Portrait Vordenker 2022 Hero Software
03.06.2022
  • Drucken

Zur Person

Dr. Michael Kessler

Der diplomierte und promovierte Wirtschaftsingenieur hat sich bereits zu Studienzeiten für das Thema Energieeffizienz und erneuerbare Energien interessiert. 2018 startete Kessler zusammen mit seinem ehemaligen Kommilitonen, Philipp Lyding, das Projekt HERO Software.

Wie haben sich das Ergebnis und der Umsatz von HERO Software von 2019 bis 2021 entwickelt?

Dr. Michael Kessler: Wir sind in der komfortablen Lage, dass die Digitalisierung im Handwerk erst am Anfang steht, aber derzeit mit Riesenschritten voranschreitet. Das bedeutet, dass noch 98 Prozent aller Handwerksbetriebe on premise mit Legacy-Software arbeiten, also Software, die schon seit Längerem im Einsatz ist und auf eigener oder angemieteter Hardware läuft, was eine Reihe an Nachteilen mit sich bringt. Erst zwei Prozent aller Handwerksbetriebe in Deutschland arbeiten bereits mit cloudbasierter Software, wobei die Tendenz stark steigend ist. Für unser Geschäft bedeutet das, dass es derzeit ausreicht, wenn wir Pull-Marketing betreiben. Die meisten der Anfragen erhalten wir direkt über die Webseite. Dadurch konnten wir in den vergangenen Jahren extrem wachsen: Von 2019 zu 2020 und von 2020 zu 2021 um jeweils 200 Prozent – das ist auch die Zielrichtung für das Jahr 2022.

Durch welche Faktoren wird Ihr Wachstum – neben der geringen Digitalisierung im Handwerk – zusätzlich unterstützt?

Kessler: Der Fachkräftemangel im Handwerk ist immens. Laut dem Zentralverband des deutschen Handwerks sind derzeit deutschlandweit 200.000 Stellen unbesetzt. Gleichzeitig steigt die Anzahl an Bauvorhaben: Im Januar 2022 wurde in Deutschland der Bau von insgesamt 29.951 Wohnungen genehmigt. Das sind nach Zahlen von Destatis 8,3 Prozent oder 2.297 Baugenehmigungen mehr als im Januar 2021. Bei diesem rasanten Anstieg an Aufträgen kommen die Handwerker nicht mehr hinterher. Neben der operativen Arbeit müssen sie auch den zeitaufwändigen Papierkram erledigen: Termine vereinbaren, Angebote schreiben, Rechnungen versenden und den Zahlungseingang nachverfolgen. An dieser Stelle kommen wir ins Spiel. Wir digitalisieren den gesamten Prozess – von der Terminierung über die Bestandsaufnahme vor Ort bis hin zur Rechnungsstellung. Alles steht auf dem Smartphone zur Verfügung – das ist immer dabei und die Nutzung gewohnt. Das bietet dem Handwerk echten Mehrwert, weil sich die Mitarbeiter auf ihre Kernaufgaben fokussieren und so viel effizienter arbeiten können.

Ein weiterer Treiber unseres Wachstums: Zufriedene Kunden empfehlen uns weiter! Das ist unser Erfolgsrezept. Hinzu kommt, dass mein Co-Founder Philipp und ich zuvor die Plattform für energetisches Sanieren, www.energieheld.de, gegründet haben und daher die Bedürfnisse beider Seiten kennen: die der Handwerker und die der Hauseigentümer. Uns ist also auch bewusst, was die Auftraggeber unserer Kunden wünschen, etwa einen schnellen Rückruf oder leicht verständliche und transparente Angebote. Dieses Wissen kommt den Abonnenten unserer Software und auch uns zugute. Eine Win-Win-Win Situation sozusagen.

Wie sieht Ihre Digitalisierungsstrategie aus?

Kessler: Wir haben uns alle Prozesse ganz genau angesehen. Nun versuchen wir, jeden Prozess, der sinnhaft über Integrationen abgebildet werden kann – zum Beispiel Buchhaltung, Lead-Anbieter und DATE –, zu implementieren. Und damit meine ich wirklich jeden Prozess. Ein typisches Beispiel ist die Bestandsaufnahme in einer zu sanierenden Immobilie oder auf einer Baustelle. Instinktiv zücken mittlerweile die meisten Handwerker ihr Handy, um die Räumlichkeiten zu dokumentieren oder Mängel aufzunehmen. Diese Fotos verbleiben jedoch in den meisten Fällen im Fotospeicher des jeweiligen Mitarbeiters oder in Apps, welche die Daten nicht strukturieren. Ist der Kollege dann nach einiger Zeit wieder vor Ort, muss er sich erst einmal komplett neu reindenken. Mit der HERO Software kann man die Fotos ganz einfach hochladen und direkt in der Kundenakte ablegen. So haben alle Beteiligten jederzeit Zugriff darauf. Intern machen wir das übrigens genauso: Jeden wiederkehrenden Prozess bilden wir in einem digitalen Tool ab –das sind inzwischen über 60 verschiedene Lösungen, die über eine zentrale Plattform zusammengeschlossen sind.

