Conversational AI

Mithilfe von smarten Chatbots die Customer Journey optimieren

„Selbst spontane, unerwartete Inhalte sind bis zu einem gewissen Punkt für Chatbots kein Problem“, erklärt Director Intelligent Automation Andreas Weick des IT-Unternehmens CGI Deutschland. Er berichtet, wie die Systeme schon heute helfen können, die digitale Kommunikation in der Customer Journey zu verbessern.

01.07.2021

Andreas Weick

ist Director Intelligent Automation bei CGI. Als Experte im Informations- und Kommunikationsmanagement war er mitverantwortlich für die Gestaltung und den Betrieb der Unternehmens-IT bevor er in die Beratung wechselte. Inzwischen unterstützt er seit mehr als 15 Jahren Kunden aus verschiedenen Branchen bei der Digitalisierung und Automatisierung ihrer Business- und IT-Prozesse.

Smarte Bot-Systeme sind derzeit in puncto digitaler Kommunikation in aller Munde. Was können die Sprachroboter leisten?

Andreas Weick: Smarte Bot-Systeme können im Grunde alle Services übernehmen, die der Kunde eigenhändig über das Webportal tätigt. Das beginnt bereits bei einer einfachen Änderung der Kundendaten und geht weiter bis hin zur vollständigen Übernahme von komplexeren Kaufprozessen. So wäre etwa das Buchen einer kompletten Dienstreise – inklusive Flug- und Bahnverbindungen, verfügbarer Hotels oder Mietwägen – nach  festgelegten Unternehmensrichtlinien möglich. Ein gut durchdachtes Bot-System könnte aber auch eigenständig Produkte auswählen, einen Schaden oder eine Reklamation melden sowie einen Vertrag bei einem Mobilfunkanbieter, Versicherer oder Stromversorger abschließen.

Vor einigen Jahren ging ein Ereignis durch die Medien: Ein Chatbot telefonierte mit einer Frisörin und vereinbarte ohne menschliche Hilfe einen Termin. Viele sahen darin den Durchbruch der Künstlichen Intelligenz, andere kritisierten, dass die KI nur innerhalb eines Kontextes kommunizieren könne. Wo stehen wir heute?

Weick: Was vor einigen Jahren noch außergewöhnlich klang, ist jetzt in einigen Branchen durchaus schon im Businessalltag angekommen. Heute kann ein gut eingelernter Chatbot komplexere Ausdrücke in natürlicher Sprache verstehen und frei formulierte Texte verarbeiten. Selbst spontane, unerwartete Inhalte sind bis zu einem gewissen Punkt kein Problem. Dadurch ist einen Dialog zwischen Mensch und Maschine, der annähernd einem Gespräch mit einer realen Person entspricht, auf jeden Fall möglich. Sofern also genug Ressourcen zur Verfügung stehen, um einen zuverlässigen Chatbot zu etablieren, kann ein übliches Buchungstelefonat durchaus von diesem übernommen werden.

Der Begriff „Conversational Artificial Intelligence“ fällt oft in diesem Zusammenhang. Welche Rolle spielt die Technologie bei selbstlernenden Bot-Systemen?

Weick: Bei der Conversational Artificial Intelligence, kurz Conversational AI, handelt es sich um automatisierte Dialogsysteme, die von Künstlicher Intelligenz unterstützt werden. Im Gegensatz zu einfachen Chatbots oder früheren Spracherkennungssystemen kann Conversational AI eben auch natürliche Sprache und komplexere Inhalte verstehen. Mit der Zeit lernt das System immer mehr Formulierungen für ein jeweiliges Anliegen, da sich Nutzer im Dialog stets unterschiedlich ausdrücken. So erhöht sich nach und nach die Quote der richtig erkannten Anliegen. Diese Eigenschaft, natürliche Dialoge interpretieren zu können, macht die Conversational AI zu einem attraktiven Tool für den gesamten Bereich der Dienstleistungen. Dank des Einsatzes von Conversational AI bekommt der Kunde nämlich die Möglichkeit, seine Anfragen, Bestellungen oder Informationsbeschaffungen bequem im Dialog abzuwickeln, anstatt ein meist unbeliebtes Formular auszufüllen. Aktuelle Erkenntnisse zeigen zudem, dass Nutzer auf Nachrichten über Messenger oder Chat besonders schnell und häufig reagieren – ein weiterer Punkt, der für den Einsatz von Conversational AI spricht.

