Zahnbürsten aus Bambus, Grillwürste aus Tofu – und jeder kennt die „think before you print“-Aufforderung im E-Mail-Abbinder eines Geschäftspartners. Nachhaltigkeit war vor der Coronakrise das Trendthema schlechthin. Doch die ganzheitliche Betrachtung von Nachhaltigkeit in der Wirtschaft aus sozialen, ökologischen und ökonomischen Blickwinkeln scheint coronabedingt aktuell kaum möglich.
Ruhe vor dem Sturm
Keine Frage: Corona ist eine Krise, die ihresgleichen sucht. Noch nie waren so viele Unternehmen in ihrer Existenz gefährdet, nie wurden alte Muster so schnell durchbrochen und die Digitalisierung auf allen Ebenen befeuert. Doch Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx ist sich sicher: „Im Grunde ist das nur die Übungskrise für die Auseinandersetzung mit der Erderwärmung.“ Denn die ganz große Herausforderung läge woanders: im Klimawandel. In einem Interview mit DUB UNTERNEHMER machte der Forscher klar, dass die aktuelle Situation jetzt die Chancen biete, die wir brauchen.
Unternehmen unter Druck
McDonalds verleiht Mitarbeiter temporär an Aldi, Lufthansa stellt Personal mit medizinischen Kenntnissen frei: Viele Unternehmen haben zuletzt direkt, pragmatisch und am akuten Bedarf orientiert gehandelt. Dabei geht die Krisenbewältigung nicht selten auf Kosten des CSR- und Nachhaltigkeitsmanagements. Planungen, etwa für mehr Klimaneutralität der Firmen, werden zurückgestellt. Das schnelle Bekämpfen akuter Probleme scheint wichtiger als langfristige Resilienz. Aber ist das der richtige Weg?
Nachhaltige Unternehmen als Gewinner in Krisen
Nach einer Umfrage von UnternehmensGrün, dem Bundesverband der grünen Wirtschaft, sind an Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmen signifikant krisenfester. „Nachhaltige Unternehmen und Investments sind resilienter gegenüber Krisen, weil sie ihre Risiken langfristiger und entsprechend einer ganzheitlichen Betrachtung von Auswirkungen auf Mensch und Umwelt managen“, betont Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin von UnternehmensGrün.
Einer Umfrage des Verbands zufolge gaben die Unternehmen an, dass sich ihre nachhaltig ausgerichteten Geschäftsmodelle auch in der Krise von Vorteil erweisen. Gleichzeitig herrscht eine große Zuversicht, die Ausnahmesituation erfolgreich zu bewältigen – mehr als 84 Prozent sind sehr zuversichtlich beziehungsweise zuversichtlich, die Herausforderungen der Krise zu meistern.
Per App gegen den Klimawandel
17,5 Millionen Downloads verzeichnet die Corona-Warn-App nach gut zehn Wochen. Die Pandemie hat uns gezeigt: Gesellschaftliche Krisen lassen sich nur dann bewältigen, wenn möglichst viele Menschen mitziehen. Und genau das möchte auch „Klima“ für den Klimaschutz erreichen. Mit der neuen App, die das Berliner Social-Start-up Climate Labs entwickelt hat, kann jeder seinen persönlichen CO₂-Fußabdruck ermitteln und neutralisieren – etwa indem Solaranlagen in der Wüste mitfinanziert werden oder die Aufforstung von Wäldern unterstützt wird. Das würde im Schnitt monatlich nicht mehr als ein Netflix-Abo kosten.
Leben auf Pump
Und unser CO₂-Fußabdruck ist gigantisch. Am 22. August war Erdüberlastungstag. Und das heißt: Alle Ressourcen, welche die Erde innerhalb eines Jahres erneuern kann, sind inzwischen verbraucht. Ab jetzt lebt die Menschheit also über ihre Verhältnisse. Nach Angaben des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung verbrauchen wir aktuell 60 Prozent mehr Ressourcen als zur Verfügung stehen.
Das einzig Gute daran: So spät war der Erdüberlastungstag schon seit 2009 nicht mehr. Corona sei Dank. Denn der Lockdown hat dafür gesorgt, dass der Ressourcenverbrauch knapp zehn Prozent niedriger ist als im Vorjahr. Das Global Footprint Network ging für dieses Jahr ursprünglich vom 22. Juli als Erdüberlastungstag aus.