Warum ist Ihr Unternehmen bei Kunden beliebt?

Kessler: Laut dem Feedback unserer Kunden schätzen sie vor allem die einfache Benutzeroberfläche und das gesamte Nutzererlebnis, also das User Interface und die User Experience. Unsere Software ist äußert einfach und intuitiv zu bedienen. Da muss niemand erst ein umfangreiches Handbuch lesen oder tagelange Schulungen absolvieren. Wer auch mit dem Import seines Bestandskundenstamms keine Zeit verlieren möchte oder durch veraltete Systeme schwer an diese Daten herankommt, kann diese von uns in die neue Software überführen lassen. Das bieten wir als zusätzliche Serviceleistung an.

Sie sprechen den Service an: Welche Rolle spielt er in Ihrem Business?

Kessler: Eine sehr große. Das fängt schon beim Online-Demo-Termin an, den jeder Besucher unserer Webseite kostenlos vereinbaren kann. Dieser findet immer mit einem unserer Kollegen statt und nie über Bots, denn wir möchten „digitalpersönlich“ und individuell sein. Neben den Software-Paketen und dem oben genannten Datenimport bieten wir weitere Servicedienstleistungen an, unter anderem Onlineschulungen. Was uns stark macht, ist dieser Mix aus einer einfach zu bedienenden Software, die viele Prozesse in nur einer Applikation vereint, und umfangreicher Beratung.

Wir versuchen, soweit es geht, auf individuelle Kundenbedürfnisse einzugehen. Diese werden häufig von unserem Produktteam für Verbesserungen genutzt. Darüber hinaus ist es uns außerordentlich wichtig, die Sprache unserer Kunden zu sprechen. Deshalb verwenden wir keine komplizierten Begriffe und versuchen, alles so einfach und anschaulich wie möglich zu erklären. Regelmäßige Updates für unsere Bestandkunden, zum Beispiel über unseren Blog oder über Social Media, runden die Sache ab.

Darüber hinaus verstehen wir uns als eine kleine Unternehmensberatung, da jeder Handwerker individuelle Einzelprozesse hat, die wir sinnvoll mit den Möglichkeiten von HERO abbilden und dabei – wo immer dies möglich ist – Schritte vereinfachen beziehungsweise beschleunigen.

Was tun Sie, um Ihren Service weiter zu verbessern?

Kessler: Zuerst einmal schauen wir uns die Zahlen genau an. Wir sind datengetrieben, und das ist nicht nur ein Schlagwort. Aussagekräftig ist beispielsweise die Nutzungsdauer der Software. Fällt die Nutzung beispielsweise stark ab, ist das ein Alarmzeichen für den Service, der dann nachfragt: „Ist alles in Ordnung bei euch? Können wir helfen?“ Ein weiteres Stichwort ist Agilität. Wir leben in einer Welt, die sich immer schneller dreht, besonders in der Softwareentwicklung. So reagieren wir beispielsweise mit wöchentlichen Releases auf Updates in unserem Ecosystem. Natürlich muss der Service ebenfalls immer auf dem neuesten Stand sein. Deshalb arbeiten bei uns Produktentwicklung und Service Hand in Hand.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung für Ihren Service?

Kessler: Eine sehr wichtige. Auch unternehmensintern evaluieren wir jedes Tool, das wir in der Firma einsetzen, ganz genau, und entscheiden uns meist für agile, offene und cloudbasierte Anwendungen. Dabei hilft, dass mein Teilhaber und ich uns schon seit Jahren im Software-Umfeld bewegen. Auch unser Team trägt das mit. Das sind größtenteils junge bis sehr junge Leute, Digital Natives, die von ihrem Arbeitgeber erwarten, jene Tools anzubieten, die sie auch privat nutzen. „Kennst du das schon? Hast du dir das schon mal angesehen? Dieses Tool könnte uns weiterbringen!“ Solche Gespräche sind bei uns an der Tagesordnung.

