Gastbeitrag

Strategiehacks

So bleibt der Vertrieb zukunftsfähig

Der Vertrieb wird immer digitaler. Verkaufsexperte Oliver Schumacher nennt in seinem Gastbeitrag fünf Eigenschaften, um erfolgreich zu bleiben. Und Vorwerk-Vorstandssprecher Dr. Thomas Stoffmehl erklärt, warum er nicht auf Verkaufsroboter setzt.

Abstrakte Grafik eines Mannes mit Aktenordner, der in einem Loch in der Wand verschwindet, als symbolische Darstellung für den Vertrieb

09.08.2024

Neben den technischen Möglichkeiten haben sich zuletzt im Vertrieb auch das Verhalten und die Loyalität der Kundschaft dramatisch verändert. Wer vor wenigen Jahren noch relativ einfach potenzielle Ansprechpersonen im Kundenbetrieb persönlich oder telefonisch erreichen konnte, sieht sich jetzt aufgrund von DSGVO, Homeoffice-Regelungen oder auch dem Verweis auf E-Mail-Kontakt neuen Hürden ausgesetzt.

Auch Preisgespräche laufen nun häufig anders ab. Zwar wurde schon immer in gewissen Branchen mit harten Bandagen gekämpft, doch jetzt kommen oft noch externe Einkaufsberater und -beraterinnen hinzu, die auf Erfolgsbasis arbeiten. Zudem berichten erste Vertriebsabteilungen, sie führten die Preisverhandlung nicht mit einem Menschen, sondern mit einer KI.

Die Kundschaft scheint sich deutlich schneller weiterentwickelt zu haben als so manche Vertriebsteams. Bei der Auswahl von Mitarbeitenden und bei deren Entwicklung sollte speziell auf folgende fünf Eigenschaften geachtet werden, um nicht nur eine Ansprache auf Augenhöhe zu bieten, sondern auch Arbeitskräfte zu haben, die künftig besser für eine gute Auftragslage, attraktive Margen und gesundes Wachstum sorgen.

1. Leidensfähigkeit im Vertrieb

Neben Mut, Erfolgswille und Kreativität ist vom Vertriebsmitarbeitenden Leidensfähigkeit gefragt, um beispielsweise bei der Akquise am Ball zu bleiben. Das heißt nicht, dass man sich von Kunden und Kundinnen alles gefallen lassen muss. Aber wer zu einem Partner, der beispielsweise die Geschäftsbeziehung gekündigt hat, aus Trotz niemals wieder den Kontakt aufnimmt, sieht es zu persönlich. Die Loyalität sinkt nun einmal, was aber nicht generell heißt, dass deswegen Kontakte nicht auch wieder zurückkommen wollen.

2. Beziehungsmanagement

In einer Zeit, in der immer mehr digital abläuft, ist das Risiko groß, selbst vorschnell E-Mails und Chat-Nachrichten zu schreiben. Doch auch in Zukunft kaufen Menschen von Menschen. Darum können sich gerade die Vertriebsmitarbeitenden von ihrer Konkurrenz abgrenzen, die den persönlichen Kontakt zu Geschäftspartnern und -partnerinnen suchen. Sei es durch Netzwerken auf Veranstaltungen wie Messen, das mutige Telefonat statt der standardisierten E-Mail nach einer Kundenreklamation oder auch einfach nur die handgeschriebene Postkarte zum Geburtstag.

3. Relevanz

Aufgrund von immer mehr Reizen und Ablenkungen im Alltag fällt es Menschen zunehmend schwer, den Fokus zu behalten. Das Risiko ist groß, dass beispielsweise ein angesprochener potenzieller Kunde nach 15 Sekunden gedanklich aussteigt, wenn es dem Vertriebsmitarbeiter nicht gelungen ist, für Interesse und Relevanz zu sorgen. Im Idealfall dagegen denkt ein Gegenüber: „Wenn ich jetzt nicht weiter zuhöre, begehe ich einen Fehler!“ Vertriebsmitarbeitende, die ihre Mehrwerte nicht auf den Punkt bringen, werden es daher zukünftig noch schwerer haben, da die kundenseitige Geduld zusätzlich sinken wird.

4. Selbstbewusstsein

Gerade wenn perspektivisch die Kundschaft glauben könnte, sie sitze verhandlungstechnisch am längeren Hebel, weil sie beispielsweise mit einem Wechsel zur Konkurrenz, negativer Öffentlichkeitsarbeit oder auch Zahlungsverzögerungen drohen könne, ist es elementar, sich als Vertrieb nicht erpressen zu lassen. Dies erfordert nicht nur eine starke Kommunikationsfähigkeit der Einzelnen, sondern braucht auch angemessene Verhandlungsspielräume sowie Rückendeckung seitens deren Führung.

5. Technologische Affinität

Es gibt aktuell immer noch viele Vertriebsmitarbeitende, die autogenerative KI-Chatbot-Systeme wie beispielsweise ChatGPT noch niemals genutzt haben. Weitere meiden nach wie vor Videokonferenzsysteme wie MS-Teams oder Zoom. Doch der Vertrieb der Zukunft verlangt von seinen Spitzenkräften, dass sie nicht nur das machen, womit sie sich wohlfühlen, sondern auch das, womit sie ihre Ziele wirtschaftlich und optimal erreichen. Mehr Mut zur und weniger Angst vor Veränderung werden entscheidende Erfolgsschlüssel sein.

Porträtfoto von Mann mit Brille

Oliver Schumacher

ist Verkaufstrainer, Redner und siebenfacher Buchautor

Kein Job für Roboter

Vorwerk steht für Produkte, die mit neuen Technologien den Alltag schneller und einfacher machen. Trotzdem bleibt der Mensch der größte Faktor für den Erfolg von Thermomix, Kobold & Co.

Dr. Thomas Stoffmehl

Dr. Thomas Stoffmehl

ist Sprecher des Vorstands der Vorwerk Gruppe

Werden in Zukunft Verkaufsroboter in Wohnzimmern stehen, um dort Saugroboter zu präsentieren?

Der Kern unseres Erfolgs ist ein enger persönlicher Austausch. Auch wenn wir neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen sind, bin ich überzeugt, dass dieser Kontakt nur zwischen Menschen möglich ist und nie durch einen Verkaufsroboter.

Warum?

Der Verkauf unserer Produkte funktioniert nur, wenn die Kundinnen und Kunden sehen, was sie können. Dabei ist das Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Kunde essenziell. Es geht viel um Beziehungsaufbau und -pflege – und das funktioniert nicht ohne Empathie. KI kann echte Interaktion zwischen Menschen auf lange Sicht zwar maximal nachahmen, aber nie ersetzen.

Was sehen Sie gerade als größte Herausforderung für den Direktvertrieb?

Umsatzwachstum basiert auf Beraterwachstum. Entsprechend richten wir unser gesamtes Handeln darauf aus, bestehende Beraterinnen und Berater optimal zu unterstützen und neue zu rekrutieren. Hinzu kommt das Thema Digitalisierung. Gerade in Feldern wie Datenanalyse und -management oder der Entwicklung von digitalen Produkten sehen wir immenses Potenzial und arbeiten an KI-basierten Lösungsansätzen. Dabei legen wir großen Wert darauf, unsere Leute bestmöglich zu schulen und unsere Kultur der Offenheit gegenüber Innovationen auszubauen.