Workation

Arbeiten im Paradies: Wie sinnvoll ist eine Workation wirklich?

Laut dem Analyse-Tool Semrush sind die Google-Suchanfragen nach den Begriffen „Workation“ und „Arbeitsurlaub“ zwischen 2017 und 2022 um 1.529 Prozent gestiegen. Hoteliers, Campingplatz-Betreiber und Versicherer haben die Workation-Willigen als neue Zielgruppe für sich entdeckt. Und auch Arbeitgeber erkennen zunehmend, welche Vorteile es ihnen bringt, wenn Angestellte ihren Job und Erholung fernab der Heimat miteinander kombinieren.

20.11.2023

Weißer Sandstrand, türkisblaues Wasser, strahlender Sonnenschein, Palmen: Bei diesem Ausblick vom Schreibtisch aus fällt es schwer, sich auf Teams-Calls mit Kunden, Chats mit Kollegen oder das Erstellen eines Konzepts zu konzentrieren, dessen Abgabefrist bedrohlich nahe rückt.

Mit solch einem Ausblick (und vergünstigen Preisen) lockte das Fünf-Sterne-Resort Kandima Maldives den Sommer über Workation-Willige auf eine abgelegene, drei Kilometer lange Insel im Indischen Ozean. Zugang zum Business-Center und kostenfreies High-Speed-Internet auf der gesamten Insel versprachen gutes Arbeiten. Unter anderem Spa, Pool, eine Schnorchel-Plattform in der Lagune, ein Fitness-Center, acht Restaurants und drei Bars sorgten für eine gute Work-Life-Balance.

Arcona richtet Workation Hubs an allen Standorten ein

Auch andere Anbieter haben den Trend zu Workation – also der Kombination aus Urlaud und Arbeit fernab der alltäglichen Umgebung – erkannt. Die Rostocker Hotelgruppe Arcona kooperiert seit Kurzem mit dem Workation-Anbieter Project Bay.

Arcona betreibt zwölf Hotels – unter anderem auf Rügen, in Weimar, auf der Wartburg, in Kitzbühel und auf Mallorca. An allen Standorten sollen nun Workation Hubs zum Coworking eingerichtet werden.

„Immer mehr Menschen sind dank der Digitalisierung zeitlich und räumlich flexibel und gehen zum Arbeiten dorthin, wo es am schönsten ist. Bei vielen ist der Übergang zwischen Arbeit und Privatleben längst fließend“, sagt Arcona-Geschäftsführer Alexander Winter. „Diese neue Nachfrage beantworten wir mit einem Angebot, das Coworking und Workation an unseren Sehnsuchtsorten zwischen Sylt und Mallorca ermöglicht.“

Coworking auf dem Campingplatz

Wer etwas mehr Ruhe sucht, entscheidet sich für Workation auf dem Campingplatz. So bietet beispielsweise „Insel-Camp Fehmarn“ unter anderem kostenfreies, schnelles WLAN und Coworking-Boxen.

Der „Haarstubencampingplatz Reingers“ in Österreich hat kostenfreies starkes WLAN sowie einen Bereich, um sich zum Arbeiten zurückzuziehen.

Der Campingplatz „Yelloh! Village Le Sérignan Plage“ im Süden Frankreichs direkt am Mittelmeer bietet 15 Innen- und Außenarbeitsplätze mit Bildschirmen, Drucker und Scanner.

Infos zu unzähligen geeigneten Locations finden sich unter anderem auf den Portalen camping.info und hinterland.camp. Auf Letzterem sind knapp 2.000 buchbare Spots mitten im Grünen und fernab der Massen gelistet.

Workation als Kriterium bei der Jobwahl

Bei einer Workation lässt sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Insbesondere für Angestellte aus der Gen Y und Gen Z ist die Möglichkeit zur Workation inzwischen ein wichtiger Faktor bei der Wahl des Arbeitgebers: 42 Prozent der Arbeitnehmenden unter 35 Jahren achten darauf, ob die Möglichkeit zur Arbeit vom Urlaubsort besteht. Das zeigt eine Umfrage von Cisco und YouGov. 38 Prozent der Befragten in dieser Altersgruppe haben bereits im Ausland gearbeitet.

Bei Angestellten zwischen 35 und 44 Jahren zeigten nur 28 Prozent Interesse an Workation, bei den über 45 Jährigen nur 15 Prozent.

