Illustration von einer Frauen im Bildschirm, die auf d2c hinweisen soll
25.08.2021    Fabian J. Fischer
  • Drucken

Folgendes Szenario: Sie gehen an vielen ansprechenden Schaufenstern vorbei, bekommen aber nicht die Möglichkeit, etwas zu kaufen. Die meisten Menschen kennen das vor allem aus Einkaufsstraßen, die sie abends besuchen. Doch mitunter galt dies auch lange im Internet.

Kasten für die Kolumne von Fabian Fischer

Egal ob Bekleidungsmarke oder Kosmetikhersteller: Über viele Jahre gab es auf den jeweiligen Websites für Kundinnen und Kunden nur die Möglichkeit zu gucken, aber nicht zu kaufen. Nur wenige Marken boten die Option zur direkten Bestellung über einen Online-Shop an. Das hat sich massiv geändert. Doch für Unternehmen ist dies nicht zwangsläufig positiv – es ist eher Fluch und Segen gleichermaßen.

Warum viele Unternehmen erst jetzt auf D2C setzen

Warum es beides – Fluch und Segen – ist, hat viel mit etablierten Strukturen zu tun. Denn über Jahrzehnte funktionierte der Vertrieb in mehrstufigen Handelsstrukturen: Es gibt Hersteller, etwa von Bekleidung oder Matratzen, die nur selten eigene Stores haben. Stattdessen gehen ihre Waren über Zwischenhändler an die Endkunden. Diese Strukturen kennen wir aus den Innenstädten, wo die großen Modehäuser die T-Shirts und Hosen anderer Marken verkauften. Sie übertrugen sich so auch weitgehend ins Internet, wo die großen Plattformen ebenfalls die Produkte anderer verkauften.

Einen Online-Shop aufzubauen scheuten viele Hersteller, weil sie es sich nicht mit den Händlern verscherzen wollten. Ganz nach dem Motto „Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach“ wagten es nur wenige, einen eigenen Shop mit völlig unvorhersehbarem Bestellaufkommen zu etablieren, wenn zugleich die Gefahr drohte, Handelspartner vor den Kopf zu stoßen.

Und dann kamen die Corona-Shutdowns. Plötzlich waren die Handelsstrukturen, gerade die stationären, irrelevant. Die physischen Geschäfte hatten geschlossen. Nun sahen viele Unternehmen ihre Chance: Sie konnten die Nachfrage der Endkundinnen und Endkunden befriedigen und einen Direct-to-Consumer-Ansatz etablieren, ohne ihre bestehenden Partner zu verprellen. Wären da nicht die zahlreichen Herausforderungen, Direct-to-Consumer, kurz: D2C, erfolgreich umzusetzen.

Illustration von Fabian Fischer

Fabian J. Fischer ist ein Hamburger Unternehmer, digitaler Vordenker und Investor. Als CEO von Etribes verantwortet er die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens, das mittelständische Unternehmen und Dax-Konzerne bei den Herausforderungen der Digitalisierung berät. Fischer ist ebenso Co-Founder von Picea Capital, einem Evergreen Venture Capital Fund mit Fokus auf Early-Stage-Technologieunternehmen.

D2C stellt Strukturen in Unternehmen völlig auf den Kopf

Plötzlich war D2C nicht nur eine Chance, sondern eine Notwendigkeit. Aber „mal schnell“ einen Online-Shop aufbauen mag zwar für viele Start-ups funktionieren – nicht aber für ein etabliertes Unternehmen. Buchhaltung, Produktmanagement, Logistik – all das musste neu durchdekliniert werden. Wie können wir einzelne Pakete statt ganzer Paletten verschicken? Wie passen wir Produkttexte für Endkunden an? Wie machen wir das Rechnungsmanagement? Einen D2C-Vertrieb zu etablieren, zieht sich quer durch das gesamte Unternehmen. Entsprechend groß ist der Aufwand, entsprechend nötig sind fachkundige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ganz neue Fähigkeiten sind auf einmal wichtig und gesucht: SEO und SEA, Produktbilder- und Video-Erstellung und vieles mehr. Dieses Know-how muss erstmal ins Unternehmen kommen.

Bis die Strukturen für Direct-to-Consumer geschaffen sind, wird es in einigen Unternehmen noch dauern. Der Siegeszug wird jedoch kommen, viel zu margenträchtig ist der Direktvertrieb und Geld lässt kein Unternehmen gerne auf der Straße liegen.

D2C erfordert neue Geschäftsmodelle für langfristigen Erfolg

Dafür werden sich viele Unternehmen jedoch weiterentwickeln müssen: Hochpreisige Produkte wie eine Küchenmaschine oder eine Säge kaufen Kundinnen und Kunden nur selten. Welche Gründe liefere ich ihnen, um regelmäßig meinen Shop zu besuchen und bei mir einzukaufen? Gelingt es mir etwa, einen „Recurring Revenue“, einen wiederkehrenden Umsatz, durch ein Abo oder Services zu etablieren? Oder schaffe ich es, eine Markenbindung herzustellen und biete ein Sortiment nur für meinen Shop, welches wiederkehrende Webseitenbesuche attraktiv macht? Vor diesen strategischen Fragen stehen viele Unternehmen.

Dass wir uns beispielsweise das neue T-Shirt der Lieblingsmarke direkt im markeneigenen Online-Shop kaufen und uns das Obst mit einem Wochen-Abo direkt vom Bauern liefern lassen, wird ein Teil der Zukunft des Einkaufens sein. Welche Rolle die Händler in dieser Zukunft spielen, wird letztlich davon abhängen, welche neuen Mehrwerte sie in die Kundenbeziehung einbringen – und ob sie der Land-and-Expand-Strategie der Hersteller etwa mit Eigenmarken entgegentreten können.

Kolumnen, Kommentare und Gastbeiträge auf DUP-magazin.de geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.
25.08.2021    Fabian J. Fischer
  • Drucken
Zur Startseite