Was tun Sie, um eine Service-Kultur zu etablieren?

Kessler: Wir nutzen beispielsweise den Net Promoter Score, eine Kennzahl, die angibt, wie viele unserer Kunden uns weiterempfehlen würden. Dieser liegt derzeit bei +8. Das ist im Branchenvergleich sehr gut, aber wir wollen uns weiter steigern. Ein weiteres Prinzip, mit dem wir arbeiten, ist der so genannte Customer-Success-Gedanke, dessen höchste Maxime es ist, den Kunden zufriedenzustellen. Auch dabei kommt wieder die datenbasierte Analyse ins Spiel, mit der wir untersuchen, wie unsere Kunden noch effizienter arbeiten können. Mit den Ergebnissen gehen wir dann proaktiv auf sie zu. So werden wir aktiv, bevor Probleme überhaupt entstehen können.

Was ist die größte Stärke von HERO Software und gibt es auch eine Schwäche?

Kessler: Unsere größte Stärke ist eindeutig unser hervorragendes Team mit mehr als 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Tendenz steigend. Das sind, wie erwähnt, überwiegend junge Leute, die für unsere Sache brennen. Ohne sie, ihre Leistung und ihren Einsatz, wären wir heute nicht da, wo wir sind. Und dafür möchte ich an dieser Stelle jeder Kollegin und jedem Kollegen ausdrücklich danken.

Rückblickend war es vielleicht eine kleine Schwäche, dass wir unser enormes Wachstum unterschätzt haben. Im Nachhinein hätten wir uns viele Sorgen, die man als Gründer so hat, sparen können. So sind wir beispielsweise wunderbar durch die Corona-Krise gekommen und sind in dieser Zeit sogar überdurchschnittlich stark gewachsen.

Sie haben die Coronakrise angesprochen. Was konnten Sie daraus für Ihr Unternehmen lernen?

Kessler: Was die IT-Branche schon seit Jahrzehnten predigt, hat sich bewahrheitet: Die Remote Arbeit von kleinen als auch großen Teams funktioniert. Studien haben schon vor vielen Jahren gezeigt, dass Mitarbeiter im Schnitt sogar länger am Rechner sitzen, wenn sie ihre Arbeit von zu Hause aus erledigen dürfen. Das ist im Handwerk zwar nur zum Teil möglich, zum Beispiel in der Administration, aber es gilt gleichermaßen für die Anbindung der mobilen Mitarbeiter. Von wo aus jemand arbeitet, ist letztlich irrelevant – solange er von überall aus auf alle relevanten Daten zugreifen kann. Dafür eignet sich eine Cloud-Architektur ideal.

Als zweites Learning haben wir gesehen, dass Cloud-Lösungen ungemein an Attraktivität gewonnen haben. Die Pandemie hat als Katalysator für die Digitalisierung gewirkt und die zahlreichen Vorteile von Cloud-Lösungen waren plötzlich sehr gefragt. Dazu zählt die Möglichkeit der schnellen Skalierung, eine hohe Geschwindigkeit beim Roll-Out sowie die schnelle und einfache Einarbeitung von Kolleginnen und Kollegen.

Wie sieht für Sie die Zukunft der Arbeit aus?

Kessler: Die Zukunft der Arbeit sehen wir in einem immer flexiblerem und räumlich verteilten Arbeitsumfeld. Diese neue Flexibilität liegt nicht nur im Interesse der Mitarbeiter, sondern auch in dem der Firmen. So haben wir beispielsweise Kollegen in München, Stuttgart und Berlin, die wir durch Team-Events am Firmenleben teilhaben lassen.

Worauf wir stolz sind: Wir legen viel Wert auf ein spannendes und inspirierendes Arbeitsumfeld. So haben wir zum Beispiel Workation ins Leben gerufen. Wir mieten ein Haus in Portugal, von dem aus wir gemeinsam in toller Atmosphäre arbeiten. Durch diese Maßnahme fördern wir enorm die abteilungsübergreifende Kommunikation der räumlich stark verteilten Teams. Zudem entsteht ein sehr motivierendes Arbeitsumfeld, wenn man abends nach einem erfolgreichen Tag noch ein gemeinsames Bier am Pool trinken kann. Auch sonst verbringen wir gerne viel Zeit miteinander und organisieren beispielsweise eine Reihe von Veranstaltungen außerhalb der Firma – wie einen Spendenlauf und andere regelmäßige Team-Events.

03.06.2022
  • Drucken
Zur Startseite