„Die Ergebnisse zeigen, was wir auch in vielen Bewerbungsgesprächen erleben: Workation ist gerade für jüngere Arbeitnehmende deutlich relevanter, als manche ältere Entscheiderinnen und Entscheider denken“, sagt Katrin Hartmann, Personalchefin von Cisco Deutschland. „Bei Cisco geben wir allen Mitarbeitenden maximale Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsorts. Man kann bei uns ohne bürokratischen Aufwand bis zu 20 Tage im Jahr aus dem Ausland arbeiten.“

Produktivere, zufriedenere Angestellte

Cisco ist nicht das einzige Unternehmen mit einem entsprechenden Angebot. Unter anderem Idealo, die Internationale Hochschule, die Otto Group, Vaillant, Continental, BMW, Porsche, Siemens und Henkel haben Workation-Programme eingeführt.

Nicht ohne Grund: Maximale Flexibilität bei der Arbeitsplatzwahl wirkt sich positiv auf die Work-Life-Balance, die Zufriedenheit und die Produktivität der Mitarbeitenden aus. Und: Sie ist beim Werben um junge Talente ein entscheidender Faktor in der Unternehmenskultur.

„Trotz aller Unterschiede haben die verschiedenen Generationen auch starke gemeinsame Bedürfnisse. Flexibilität bei Arbeitszeit und -ort sowie ein gutes Teamklima und eine Vertrauenskultur sind für alle Mitarbeitenden heutzutage zentral“, so Hartmann. „Wer Talente für sich gewinnen will, muss hier erstmal die Hausaufgaben machen. Wer dann besonders junge Menschen für sich begeistern will, kann mit Workation, Weiterbildung oder Vier-Tage-Woche noch eine Schippe drauf legen.“

Wie drei junge Frauen ihre Workation erlebt haben

Die Erfahrungen, die Angestellte im Rahmen einer Workation machen, wirken noch lange nach. Das zeigen die folgenden Beispiele von drei jungen Frauen aus unterschiedlichen Branchen. Wir haben sie gebeten, ihre persönlichen Workation-Erfahrungen zu teilen.

Nhi Dinh, Communications Manager bei der Agentur Openers:

„Nach meiner ersten Workation im Frühling 2022 – ich verbrachte drei Wochen auf Sizilien – war ich hin und weg von der Idee, in Zukunft ortsungebunden arbeiten zu können. Rückblickend hat sich das Arbeiten aus der Sonne bei mediterranem Klima für mich gleich mehrfach positiv ausgewirkt: Ich war kreativer und produktiver, grundsätzlich motivierter und fühlte mich weniger gestresst.

Einzig die Kolleginnen und Kollegen aus dem Büro fehlten mir hin und wieder. Einerseits, weil ich das Zwischenmenschliche abseits von Kundenkommunikation und Projektarbeit immer sehr schätzte. Andererseits konnten Fragen und Probleme nicht mal eben mit einem kurzen Gespräch in der Küche geklärt werden. Ich behalf mir deshalb mit Check-ins. Das sind etwa zehnminütige digitale Gespräche, die ich zwischen mir und den Menschen aus meinem Team regelmäßig einstellte, um den Austausch aufrechtzuerhalten. Das hat super geklappt.

Erst kürzlich wechselte ich den Arbeitgeber und habe im Bewerbungsprozess großen Wert auf ein flexibles Arbeitsmodell gelegt. Mit Openers habe ich ein Unternehmen gefunden, dass alle Erwartungen erfüllt und bei dem Workation bereits von vielen Mitarbeitenden regelmäßig gelebt wird. Deshalb geht’s für mich bald wieder nach Barcelona, wo ich mir von Juni 2022 bis Mai dieses Jahres bereits eine zweite Heimat aufgebaut habe. Und wer weiß, vielleicht zieht es mich ja irgendwann nach Afrika. Die Welt steht mir jetzt ja erstmal offen.“

Mereana Sheehan, Senior Social-Media-Managerin beim CRM-Anbieter Pipedrive:

„Wer zwischen Oktober und März schon mal in London war, kann folgenden Gedanken ziemlich sicher nachvollziehen: Wie soll man bloß einen ganzen Winter dieses triste Wetter aushalten? Als gebürtige Neuseeländerin reifte die Idee der Workation deshalb seit einiger Zeit. Ich wog ab, wie ich Meetings und Aufgaben von anderen Orten als dem Londoner Pipedrive-Büro und meinem Homeoffice erledigen könnte, sprach mit Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen und recherchierte zu möglichen Reisezielen und den Erfahrungen anderer Digital Nomads.

Und so stürzte ich mich im Winter ins Abenteuer: Zwei Monate Neuseeland – gutes Wetter, faszinierende Natur und das alles mit der Möglichkeit verknüpft, meine Familie regelmäßig zu sehen.

