Reinhild Fürstenberg über mentale Gesundheit
„Führungskräfte sind keine Minipsychologen“
Wer privat Sorgen und Probleme hat, ist auch im Job mitunter nicht voll bei der Sache und in der Folge weniger produktiv. Reinhild Fürstenberg, Gründerin des Fürstenberg Instituts, erklärt, was Führungskräfte tun können, wenn sie Veränderungen bei Angestellten wahrnehmen.
Reinhild Fürstenberg
Die diplomierte Gesundheitswissenschaftlerin, Familientherapeutin und systemische Beraterin gründete 1989 mit ihrem Mann Werner das Fürstenberg Institut. Es unterstützt Unternehmen dabei, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Angestellten zu verbessern
Woran können Arbeitgebende erkennen, dass es um die mentale Gesundheit eines Angestellten nicht gut bestellt ist?
Reinhild Fürstenberg: Aufgrund eigener Erfahrungen können Führungskräfte Warnsignale relativ schnell erkennen. Und zwar immer dann, wenn sie wahrnehmen, dass jemand anders ist als sonst und dieser Zustand länger als zwei Wochen anhält. Das Anderssein kann sich auf das persönliche und gesundheitliche Verhalten, aber auch auf das Leistungs- und Sozialverhalten beziehen. So kann es sein, dass die Person niedergeschlagen, zurückgezogen, wenig kraftvoll oder nervös und unruhig wirkt, dass es häufiger Fehler gibt oder die Betroffenen öfter krank sind als sonst.
Welche Folgen kann es für ein Unternehmen haben, wenn Führungskräfte mentale Probleme als Nichtigkeit abtun und nicht ernst nehmen?
Fürstenberg: Wenn Führungskräfte die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden nicht ernst nehmen und diese nicht unterstützen, verselbstständigen beziehungsweise potenzieren sich Probleme. Und oft nicht nur die der Betroffenen, sondern auch die des Teams, das dann häufig Mehrarbeit leisten muss. Motivation und Bindung zum Unternehmen sinken. Oft führt das vermehrt zu Krankschreibungen und am Ende sogar zu innerlichen wie letztlich realen Kündigungen.
Welche Fehler machen Führungskräfte im Umgang mit mental belasteten Angestellten besonders oft?
Fürstenberg: Viele Führungskräfte warten zu lange, bis sie mit psychisch belasteten Mitarbeitenden ein Gespräch führen. Denn sie wissen oft nicht, wie sie solche Gespräche angehen sollen. Auch über Arbeitsthemen wird mit betroffenen Mitarbeitenden weniger gesprochen, weil Führungskräfte sie nicht noch mehr belasten wollen. So kommt es zu unterschwelligen Konflikten im Team. Oft unterschätzen Führungskräfte dabei ihren Einfluss auf Mitarbeitende durch eine Ansprache – der ist oft stärker als der von Familie oder Freunden. Eine wirksame Unterstützung für Führungskräfte sind Coachings zum Umgang mit Einzelfällen und Qualifizierungen zum Umgang mit psychisch belasteten Mitarbeitenden und zu gesunder Führung.
Ob es um die physische oder die mentale Gesundheit geht: Private Probleme legt im Arbeitskontext niemand gern offen – schon gar nicht dem Chef gegenüber. Wie muss also das Arbeitsumfeld gestaltet sein, damit Angestellte sich Vorgesetzten gegenüber öffnen können, ohne etwa Angst haben zu müssen, dass ihnen diese Offenheit beruflich auf Dauer schadet?
Fürstenberg: Einerseits ist es natürlich gut, wenn Mitarbeitende sich trauen, Probleme anzusprechen. Andererseits sind Führungskräfte keine „Minipsychologen“. Deshalb ist es gar nicht empfehlenswert, wenn sie zu stark in persönliche Themen eines Mitarbeitenden einsteigen. Abhilfe schaffen externe Anlaufstellen. Dabei ist wichtig, dass alle in ihren Rollen bleiben: Mitarbeitende, Führungskräfte, Unternehmen. Dann besteht eine gute Chance, dass Herausforderungen nachhaltig gemeistert werden können. Als Führungskraft an den Belangen der Angestellten konsequent dranzubleiben, aber im Einzelfall ein bisschen Geduld zu haben ist ein einfacher, aber wirkungsvoller Rat.
Wie kann Unterstützung für mental belastete Angestellte vonseiten des Arbeitgebers aussehen?
Fürstenberg: Mit dieser Frage haben sich mein Mann und ich vor 33 Jahren beschäftigt, da es keine ausreichenden Hilfsangebote für mental belastete Mitarbeitende gab. So entstand die externe Mitarbeiter- und Führungskräfteberatung. Auf individueller Ebene sind externe Anlaufstellen, an die sich die Belegschaft jederzeit mit beruflichen und privaten Themen wenden kann, eine effektive Hilfe für alle Seiten. Wichtig bei der Unterstützung durch Unternehmen ist zudem, dass diese gesunde Rahmenbedingungen schaffen und Führungskräfte schulen. Zu den Rahmenbedingungen gehören auch die gesetzlich verpflichtende Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen oder das Betriebliche Eingliederungsmanagement.
Redakteurin
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