Interviewreihe

„Unternehmen müssen den Mut haben, ihre Strukturen zu überdenken“

In unserem Interview-Format „Hype oder Revolution? New Work im Expertencheck“ fragen wir regelmäßig hochkarätige HR-Expertinnen oder Experten zu den aktuellen Entwicklungen in der Personalentwicklung- und gewinnung. Eine davon ist Bianka Stein. Sie ist HR-Managerin bei der JDB Holding GmbH in Hamburg.

Drei Personen, die in einem Konferenzraum sitzen, in dem eine weitere Person per Videocall zugeschaltet ist, als Symbol für New Work

31.01.2025

DUP UNTERNEHMER: Ist New Work für Sie mehr Hype oder echte Revolution?

Bianka Stein: New Work ist definitiv mehr als nur ein Hype – es ist eine echte Revolution, vor allem für die Generation Z, die völlig andere Erwartungen an die Arbeitswelt hat als frühere Generationen. Unsere Welt ist schnelllebig, digital und dynamisch. Warum sollte die Arbeitswelt da starr und unflexibel bleiben? Die Gen Z sucht nach Sinnhaftigkeit, Flexibilität und einem Arbeitsplatz, der sich an die Realität des Lebens anpasst, nicht umgekehrt. Dabei geht es nicht nur um coole Offices mit Tischkicker oder Homeoffice-Regelungen, sondern um echte Werte wie Transparenz, Vertrauen und Eigenverantwortung.
Für Unternehmen bedeutet das, agil zu bleiben, auf Augenhöhe mit jungen Talenten zu kommunizieren und bereit zu sein, sich immer wieder neu zu erfinden. New Work fordert Unternehmen heraus, sich weiterzuentwickeln – und das ist genau das, was unsere Zeit braucht.

Haben Sie das Gefühl, dass Flexibilität im Job wirklich mehr Freiheit bringt – oder nur zusätzlichen Druck?

Stein: Es kommt darauf an, wie sie gelebt wird. Flexibilität kann ein absoluter Gamechanger sein, oder zum heimlichen Stressfaktor werden. Wenn Flexibilität richtig gelebt wird, gibt es mehr Raum für Familie, Freunde und Hobbys, statt ständig zwischen Meetings und Privatleben jonglieren zu müssen. Wenn es falsch läuft, sind Arbeitskräfte plötzlich immer erreichbar, weil "flexibel" oft als "ständig verfügbar" missverstanden wird. Ohne klare Strukturen kann es schwer sein, sich abzugrenzen. Homeoffice wird dann zur Endlosschleife.
Flexibilität kann sowohl Freiheit als auch Druck bedeuten. Entscheidend ist eine gesunde Unternehmenskultur mit klaren Regeln, die Mitarbeitende unterstützt, flexibel zu arbeiten, ohne dabei überfordert zu werden.

Würden Sie sagen, dass New Work eher den Unternehmen oder den Mitarbeitenden nützt?

Stein: New Work ist dann erfolgreich, wenn eine Win-Win-Situation entsteht, in der sowohl Unternehmen als auch Mitarbeitende profitieren. Ohne klare Strukturen kann es jedoch zu Überforderung oder ungleicher Verteilung der Vorteile kommen. Letztlich sind die besten Ergebnisse dann zu erwarten, wenn beide Seiten auf Augenhöhe miteinander arbeiten. Die Unternehmen müssen den Mut haben, ihre Strukturen zu überdenken und den Beschäftigten Vertrauen entgegenzubringen, während diese Verantwortung für ihren eigenen Arbeitsstil und ihre Ergebnisse übernehmen. New Work ist also nicht nur ein Konzept, sondern eine Einladung an beide Seiten, eine moderne, faire und effektive Arbeitswelt zu gestalten.

Glauben Sie, dass sich durch New Work die klassische Karriereleiter überlebt hat?

Stein: Die klassische Karriereleiter hat sich durch New Work stark verändert, aber nicht komplett überlebt. Statt eines starren Aufstiegs (vom Junior zum Senior bis zur Führungskraft) gibt es heute flexiblere und individuelle Karrierewege.
In der Welt von New Work dreht sich vielmehr um individuelle Entwicklung und Selbstverwirklichung als um einen festen Titel oder eine höhere Position. Hier geht es weniger darum, immer mehr Verantwortung zu übernehmen, sondern vielmehr darum, die eigene Arbeit mit Leidenschaft zu erfüllen, kreative Freiräume zu nutzen und sich selbst kontinuierlich weiterzubilden. Nicht zwingend in einem klassischen Aufstiegsmodell, sondern eher durch horizontale Bewegungen und die Entwicklung von neuen Fähigkeiten.
Viele Mitarbeitende wollen nicht mehr nur „mehr“ verdienen oder ein höheres Büro bekommen, sondern suchen nach einer tieferen Sinnhaftigkeit und einer besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Leben. Sie möchten in Projekten arbeiten, die sie inspirieren, und sich in Bereichen entwickeln, die ihre Interessen wecken.
Das bedeutet aber nicht, dass Karriere überhaupt keine Rolle mehr spielt. Vielmehr hat sich die Form von Karriere verändert. Es geht um fließendere, selbstbestimmte Karrierewege, in denen Menschen ihre Stärken entdecken, auf verschiedenen Ebenen wachsen und sich nicht zwingend nach einem festen, traditionellen Karriereplan richten müssen.

Welche New-Work-Idee würden Sie sofort abschaffen, wenn Sie könnten?

Stein: Eine New-Work-Idee, die ich abschaffen würde, ist die „ständige Erreichbarkeit“ als Zeichen von Flexibilität. Die Idee, dass Mitarbeitende ständig erreichbar sein müssen, sei es per E-Mail, Messaging-Apps oder durch flexibles Arbeiten außerhalb der „normalen“ Arbeitszeiten, ist meiner Meinung nach ein gefährlicher Trend, der das eigentliche Ziel von New Work verfehlt.
New Work sollte Freiräume für Kreativität, persönliche Entwicklung und echte Work-Life-Balance schaffen, aber dieser permanente Druck, immer „online“ zu sein, führt oft zu Überlastung und dem Gefühl, nie wirklich abschalten zu können. Es entstehen fast unsichtbare Barrieren zwischen Arbeit und Privatleben und das kann langfristig zu Erschöpfung und Frustration führen.

Bianka Stein

ist HR-Managerin bei der JDB Holding GmbH in Hamburg, in der sie die strategische und operative Personalentwicklung steuert. Dabei fokussiert sie sich auf die Förderung von Talenten, bringt neue Impulse in die Unternehmenskultur ein und gestaltet Zukunftsthemen aktiv mit.