Arbeitszeit reduzieren statt zu Terminen zu hetzen
27.01.2022    Madeline Sieland
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Es war damals ein Novum: 2015 weitete die Stadtverwaltung von Göteborg das Recht auf Teilzeitarbeit auf alle Beschäftigten aus. Bis dahin galt diese Regelung lediglich für Studenten und die Eltern kleiner Kinder. Doch nun sollte der Grund für den Wunsch nach Teilzeitarbeit keine Rolle mehr spielen. Jeder, der es wollte, durfte seine Arbeitszeit verkürzen.

Arbeitszeit reduzieren gilt in Schweden als „normwidriges Verhalten“

Freiwillig die Arbeitszeit reduzieren – das ist eine Entscheidung, die in Schweden nicht überall gerne gesehen wird: „Die 40-Stunden-Woche, die vor 50 Jahren als Standardarbeitszeit eingeführt wurde, ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt. Die Entscheidung, weniger zu arbeiten, wird als ein normwidriges Verhalten angesehen“, sagt Jörgen Larsson.

Larsson leitete ein multidisziplinäres Forscherteam, dass sich in einer wissenschaftlichen Studie mit den Folgen dieser Entscheidung für Beschäftigte sowie für Führungskräfte befasst hat. Beteiligt waren neben der Chalmers University of Technology, für die Larsson tätig ist, auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University of Gothenburg sowie des KTH Royal Institute of Technology.

Befragt wurden 1.000 Beschäftigte der Stadt Göteburg, die einen Vollzeitvertrag hatten, sich aber trotz des geringeren Gehalts für die reduzierte Arbeitszeit entschieden hatten. Und einige Erkenntnisse aus den Gesprächen waren für das Forscherteam durchaus überraschend.

Erfahrungen mit Teilzeitarbeit insgesamt sehr positiv

Zwar berichteten einige Teilnehmer über Stress aufgrund von finanziellen Sorgen. Doch insgesamt sprach die große Mehrheit von einem gesteigerten Wohlbefinden aufgrund einer besseren Work-Life-Balance. Auch der Gesundheitszustand der Beschäftigten war besser.

„Wir waren überrascht, dass auch die Manager Teilzeitarbeit so positiv sehen. Im Wesentlichen waren sie der Ansicht, dass das, was gut für den Arbeitnehmer ist, auch gut für das Unternehmen ist“, sagt Larsson.

Aus Sicht der Führungskräfte vor allem zwei Vorteile, wenn Beschäftigte die Arbeitszeit reduzieren:

  • das Risiko von krankheitsbedingten Ausfällen ist gesunken
  • die Mitarbeiterbindung hat sich verbessert

Entscheidung für Teilzeit fiel nicht immer freiwillig

Eines der Hauptziele des Projekts war es, die Gründe für die Entscheidung für eine reduzierte Arbeitszeit zu ermitteln.

„Der häufigste Grund war, dass die Vollzeitbeschäftigung geistig oder körperlich zu anstrengend war. Viele hatten einen anspruchsvollen Job und waren zugleich bei schlechter Gesundheit, sodass sie das Gefühl hatten, ihre Arbeitszeit reduzieren zu müssen“, sagt Larsson. Er spricht in diesem Zusammenhang von unfreiwilliger Teilzeitarbeit.

Larsson empfiehlt: Damit sich niemand aufgrund gesundheitlicher Probleme zu einer Tätigkeit in Teilzeit gezwungen sehe, müsse das Arbeitsumfeld generell verbessert und individuell an die Anforderungen der Beschäftigten angepasst werden.

Die Minderheit der Befragten hat die Arbeitszeit freiwillig reduziert – primär, weil sie sich eine bessere Zeitautonomie wünschten. Ihnen war mehr Freiheit bei der Gestaltung ihres Alltags und ihrer Freizeit wichtiger als ein höheres Gehalt.

Ein Studienergebnis war für das schwedische Forscherteam ganz besonders überraschend: Personen, die ihre Arbeitszeit reduzieren, legen mehr Wert auf einen nachhaltigen Lebensstil.

27.01.2022    Madeline Sieland
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