Frische Milliardenschulden für die marode Infrastruktur. Ein Bündel zum Bürokratieabbau aus Brüssel von der EU-Kommission. Die Startbedingungen für die kommende Bundesregierung könnten wirtschaftspolitisch schlechter sein, auch wenn weiter Gegenwind von der Geopolitik droht. Jetzt könnten schnelle Entscheidungen folgen, mit denen Berlin den richtigen Rahmen setzt für neues Wachstum. Die kommende Bundesregierung täte gut daran, dabei den Mittelstand in den Fokus zu rücken – denn kleinere und mittelgroße Unternehmen (KMU) bleiben das Rückgrat unserer Wirtschaft.
Die Pain Points des Mittelstands
Bürokratieabbau hatten sich im Wahlkampf wohl alle Parteien wohlfeil auf die Fahnen geschrieben. Er ist angesichts von rund 100.000 Einzelvorschriften, die die Unternehmen in Deutschland lähmen, bitter nötig. Besonders betroffen hiervon ist der Mittelstand: Viele KMU verfügen eben nicht über große Rechtsabteilungen – oft verzetteln sie sich wortwörtlich in den vielen Vorgaben der Politik. Viele davon gehören abgeschafft, um eine neue wirtschaftliche Dynamik zu entfesseln. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands langfristig zu sichern und zu steigern, sollten diese Pain Points vordringlich angegangen werden:
- Fachkräftemangel:
Die oft vergebliche Suche nach qualifiziertem Personal bleibt ein drängendes Problem in vielen Branchen. Deshalb muss sich die neue Koalition rasch einigen auf einfache, verständliche und international attraktive Regelungen zum Zuzug auf den deutschen Arbeitsmarkt. Und um die Grundeinstellung zur Arbeit in der ansässigen Bevölkerung wieder zu ändern, sollte über allem ein Grundsatz stehen: Leistung muss sich lohnen! - Chancengleichheit:
Für große Unternehmen holen Steuerfachleute oftmals Millionenbeträge im Jahr heraus. Bei mittelgroßen und kleineren kommt dabei deutlich weniger heraus. Daher muss das (Unternehmens-)Steuerrecht viel einfacher werden und für jeden verständlich! - Künstliche Intelligenz:
Nur etwa jedes zehnte Unternehmen in Deutschland hat konkrete Pläne für den KI-Einsatz. Darum muss sich die neue Bundesregierung dafür einsetzen, dass die zu restriktive Regulierung auf EU-Ebene aufgehoben wird. Dann können Investitionen in diese Zukunftstechnologie die Wettbewerbskraft auch des Mittelstands steigern!
Steuern statt mosern
Das alles wird natürlich dauern. Zu lange für viele Unternehmerinnen und Unternehmer. Denn diese, das erfahre ich jeden Tag in meiner Beratungspraxis, steuern lieber selbst auf dem Fahrersitz statt im Fonds sitzend zu mosern. Sie sollten auch nicht darauf warten, dass die Politik endlich die Bremsen für Wachstum und Beschäftigung löst. Statt zu resignieren, machen Chefs und Chefinnen selbst Tempo – und ihre Hausaufgaben.
Lieber selbst auf dem Fahrersitz steuern statt im Fonds sitzend zu mosern.
Das geht einfacher mit, aber eben auch ohne Hilfestellungen aus der Politik. Und es ist nötig. Erfahrungen etwa aus der Finanzkrise 2008/09 lehren uns, dass große ökonomische Schocks circa drei Jahre Nachlauf brauchen. Jetzt, drei Jahre nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine und den dadurch ausgelösten wirtschaftlichen Verwerfungen, müssen Unternehmen daher die Weichen stellen für eine langfristige Erholung der deutschen Wirtschaft und insbesondere des Mittelstands.
Dynamisch agieren!
Die KMU sollten sich aufstellen für die Durststrecke. Resilienzchecks, das Prüfen der Robustheit des eigenen Geschäftsmodells sind nötig. Die Finanzlage muss unter verschiedenen Szenarien durchgespielt werden, eine mögliche Verlustsituation auch gegenüber den Finanzierern kommuniziert werden. Keine Inhaberin, kein Inhaber sollte die kommenden Jahre des Leidens einfach über sich ergehen lassen, sondern sich proaktiv mit Lösungen beschäftigen – und dynamisch agieren!