Dauerhaft zurück ins Büro? Das wollen nur die wenigsten Beschäftigten in Deutschland. Laut einer Befragung der Universität Konstanz möchten künftig lediglich zwölf Prozent täglich in den Unternehmensräumen arbeiten; 21 Prozent präferieren dauerhaft das Homeoffice. Und alle anderen? Plädieren für hybrides Arbeiten – also zwei, drei Tage daheim bleiben, den Rest der Zeit im Büro arbeiten.
Homeoffice ab 20. März nicht mehr verpflichtend
Ab dem 20. März können Arbeitgebende wieder frei entscheiden, ob sie ihre Mitarbeitenden zur dauerhaften Präsenz im Betrieb verpflichten oder weiterhin flexible Arbeitsmodelle anbieten. Denn dann läuft ein Großteil der im Infektionsschutzgesetz geregelten Coronaschutzmaßnahmen aus.
Konkret bedeutet das: Wer mit dem Arbeitgebenden nicht explizit eine Vereinbarung zur weiteren Arbeit im Homeoffice getroffen hat, muss zwingend am 20. März an den alten Arbeitsplatz zurückkehren. Die Befürchtung, man könne sich auf dem Arbeitsweg oder im Betrieb mit Corona infizieren, reicht nicht aus, um weiterhin von Zuhause aus zu arbeiten. Dass es trotz Schutzmaßnahmen wie dem Einhalten der AHA-Regel zu einer Infektion kommen kann, gilt juristisch betrachtet als „allgemeines Lebensrisiko“. Lediglich bei Personen, die einer Risikogruppe angehören, gebietet es die Fürsorgepflicht des Arbeitgebenden, ihnen weiterhin die Arbeit im Homeoffice zu gewähren.
Wer Präsenz fordert, verliert den War for Talents
Joachim Pawlik, CEO der Beratung PAWLIK Consultants, rät allerdings von einer Präsenzpflicht ganz klar ab: „Rund 30 Prozent der Beschäftigten haben über Monate im Homeoffice gearbeitet. Diese Freiheit lassen sich viele Arbeitnehmer nicht mehr nehmen. Das Gebot der Stunde lautet: Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitern vertrauen. Diese zahlen es doppelt zurück.“
Und in kleinen und mittleren Unternehmen scheint dieses Vertrauen in die Angestellten durchaus vorhanden zu sein. Eine Studie des Ludwigshafener Instituts für Management und Innovation zeigt, dass auch die Mehrheit der Arbeitgeber nicht mehr in die Zeit vor der Pandemie zurückkehren will. Stattdessen betrachten die meisten zwei bis vier Tage Homeoffice in der Woche künftig als ideal.
71 Prozent der Arbeitgebenden sehen darin eine Möglichkeit, die Zufriedenheit der Angestellten zu erhöhen. Und 65 Prozent erhoffen sich durch hybride Arbeitsmodelle mit großer Flexibilität Vorteile im War for Talents.
Homeoffice – oder ein höheres Gehalt?
Eine zu strikte Präsenzpflicht und Überregulierung sind für Bewerber nicht mehr attraktiv“, sagt Andreas Kaufmann. Er berät bei PAWLIK Consultants Unternehmen bei der Umsetzung des hybriden Arbeiten – und er stellt bereits seit geraumer Zeit fest, dass Unternehmen wesentlich mehr Bewerbungen erhalten, wenn sie ein gewisses Maß an Flexibilität in Aussicht stellen.
Wirtschaftswissenschaftler Nicholas Bloom, Professor an der Stanford University, kann diese subjektive Beobachtung auch mit Zahlen untermauern. Er hat in der Pandemie mehr als 30.000 US-Amerikaner zum Remote-Work-Trend befragt. Das Ergebnis: 40 Prozent aller Beschäftigten würden sich aktiv nach einem neuen Job umschauen, wenn sie Vollzeit zurück ins Büro müssten.
Bloom hat dem Privileg, von zu Hause aus zu arbeiten, auch einen Wert gegeben: Zwei Tage Homeoffice pro Woche sind nach seinen Berechnungen in etwa gleichzusetzen mit einer Gehaltserhöhung von sieben bis acht Prozent. Und folglich empfiehlt er Arbeitgebenden: Können Beschäftigte – etwa Pflegekräfte, Supermarktangestellte oder Produktionsmitarbeitende – aufgrund ihrer Tätigkeit nicht in den eigenen vier Wänden arbeiten, sollten sie zur Kompensation entsprechend mehr verdienen als diejenigen, die problemlos daheim tätig sein können.
Schadet die hybride Arbeitswelt der Gleichberechtigung?
Nun zeigt eine Studie des Karrierenetzwerks LinkedIn allerdings erneut, was bereits zu Beginn der Pandemie immer mal wieder diskutiert wurde: Nicht alle profitieren gleichermaßen von der schönen neuen hybriden Arbeitswelt. Frauen sind langfristig im Nachteil.
So gehen 56 Prozent der von LinkedIn befragten Personalverantwortlichen davon aus, dass nach Abschaffung der Homeoffice-Pflicht mehr Männer zurück ins Büro gehen werden. Frauen dagegen würden auch dann weiterhin bevorzugt im Homeoffice bleiben, um sich nebenbei um Haushalt und Kinder kümmern zu können.
Die Folge: Frauen zeigen weniger Präsenz im Betrieb, sind für Führungskräfte also weniger sichtbar – und haben damit geringere Chancen auf eine Beförderung. Schon vor Corona hatte der Ökonom Bloom in einem Experiment in China beobachtet, dass Mitarbeitende im Homeoffice öfter „vergessen“ werden als ihre Kollegen, die regelmäßig ins Büro kommen.
Homeoffice-Pflicht förderte den Proximity Bias
Entgegenwirken können dem nur Führungskräfte, die sich des sogenannten Proximity Bias auch bewusst sind. Proximity Bias bedeutet, dass Führungskräfte diejenigen bevorzugen, die mehr Präsenz im Büro zeigen als andere. Und davon am stärksten betroffen sind nun einmal besonders Frauen und Eltern, da diese überdurchschnittlich oft remote arbeiten, wie der Pulse-Survey des Future Forum zeigt.
„Derzeit beobachten wir mit Sorge, dass vor allem Frauen weiterhin die Möglichkeiten des flexiblen Arbeitens – sei es in Form des Homeoffice oder der Teilzeit – nutzen möchten“, erklärt LinkedIn-Deutschlandchefin Barbara Wittmann. „Sollte sich dieser Trend verfestigen, dann drohen uns eine Retraditionalisierung und ein Zurückfallen in alte Rollenbilder. Dann schaffen wir keine modernere Arbeitswelt, sondern eine, in der es Frauen noch schwerer gemacht wird, Chancengleichheit zu erlangen.“
Kommt nach der Homeoffice-Pflicht das Recht auf Homeoffice?
Welche Schlüsse die Politik langfristig aus dem laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) „coronabedingten ungeplanten Großversuch zum Homeoffice“ ziehen wird, ist noch offen. Im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen ist – eher unkonkret – davon die Rede, dass „Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice“ erhalten sollen.
Von einem eventuellen Rechtsanspruch auf Homeoffice hält allerdings Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), gar nichts: „New Work ist hybrid und hat flexible Arbeitszeiten. Da passen starre Gesetzgebungen wie ein Anspruch auf Homeoffice nicht mehr rein. Wir müssen endlich im 21. Jahrhundert ankommen.“