Können Sie Beispiele nennen, in denen selbstlernende Bots in der Customer Journey zum Einsatz kommen?

Weick: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, im Laufe der Customer Journey einen selbstlernenden Bot einzusetzen – entweder über ein Chat-Fenster oder ein Voice Gateway. Dieser smarte Bot kann etwa als Concierge auftreten, der ein in natürlicher Sprache vorgetragenes Anliegen eines Kunden aufnimmt und der anschließend entscheidet, an welche Abteilung er ihn weiterleitet. Möglich ist auch ein Aufritt als Berater, der Fragen zu Produkten oder laufenden Prozessen wie dem Lieferstatus beantwortet. Ein komplexerer Bot kann den Kunden sogar durch den gesamten Bestellprozess navigieren, indem er alle notwendigen Daten erfragt und parallel die erforderlichen Aktivitäten im Hintergrund in die Wege leitet. So kann der gesamte Prozess, von der Bestellung bis zur Lieferung, vollständig automatisiert werden. Während der Interaktion reagiert der Bot, also die Conversational AI, unmittelbarer auf den Kunden. So kann ein Unternehmen die Customer Journey situativer gestalten und entlang der Touchpoints ein angenehmes Erlebnis für den Kunden erzeugen und ihn bestenfalls sogar begeistern.

Bedingt durch die Coronapandemie nimmt die Digitalisierung in Deutschland Fahrt auf. Auf der anderen Seite wird aber auch der persönliche Kontakt zunehmend wichtiger. Wann ist die Nutzung der smarten Bot-Systeme effizient, wo sollte man es hingegen lieber lassen? Gibt es auch Fälle, in denen Kunden negativ auf den Einsatz von Bots reagieren?

Weick: Neue Technologien lösen stets eine gewisse Faszination aus, gleichzeitig aber auch Skepsis. Das liegt in der Natur des Menschen und so sind auch Chatbots davon betroffen. Auf eine bestimmte Eingewöhnungszeit muss man sich also einstellen. Allerdings lohnt sich der Einsatz eines Bots meist bereits bei der Gesprächsannahme: eine Conversational AI kann erste Anliegen identifizieren und einem bestimmten Bereich zuordnen. Dadurch wird die Kontaktaufnahme sofort effizienter und komfortabler, sowohl für den Kunden, als auch für das Unternehmen, da sich Wartezeiten verkürzen und Mitarbeiter entlastet werden. Es gibt allerdings auch Bereiche, in denen zwingend eine Beratung durch eine Person vorgeschrieben ist – beispielsweise beim Verkauf von Medikamenten oder bei rechtlichen Angelegenheiten. Hier kann ein Bot zur Gesprächsannahme und zur optimierten Weiterleitung an die richtige Person eingesetzt werden, aber nicht den gesamten Vorgang abwickeln.

Wohin geht die Reise mit den selbstlernenden Bot-Systemen?

Weick: Generell wird der Einsatz von Intelligenter Automation und selbstlernenden Bots deutlich zunehmen. Die Conversational AI wird mit immer mehr Daten und Fähigkeiten angereichert, um Gesichter zu erkennen und die Gefühlslage des Kunden aus Mimik oder Sprache zu erfassen – ein echter Vorteil für die Verbesserun der Customer Journey. Die Technologien sind schon sehr weit fortgeschritten und werden kontinuierlich weiterentwickelt. CGI implementierte bereits seit mehreren Jahren erfolgreich solche Lösungen. In Finnland wird damit beispielsweise die Stimmungslage bei Konzerten evaluiert. Uns wird es aber nicht so schnell gelingen, einer Künstlichen Intelligenz unser menschliches „Bauchgefühl“ mitzugeben – es ist nach wie vor fraglich, ob dies überhaupt jemals möglich sein wird. Außerdem werden Vorbehalte bestehen bleiben, Entscheidungen völlig in die Hand einer KI zu geben. Und es wird weiterhin Kunden geben, die lieber mit einer realen Person sprechen wollen oder virtuelle Agenten gänzlich ablehnen. Schließlich geht es um Beziehungen und Emotionen. Ein virtueller Assistent kann und wird den Menschen also nicht vollständig ersetzen, aber immer besser unterstützen.