LGBTIQ+-Recruiting ist nicht nur ein Thema für Konzerne. Auch mittelständische Unternehmen sollten sich für die Szene stark machen und ihre Sichtbarkeit fördern. UHLALA, eine Organisation, die Unternehmen dabei hilft, das Thema Vielfalt voranzutreiben und die LGBTIQ+-Community sichtbarer zu machen, zeichnet mit dem jährlichen „LGBTIQ+ Diversity Audit“ kleine und große Firmen aus, die sich für Diversität einsetzen.
Denn die Bedeutung von Diversität und die Sensibilität ihr gegenüber ist im zurückliegenden Jahrzehnt extrem gewachsen – auch im Berufsleben. Das zeigt die Entwicklung der „Charta der Vielfalt“, einer Initiative, die sich seit der Gründung im Jahr 2006 für Vielfalt am Arbeitsplatz einsetzt. Waren es zu Beginn rund 200 Unternehmen, sind es mittlerweile über 4.000 Unternehmen, welche die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet haben.
Zeit für Veränderung
Handlungsbedarf besteht aber weiter. „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels kann ein diverses Team ein entscheidender Wettbewerbsfaktor im Kampf um junge Mitarbeitende sein“, sagt Marc Wittbrock, Geschäftsführer des Deutschen Innovationsinstituts für Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Doch auch wenn das Geschlecht und vor allem die sexuelle Orientierung keinen Einfluss auf die Bewertung von Leistung und Talent haben sollten, sieht die Realität in deutschen Firmen oft anders aus.
Eine wissenschaftliche Untersuchung ergab, dass LGBTIQ+ überwiegend in sozialen und kreativen Berufen arbeiten. Unterdurchschnittlich wenige haben einen Job im natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Sektor, obwohl sie die gleichen Ausbildungsqualitäten wie Heterosexuelle vorweisen. Grund dafür sind Diskriminierungen, die LGBTIQ+ in diesen beruflichen Umfeldern eher erfahren als in anderen. Dabei vergeben Firmen gerade in den MINT-Berufsfeldern – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – zahlreiche Möglichkeiten, denn Diversität bietet Unternehmen viele soziale und strategische Chancen.
LGBTIQ+-Recruiting bringt mehr Erfolg
Zahlreiche Studien untersuchen seit vielen Jahren den Einfluss von Diversität auf Geschäftserfolge. Auch eine internationale McKinsey-Analyse von 2021 hat den Zusammenhang zwischen Diversität und Erfolg bestätigt. Analysiert wurden 1.000 Unternehmen in 15 Ländern. All jene Firmen, die eine hohe Gender-Diversität aufweisen, haben eine um 25 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Bei einem diversen Vorstand liegt der Wert sogar bei 36 Prozent. Heißt: Die Diversität eines Teams spiegelt sich im Erfolg des Unternehmens wider.
Beim Diversity-Recruiting kommt es allerdings nicht nur darauf an, Frauen und Männer zahlenmäßig im Gleichgewicht zu halten, sondern den Menschen mit all seinen Eigenschaften zu berücksichtigen und so ein vielfältiges Team zu gestalten. Ein Team mit verschiedenen Charakteren und Typen hat nicht nur ein breites Spektrum an Fähigkeiten. Es kann im gegenseitigen Austausch vor allem auch mehrere Perspektiven sowie innovative Ideen und Lösungsansätze entwickeln. Ein diverses Team ist allerdings nicht nur für die Unternehmensreputation hilfreich, sondern es hat auch soziale Vorteile. Denn in diversen Gruppen fühlen sich alle Arbeitnehmenden wohler und können so sein, wie sie sind. Das wiederum führt zu einem besseren Ideenfluss und einer daraus resultierenden höheren Produktivität.
Beim Recruiting ist es aber wichtig, die richtige HR-Verantwortliche beziehungsweise den richtigen Personalverantwortlichen einzusetzen. Laut eines LinkedIn-Trend-Reports zum Thema Recruiting schlagen rund 42 Prozent des Diversity-Recruitings fehl. Grund dafür ist oftmals die Voreingenommenheit der interviewenden Person. Schulungen helfen, sich mit den Wünschen und Bedürfnissen von potenziellen LGBTIQ+-Mitarbeitenden vertraut zu machen. In Stellenangeboten ist es zudem ratsam, gendergerechte Sprache zu verwenden. Denn: Wer gendert, präsentiert sich als fortschrittliches Unternehmen, das am Puls der Zeit agiert.
Mehr Sichtbarkeit der LGBTIQ+-Szene schaffen
Den Mehrwert einer LGBTIQ+-inklusiven Unternehmenskultur haben viele Firmen bereits erkannt. „Dennoch gibt es gerade hier weiterhin großes Potenzial“, erklärt diind-Chef Wittbrock. Er empfiehlt Unternehmen, ihr Recruiting anzupassen und zum Beispiel Messen zu nutzen, die sich speziell an die LGBTIQ+-Szene richten, um sich als divers und zukunftsorientiert zu präsentieren.
Die Jobmesse „STICKS & STONES“ etwa hat sich seit der Gründung 2009 als eine renommierte Veranstaltung etabliert, auf der auch Unternehmen wie die Deutsche Bahn, McKinsey & Company oder Pfizer Deutschland nach diversen Beschäftigten suchen. Neben Messen sorgen Unternehmen aber auch individuell für die Sichtbarkeit der LGBTIQ+-Szene auf dem Arbeitsmarkt. Der Handelskonzern METRO macht sich zum Beispiel stark für ein diverses Kollegium: „Wir fördern Offenheit, Wertschätzung, Raum für die persönliche Entfaltung und Engagement für die Community“, wird Sven Liebert, Head of Public Policy Germany des Großhändlers aus Düsseldorf, im Report „PRIDE-Index 2021“ zitiert.
Auch politisch wird mehr für die LGBTIQ+-Community getan. Als erstes Bundesland hat Berlin ein Landesantidiskriminierungsgesetz eingeführt, das bessere Möglichkeiten bieten soll, sich in Fällen von Diskriminierung durch Berliner Behörden zu wehren. Wird eine Diskriminierung durch eine Behörde etwa aufgrund der ethnischen Herkunft oder der sexuellen und geschlechtlichen Identität festgestellt, ist ein Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch möglich.
Die Bedeutung dieses Themas wird auch von der Bundesregierung durch das neu geschaffene Amt eines Queer-Beauftragten unterstützt. Es wurde vom Grünen-Politiker Sven Lehmann übernommen und ist beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angedockt. Lehmanns Aufgabe ist es vor allem, die Akzeptanz und den Schutz sexueller und geschlechtlicher Identität zu stärken. Ebenso sollen die Rechte von Trans-, Inter- und nichtbinären Menschen ins Grundgesetz aufgenommen werden.