sich eine Produkt-Dual-Sourcing-Strategie, also ein Produkt von mindestens zwei unabhängigen Zulieferern zu beziehen. Zudem sind enge Partnerschaften mit OEMs und externen Experten entscheidend, um in Krisensituationen immer handlungsfähig zu bleiben. Dabei sollten Unternehmen die Möglichkeiten digitaler Technologien wie Künstlicher Intelligenz und Blockchain ausschöpfen. Diese sorgen nach unseren Erfahrungen für deutlich mehr Transparenz und eine Steuerung der Supply Chain in Echtzeit. Ergänzend zu einem funktionierenden Frühwarnsystem lassen sich diese Maßnahmen strukturell auf fast jede Branche anwenden.

Wer offen für technologische Entwicklungen bleibt und sich flexibel auf neue Marktanforderungen einstellt, wird auf der Gewinnerseite stehen.

Welche strategischen Möglichkeiten bleiben Unternehmen in der Automobilbranche, wenn die Krise wie erwartet anhält?

Hackbarth: Zulieferer haben längst begonnen, ihre Zielmärkte über den Automobilsektor hinaus zu erweitern – hier liegen lukrative Zukunftschancen. Bereits jetzt richten viele von ihnen Teile ihrer Produktion auf die wieder aufblühende Rüstungs- und Wehrtechnik aus. TIER2-Lieferanten, die bislang Hochpräzisionsdreh- und Fräskomponenten für die Automobilindustrie gefertigt haben, positionieren sich hier zunehmend als Zulieferer für den Verteidigungssektor. Auch TIER1-Lieferanten erweitern ihr Portfolio – etwa mit explosionsgeschützter Elektro- und Hydraulikventiltechnologie oder Filtrationssystemen für U-Boote und Fregatten. Selbst für OEMs ist eine derartige Diversifikation denkbar, zum Beispiel durch kleine Serien gepanzerter SUVs für militärische Einsätze. Dieses Potenzial bestätigte auch Rheinmetall-Chef Armin Papperger: Er attestierte etwa dem VW-Werk in Osnabrück erst kürzlich die Eignung für die Produktion wehrtauglicher Fahrzeuge. Politisch gewinnt diese Idee angesichts der globalen Sicherheitslage ebenfalls an Zustimmung. Entscheidend wird sein, welche Unternehmen ihre Prozesse konsequent digitalisieren, automatisieren und ihre Lieferketten transparent vernetzen. Wer offen für technologische Entwicklungen bleibt und sich flexibel auf neue Marktanforderungen einstellt, wird auf der Gewinnerseite stehen.

Noch mehr Insights

Die deutsche Automobilindustrie steht massiv unter Druck. Besonders Zulieferer kämpfen mit Insolvenzen, fragilen Lieferketten und der digitalen Transformation. Doch welche Lösungen gibt es in dieser gefährlichen Sandwich-Position? Lesen Sie im Fachbeitrag von Wolfram W. Hackbarth auf dem Enomyc-Blog, welche Strategien jetzt entscheidend sind – und diskutieren Sie mit ihm über die Zukunft der Branche.

Wolfram W. Hackbarth

ist Director bei Enomyc und Experte für Produktions- und Wertschöpfungsoptimierung in der Automobil- und Zulieferindustrie. Mit über 25 Jahren Erfahrung in internationalen Führungs- und Transformationsprojekten begleitet er Unternehmen in den Bereichen Lean Manufacturing, Standortstrategien und Restrukturierung. Zuvor war er in leitenden Positionen bei Bosch Rexroth und TRW tätig.