Zunächst einmal ist die Einführung neuer digitaler Arbeitsmethoden für Beschäftigte vor allem eines: Stress. Um sechs Prozent steigt das Stresslevel bei Angestellten, wenn der gewohnte Büroalltag plötzlich wegfällt und stattdessen Homeoffice, Kollaborationssoftware und virtuelle Meetings die neue Normalität bestimmen.
Doch lange hält dieses Gefühl des gestresst seins nicht an: Nach einer gewissen Eingewöhnungsphase fällt das Stresslevel um 14 Prozent. Kommen digitale Arbeitsmethoden zum Einsatz, geht es Arbeitnehmenden langfristig also besser als in der alten analogeren Arbeitswelt. Das zeigen die neuesten Ergebnisse der Studie „social work@health“.
Männern fällt räumliche Abgrenzung leichter
An dieser Langzeitstudie der Krankenkasse BARMER und der Universität St. Gallen nehmen etwa 8.000 Erwerbstätige über dreieinhalb Jahre teil. Ziel ist es herauszufinden, welche Auswirkungen die Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt auf das Wohlbefinden der Beschäftigten hat. Im Fokus der Untersuchung steht die soziale Gesundheit der Teilnehmenden, welche ergänzend zur physischen und psychischen Gesundheit steht.
Die neuesten Studienergebnisse zeigen unter anderem, dass Männern die räumliche Abgrenzung von Arbeitsplatz und privatem Umfeld deutlich besser gelingt als Frauen. „Frauen müssen immer noch häufiger den Spagat zwischen Familie und Karriere leisten. Das kann das ungestörte Arbeiten im Homeoffice enorm erschweren“, sagt Professor Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER.
Bei der zeitlichen Abgrenzung hingegen konnten keine gravierenden Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt werden. Bei diesem Thema sieht Stephan A. Böhm, Professor für Diversity Management und Leadership an der Universität St. Gallen, aber die Arbeitgeber in der Pflicht: „Unternehmen müssen ganz klar kommunizieren, dass Abgrenzung gewünscht ist.“ Es muss beispielsweise Regeln geben, zu welchen Zeiten eine Erreichbarkeit sichergestellt und eingehende E-Mails beantwortet werden müssen.
Grenzmanagement und Inklusion fördern die soziale Gesundheit
Zudem ließ sich im Zuge der neuen Befragungswelle zum ersten Mal ein Zusammenhang zwischen gutem Grenzmanagement und sozialer Gesundheit belegen: „Wir konnten weltweit erstmals beweisen, dass gutes Grenzmanagement beim mobilen Arbeiten zu einer verbesserten Arbeitsfähigkeit führt“, sagt Böhm.
In einem Bereich sieht er bei deutschen Unternehmen noch besonders großen Nachholbedarf: der Inklusion. Gemeint ist damit an dieser Stelle das Teamgefühl. „Inklusion spielt eine wichtige Rolle in Unternehmen und hat einen großen Einfluss auf die soziale Gesundheit der Mitarbeiter. Dafür wird das Thema allerdings nicht stark genug behandelt“, betont Böhm.
Bei der Chancengleichheit und beruflichen Perspektiven beispielsweise sind insbesondere geschlechtliche Unterschiede aufgefallen. Oft fühlen sich Frauen ungerechter behandelt als Männer. Um das zu verhindern, appelliert Böhm an Führungskräfte, sie müssten regelmäßig und offen mit ihren Mitarbeitenden kommunizieren.
Besonders großen Einfluss auf die soziale Gesundheit der Mitarbeitenden hat damit also vor allem ein Aspekt: Wie ausgeprägt ist die virtuelle Führungskompetenz der oder des Vorgesetzten? Denn die Studie „social health@work“ zeigt: Gute virtuelle Führung kann beim mobilen Arbeiten zu einer Verbesserung der Teamidentität führen und dadurch auch zu besserer sozialer Gesundheit.