Alle anfängliche Skepsis wich schon in den ersten Tagen, als ich merkte, wie die Workation meine Kreativität fördert. Die Zeitverschiebung zwischen Neuseeland und Großbritannien war zwar definitiv eine Herausforderung, die ich jedoch dank flexibler Arbeitszeiten und des starken Rückhalts meiner Teamkolleginnen und -kollegen problemlos meisterte. Ich schaue gerne auf diese Zeit zurück. Ich lernte, mit ungewohnten Faktoren umzugehen und die Problemlösung in den Mittelpunkt zu stellen – und hatte bei all der beruflichen Erfahrung fantastische Wochen auf einem einzigartigen Teil unserer Erde.“

Anne-Sophie Wolf, Marketing-Managerin beim Finanzdienstleister Mollie:

„Seit einigen Jahren gibt es bei Mollie eine hybride Arbeitskultur, die Büroaufenthalte und flexible Arbeitsgestaltung von vielen Orten der Welt vereint. Bis zu 20 Tage im Jahr können wir einer Workation nachgehen. So entschied ich mich im Frühjahr dazu, zehn Tage in Rio de Janeiro und zehn Tage in Medellin zu arbeiten.

Neue Kulturen zu erleben, dem langen Winter zu entfliehen und gleichzeitig meiner Funktion als Marketing-Managerin gerecht zu werden – das war für mich ein besonderer Anreiz. Um trotz Zeitverschiebung möglichst große Schnittmengen mit meinem Team zu haben, startete mein Tag entsprechend früh. Nach Meetings und abgeschlossenen Aufgaben blieb mir am Nachmittag ausreichend Zeit, die beiden Städte zu erkunden oder einfach den Feierabend am Strand zu genießen.

Alles in allem war ich begeistert, wie Workation auch außerhalb Europas funktionieren kann und welche Effizienz- und Motivationsschübe mit dem Tapetenwechsel einhergegangen sind. Digitale Tools ermöglichen von überall die (Zusammen-)Arbeit, Coworking-Spaces bieten auch am anderen Ende der Welt Räumlichkeiten für Konzentrationsarbeit und den Austausch mit Professionals aus der ganzen Welt.“

Koffer packen – und los? So einfach ist es dann doch nicht…

Na, wächst jetzt bei Ihnen auch die Lust auf eine Workation? Wollen Sie jetzt den Koffer packen und los? Tja, so einfach geht es leider nicht. Bei einer Workation gibt es zahlreiche rechtliche Fallstricke. Es gilt einiges zu beachten: Betriebsstätte, Versicherungen, Visum, das lokale Arbeitsrecht, Datenschutz, Sozialleistungen, Lohnsteuer. Arbeitet jemand mehr als 183 Tage im Jahr in einem anderen Land, greift beispielsweise die Lohnsteuerpflicht nicht mehr in Deutschland, sondern im Land der Workation.

„Die rechtlichen Regelungen für Remote Work aus dem Ausland sind leider immer noch sehr komplex. Bitkom fordert hier weniger Bürokratie und mehr Gestaltungsspielraum für Arbeitgeber“, sagt Lydia Erdmann, Referentin Arbeitsrecht beim Digitalverband Bitkom.

Worauf bei Remote Work aus dem Ausland geachtet werden muss, hat der Bitkom in einem Leitfaden zusammengefasst.

Neuer Versicherungstarif für Mitarbeitende im Ausland

Für Arbeitgeber gilt es auch, die Mitarbeitenden richtig abzusichern. Doch Reiseversicherungen sicherten bisher dienstliche oder touristische Reisen ab, aber nicht die Kombination aus beidem. Die HanseMerkur hat diese Lücke mit dem neuen Tarif „Workation“ für längere Auslandsaufenthalte geschlossen.

Dieser richtet sich an Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit der Workation im Ausland geben und sie umfassend absichern möchten. Der Arbeitgeber schließt hierzu einen Gruppenvertrag mit der HanseMerkur ab, in dem er alle Workation-Arbeitnehmer anmelden kann. Im Rahmen des Tarifs ist eine maximale Dauer des Auslandsaufenthalts von 184 Tagen pro Jahr möglich; Angestellte und deren Angehörige sind bis zum 67. Lebensjahr versicherbar. Die Prämie wird tag-genau abgerechnet. Der Arbeitgeber kann selbst festlegen, ob diese durch das Unternehmen oder die Mitarbeitenden bezahlt wird.