Selbstbestimmt soll Arbeit sein, persönliche Freiheiten bieten. Und man solle ausschließlich der Arbeit nachgehen, die man wirklich machen will. Das waren ursprünglich die zentralen Punkte von New Work – einem Konzept, das der kürzlich verstorbene österreichisch-amerikanische Philosoph Frithjof Bergmann Ende der 1970er-Jahre entwickelte.
In der unternehmerischen Praxis wird New Work heute anders – sprich: deutlich weniger radikal – als in Bergmanns Vision ausgelegt. Denn um das „Wollen“ oder eben „Nichtwollen“ geht es dabei nicht. Der Begriff New Work bezeichnet inzwischen die Art und Weise, wie Menschen in einer zunehmend digitalisierten Welt zusammenarbeiten, wie die Arbeitsumgebung gestaltet ist und welche Führungsstruktur besteht. In der Praxis heißt das meist, Arbeitsort und Arbeitszeit können – halbwegs – flexibel an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden; Hierarchien sind flach, um Entscheidungswege zu verkürzen und den Mitarbeitenden eigenverantwortliches Arbeiten zu ermöglichen.
New Work – der neue Standard
Spätestens seit Beginn der Coronapandemie wird das Konzept breit diskutiert. „New-Work-Projekte haben während der Pandemie ihre Effizienz bewiesen – für Konsumenten, Mitarbeiter und Unternehmen“, sagt Professor Peter Wippermann, New-Work-Experte und Gründer der Trendforschungsagentur Trendbüro. „New Work wird im Next Normal zum Standard.“ Es gelte: mehr Flexibilität, mehr Mitarbeiterzufriedenheit, mehr kollaborative Software, mehr Erfolg.
Um einen Eindruck vom Status quo der neuen Art der Arbeit im Finanzdienstleistungsbereich zu bekommen, hat das Deutsche Institut für Service-Qualität (DISQ) in Kooperation mit der Plattform DUP UNTERNEHMER New-Work-Angebote und -Projekte unter die Lupe genommen. Bewertet wurden diese im Hinblick auf
- den Innovationsgrad der Maßnahmen,
- den Nutzen für das Unternehmen,
- den Nutzen für Mitarbeitende und
- die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Angebot die Attraktivität des Arbeitgebers insgesamt steigert.
„Das Ziel der umfangreichen Erhebung war es, die Arbeitgeber der Zukunft zu finden, die sich im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter durch umfassende New-Work-Services und innovative Konzepte in der Mitarbeitergewinnung und -bindung auszeichnen“, sagt Markus Hamer, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts DISQ.
Handlungsspielräume schaffen
Ein zentrales Ergebnis der Erhebung: Angebote wie Homeoffice, flexible Arbeitszeitgestaltung, betriebliche Altersvorsorge oder regelmäßige Fortbildungen sind im Finanzdienstleistungssektor selbstverständlich. Sogar gut die Hälfte der Unternehmen bietet Dienstfahrräder an, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine nachhaltigere Mobilität zu ermöglichen.
Und wie sieht es abseits solcher Angebote aus, die Angestellte direkt in Anspruch nehmen können? Ein Blick auf Führungsverhalten und Strukturen zeigt: Rund 80 Prozent der Unternehmen stärken die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden und geben ihnen entsprechende Handlungsspielräume; knapp 80 Prozent fördern das abteilungsübergreifende Teamwork.
Wer hat die Jury besonders überzeugt?
Elf Unternehmen haben DISQ und DUP am Ende ausgezeichnet (siehe rechts). Drei Unternehmen konnten Jurymitglied Wippermann besonders überzeugen: die Versicherer Axa und DEVK sowie der Finanzvertrieb Dr. Klein.
