Es ist der sogenannte Proximity Bias, den Arbeitnehmende in der hybriden Arbeitswelt am meisten fürchten. Gemeint ist die Angst davor, dass Führungskräfte diejenigen bevorzugen, die mehr Präsenz im Büro zeigen als andere. Das geht aus dem neuen Pulse-Survey des Future Forum hervor.
Der Thinktank Future Forum – gegründet vom Softwareanbieter Slack, der Beratung Boston Consulting Group, der Managementberatung MLT und dem Möbelhersteller MillerKnoll – unterstützt Unternehmen dabei, die neue Arbeitswelt aktiv mitzugestalten und sich zu transformieren.
Führungskräfte verbringen besonders viel Zeit im Büro
Vom Proximity Bias am stärksten betroffen sind Frauen und Eltern. Denn weltweit sind mehr Frauen (33 Prozent) als Männer (27 Prozent) primär remote tätig. Und auch berufstätige Väter und Mütter entscheiden sich ebenfalls häufiger fürs Homeoffice als kinderlose Arbeitnehmende (75 Prozent versus 63 Prozent).
Besonders oft im Büro anwesend sind dagegen Führungskräfte: 71 Prozent gaben im Pulse-Survey an, dass sie derzeit drei oder mehr Tage pro Woche ins Büro kommen. Und selbst die Chefs, die noch komplett remote arbeiten, planen häufiger als Angestellte ohne Führungsverantwortung, für mindestens drei Tage wöchentlich an ihren alten Schreibtisch im Büro zurückzukehren (75 Prozent versus 37 Prozent).
Maßnahmen gegen den Proximity Bias
Eine Erkenntnis des Future Forum, die primär remote arbeitende Angestellte vielleicht etwas beruhigen wird: Ein Vergleich mit den letzten Pulse-Surveys – die Umfrage findet vierteljährlich statt – zeigt, dass bei Führungskräften ein Lerneffekt festzustellen ist. Denn 41 Prozent der Chefs sind sich der Gefahr des Proximity Bias inzwischen bewusst. Und: Sie haben selbst Sorge davor, dass sie Angestellte, die sie besonders oft persönlich sehen, bevorzugen könnten.
„Es ist entscheidend, dass wir die Vorurteile gegenüber neuen Arbeitsmodellen ausräumen, um Chancengleichheit zu gewährleisten“, sagt Brian Elliott, Vice President des Future Forum. Dafür müssten Führungskräfte allerdings aus eigenem Antrieb aktiv werden und die passenden Rahmenbedingungen im Betrieb schaffen. „Im Arbeitsalltag kann das etwa bedeuten, dass sie selbst ein hybrides Arbeitsmodell vorleben, indem sie nur eine begrenzte Anzahl an Tagen ins Büro kommen. Zusätzlich können auch Richtlinien helfen wie beispielsweise Besprechungen komplett digital stattfinden zu lassen, sobald eine Person nicht im Büro ist“, empfiehlt Elliott.
Virtuelle Meetings sind immer noch herausfordernd
Doch gerade mit Letzterem – den virtuellen Meetings – stehen Beschäftigte auch nach zwei Jahren Pandemie noch auf Kriegsfuß, wie eine europaweite Studie des Elektronikkonzerns Sharp zeigt. Befragt wurden 6.000 Büroangestellte in kleinen und mittleren Unternehmen. Die zentralen Ergebnisse:
- 49 Prozent der Befragten empfinden die Videokonferenz-Plattformen insgesamt als frustrierend und ziehen trotz anhaltender Pandemie persönliche Besprechungen vor
- 53 Prozent tun sich schwerer damit, bei Remote-Meetings konzentriert zu bleiben
- 22 Prozent glauben, dass die Kommunikation erschwert wird, wenn ein Teil der Kollegen im Büro und andere im Homeoffice arbeiten
- 17 Prozent finden, dass hybride Meeting die Entwicklung von Ideen und die Kreativität beeinträchtigen – auch weil spontane Brainstormings erschwert werden
- 16 Prozent tun sich schwer damit, zielführende Besprechungen abzuhalten
„Die Ergebnisse aus der Studie von Sharp belegen, wie wichtig es ist, die Menschen einerseits bei der optimalen Verwendung von Videokonferenztechnologie durch Schulungen zu unterstützen“, sagt der Arbeitspsychologe Dr. Nigel Oseland. „Andererseits müssen Meetings in Zukunft noch interaktiver gestaltet werden, um insbesondere die virtuell zugeschalteten Teilnehmer stärker einzubinden und kreative Denkprozesse zu unterstützen. Dadurch erhöht sich das Engagement auch über die Distanz.“
Hybrid Work wird nicht verschwinden
Denn klar ist: Hybrid Work wird ein essenzieller Teil des New Normal bleiben. Obwohl nicht alles immer rund läuft in der schönen neuen Arbeitswelt, gaben im Pulse-Survey des Future Forum mehr als zwei Drittel der Befragten weltweit an, dass sie ein hybrides Arbeitsumfeld bevorzugen – in Deutschland sind es gar 81 Prozent. Nahezu alle deutschen Befragten möchten ihre Arbeitszeit zudem flexibel einteilen können.
Und wenn ein Arbeitgeber diesem Wunsch nach Agilität nicht nachkommt? Dann sind 55 Prozent der Arbeitnehmenden hierzulande bereit zu kündigen. „Es geht nicht mehr nur um die Debatte ‚Remote versus Office‘“, sagt Brian Elliott vom Future Forum. „Die Zukunft der Arbeit ist nicht ‚entweder – oder‘, sondern muss beide Modelle berücksichtigen.“ Und das heißt im Umkehrschluss: Wer Hybrid Work nach der Pandemie wieder abschafft, hat den War for Talents schon jetzt haushoch verloren.