Fast drei Jahrzehnte in Diensten der Deutschen Bank, 21 Jahre in leitender Position in Marketing und Kommunikation: Der heutige Chief Marketing Officer (CMO) Corporate Bank Christoph Woermann kennt die Auseinandersetzung eines Großunternehmens mit dem Purpose. Er hat das Thema über die Jahre – auch in schwierigem Fahrwasser – mit in jeder Faser spürbarem Engagement begleitet.
Und Woermann bezieht klar Stellung. So sieht er die eigene Profession explizit nicht die Weichen beim Purpose stellen: „Das Thema sollte nicht an das Marketing angehängt sein. Die Verantwortlichen dort müssen vielmehr Sparringspartner sein, die alle Mechanismen kennen. Und Kommunikatoren sind die Coaches. Aber die Geschäftsführung muss den entscheidenden Überblick haben, wo die Reise begonnen hat und wo sie zukünftig hingeht.“
Die Vision gibt den Weg vor
Für Woermann ist ein erfolgreicher Purpose auch immer mit jemandes Vision und Ziel verbunden. „Warum wird Amazon so bewundert? Weil Jeff Bezos, der all das angestoßen hat, noch immer vorn steht. Oder Apple: Ich war lange Fan der Marke und habe die Produkte meinen Freunden empfohlen. Warum? Weil Steve Jobs die Vision ‚design follows function‘ verfolgt und damit ganz neue Kategorien erschlossen hat.“
Doch gelte es auch, sich im Laufe der Zeit immer wieder zu fragen, wie das formulierte Ziel nachhaltig zu verfolgen sei – und nachzujustieren. Die Bindung an eine Vision bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass diese „neu definiert werden muss, wenn es in einer Führungsposition einen Wechsel gibt“. Was durchaus eine Herausforderung darstellen kann. „Wer alle zwei Jahre die Führungsspitze austauscht, muss schlimmstenfalls alle zwei Jahre eine neue Geschichte erzählen“, so Woermann.
Mehr als nur Marketing
„Wer Purpose lediglich als Marketingstrategie abtut, macht einen großen Fehler“, fasst der CMO zusammen. Dass gerade in jüngerer Vergangenheit manch schlagzeilenträchtige Verfehlung am Außenbild des eigenen Arbeitsgebers gerüttelt hat, ist ihm sehr bewusst. Und doch – oder gerade deshalb – glaubt er fest an den Erfolg des Kultur- und Wertewandels, der heute „von den Kolleginnen und Kollegen in der Deutschen Bank tatsächlich gelebt“ werde. Man besinne sich aktuell auf seine Wurzeln, so Woermann.
So nennt er den 1989 einem Attentat zum Opfer gefallenen Vorstandssprecher Alfred Herrhausen als Vorbild, wenn es um die Vision der Vereinbarkeit von Ethik und Erfolg geht. „Wir sagen, was wir denken. Wir tun, was wir sagen. Und wir müssen sein, was wir tun“: All dies bringe mit sich, dass sich die Verantwortung einer Bank als Dienstleister in der Gesellschaft spiegeln müsse. „Wenn Sie sich nicht dem Markt oder der eigenen Branche, sondern dem Kunden verpflichtet sehen, wenn Sie sich als Dienstleister mit Ihrer Vergangenheit differenziert auseinandersetzen, können Sie Ihren Purpose auch glaubwürdig auf die Straße bringen. So dass die Konsumenten am Ende sagen: ‚Wir verzeihen euch die Fehler der Vergangenheit und glauben an das Neue‘“, gibt sich Woermann überzeugt.
Wichtig dabei: „Alle Veränderungen innerhalb eines Unternehmens verschieben den Purpose in eine Richtung. Das muss berücksichtigt werden.“ Die Deutsche Bank sieht der CMO dabei auf dem richtigen Weg. Purpose stiftet Identifikation, bietet aber auch Orientierung – gerade in Zeiten des Wandels. „Ein Unternehmen ist wie eine Familie, die alle möglichen Facetten der Gesellschaft widerspiegelt. Da muss es für alle Leitplanken geben, nach denen sie arbeiten, reflektieren, recruiten, Verhalten bewerten, beurteilen und Konsequenzen ziehen.“ Denn jeder Mitarbeiter sei gleichzeitig „Markenbotschafter des Hauses“.