„Axa hat früh angefangen, das gesamte Unternehmen konsequent auf eine neue agile Arbeitskultur einzustellen, und wurde während der Coronakrise dafür belohnt“, sagt Wippermann. Das Axa-Projekt „New Way of Working“ zeichnet sich durch die gleichzeitige Berücksichtigung der Aspekte Arbeitsumgebung, technische Ausstattung samt kollaborativer Software sowie Kultur und Führungsverhalten aus. Das bedeutet unter anderem, dass es keine Einzelbüros gibt und alle Arbeitsvorgänge weitgehend digitalisiert sind. Messbarer Nutzen entsteht durch Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit, mehr Flexibilität und Nähe zur Führungsebene. Wippermann nennt das Axa-Projekt das „überzeugendste Ergebnis im Test“.
Abschied von Hierarchien
Bei Dr. Klein wurde im ganzen Unternehmen Holakratie eingeführt. In der Praxis heißt das: Hierarchien existieren nicht mehr. Das ermöglicht selbstorganisiertes Arbeiten. „Dr. Klein hat New Work hervorragend genutzt, um die Kunden in den Mittelpunkt aller Projekte zu stellen“, so Wippermann. Denn Ziel der Umstellung auf Holakratie war es auch, noch anpassungsfähiger zu werden, indem Entscheidungsprozesse beschleunigt werden, wodurch man schneller auf sich ändernde Marktbedingungen reagieren sowie mit den Kundenwünschen Schritt halten kann.
„Eine echte Innovation im Rahmen von New Work ist das Modell ‚Zeitspende‘ der DEVK“, betont Wippermann. Das Projekt ermöglicht Arbeitszeitspenden zwischen Mitarbeitenden, um notwendige Freiräume beispielsweise zur Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen zu schaffen. Mitarbeitende, die diese Zeitspende nutzen, können dadurch keine Minusstunden aufbauen; Angestellte, die Zeit spenden, zeigen ein hohes Maß an Solidarität.
New-Work-Studie: Das sind die Sieger
Zwischen Dezember 2020 und April 2021 hat das Deutsche Institut für Service-Qualität 673 Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor zu ihren New-Work-Projekten und -Angeboten befragt. Folgende elf Unternehmen konnten die Jury rund um den New-Work-Experten Peter Wippermann besonders überzeugen.
New Work in der Finanzdienstleistung – Projekte und Angebote*
Preisträger (alphabetisch) | Projektname |
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Axa | New Way of Working (NWoW) |
BNP Paribas | New Ways of Working |
DekaBank | myDekaApp |
DEVK | DEVK-Zeitspende |
DKB Deutsche Kreditbank | FlexWork und Vertrauensarbeitszeit |
Dr. Klein | Einführung von Holakratie im Unternehmen |
Grenke | JOIN GRENKE Onboarding-Projekt |
Hanseatic Bank | Pitch-Methode für übergreifende Themen |
*Ausgezeichnet wurden Unternehmen, deren New-Work-Projekt und New-Work-Angebot mindestens 70,0 Punkte erreicht haben und somit jeweils mindestens im „guten“ Bereich eingeordnet wurden. 100,0 – 80,0 Punkte = sehr gut; 79,9 – 70,0 Punkte = gut; 69,9 – 60,0 Punkte = befriedigend; 59,9 – 40,0 Punkte = ausreichend; 39,9 – 0,0 Punkte = mangelhaft
New Work in der Finanzdienstleistung – Projekte*
Preisträger (alphabetisch) | Projektname |
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LVM | Betriebliches Gesundheitsmanagement für den gesamten Außendienst |
Santander | New Work/Next Normal |
Sparda-Bank Berlin | Projekt Neue Arbeitswelten |
*Ausgezeichnet wurden New-Work-Projekte, die in der Bewertung mindestens 70,0 Punkte erreicht haben und somit mindestens im „guten“ Bereich eingeordnet wurden. 100,0 – 80,0 Punkte = sehr gut; 79,9 – 70,0 Punkte = gut; 69,9 – 60,0 Punkte = befriedigend; 59,9 – 40,0 Punkte = ausreichend; 39,9 – 0,0 Punkte = mangelhaft