Mit der Technologieoffenheit der Deutschen ist das so eine Sache. Je nach Anwendungsbereich stehen die Bundesbürgerinnern und -bürger Technologie mal mehr, mal weniger skeptisch gegenüber.
Wenn es etwa um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Recruiting geht, ist sich die Mehrheit einig: 64,7 Prozent lehnen das kategorisch ab und bewerten den Technik-Einsatz in diesem Bereich als negativ. Das zeigt die Studie „KI im Recruiting“ der IU Internationalen Hochschule.
Recruiting ist nichts für Technik?
Der Hauptgrund für die ablehnende Haltung: mangelndes Vertrauen. 65,2 Prozent der Befragten vertrauen Entscheidungen, die durch Algorithmen getroffen werden, nicht. Und: 58,6 Prozent der Befragten haben kein Vertrauen in Unternehmen, die KI im Recruiting einsetzen. Vier von fünf Befragten fühlen sich zudem weniger wertgeschätzt, wenn KI anstelle eines Menschen im Recruiting eingesetzt wird.
Knapp drei Viertel der Studienteilnehmer ist der Meinung, dass grundsätzlich jede Entscheidung im Bewerbungsprozess von Menschen getroffen werden sollte. Dennoch gibt es punktuell Offenheit für den Einsatz von KI – zumal 31,7 Prozent der Befragten überzeugt sind, dass durch Technologie das Bewerbungsverfahren beschleunigt werden kann.
Allerdings zeigen die Studienergebnisse auch: Je näher man im Bewerbungsprozess der finalen Entscheidung über die Besetzung einer Stelle kommt, desto eher wird die Nutzung der Technologie abgelehnt. Während noch 69,8 Prozent den Einsatz von KI beim Verfassen von Stellenanzeigen befürworten, stehen nur noch 38,1 Prozent der Anwendung von KI bei der Analyse von Wortwahl und Mimik im Vorstellungsgespräch positiv gegenüber.
Mangelnde Erfahrung als Grund für Skepsis
Der ganz große Haken an der Sache: Grund für die Skepsis gegenüber KI könnte vor allem fehlende Erfahrung sein. Denn 88,5 Prozent der Befragten gaben an, dass sie noch keine bewusste Erfahrung mit KI im Recruiting gemacht haben.
„Bewerberinnen und Bewerbern ist der Einsatz von KI im Bewerbungsprozess häufig gar nicht bewusst“, sagt Katharina-Maria Rehfeld, Professorin für Personalmanagement an der IU. „Und die Vorstellung von KI im Recruiting ruft bei einigen zunächst Skepsis hervor, da viele gar nicht wissen, wie und an welcher Stelle des Bewerbungsprozesses KI überhaupt ihren Einsatz findet. Wer einmal bewusst Erfahrung mit KI gemacht hat, ist in der Regel auch offener für ihren Einsatz. Es empfiehlt sich daher, die Anwendung von KI im Bewerbungsprozess transparenter zu machen.“
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten von KI im Recruiting
KI kann im Recruiting unter anderem bei folgenden Aufgaben unterstützen:
- Chatbots beantworten Fragen auf den Karriereseiten
- Gestaltung und Optimierung von Stellenanzeigen
- Auswahl geeigneter Kanäle zur Kandidatensuche
- systematische Analyse eingehender Bewerbungen
- Unterstützung in Assessment-Centern
- Führen und Analyse von Vorstellungsgesprächen
Aber: „Ein Blick in die meisten HR-Abteilungen zeigt, dass eine echte Künstliche Intelligenz bisher noch kaum Einsatz findet. Das hängt vor allem mit den hohen benötigten Rechenleistungen zusammen“, sagt Uwe Klappich, Director R&D und IT beim HR- und Payroll-Dienstleister SD Worx.
Eine echte KI wäre ein System, das kontinuierlich durch Daten dazulernt, indem es Muster erkennt und in der Folge neue Daten generieren kann, welche dann die Basis für logische, intelligente Entscheidungen sind. Chatbots dagegen greifen nur auf eine existierende Datenbank zurück, lernen aber nicht selbstständig dazu und können folglich auch keine intelligenten Entscheidungen treffen. „Im Moment sollten wir dementsprechend eher von einer Assistenz, als einer autonomen Künstlichen Intelligenz sprechen“, so Klappich.
Einsatz von KI im Recruiting sorgt für mehr Gerechtigkeit
Eine echte KI bietet bei der Suche nach neuem Personal durchaus einen sehr entscheidenden Vorteil gegenüber dem Menschen: „Sie denkt in Einsen und Nullen. Vorurteile und subjektive Wertung sind ihr fremd, sie entscheidet rein auf Faktenbasis – vorausgesetzt die KI-Algorithmen sind richtig programmiert“, betont Moser von der IU.
Dass der Unconscious Bias – also unbewusste, voreingenommene Neigungen von Menschen – durch KI im Bewerbungsprozess keine ganz so große Rolle mehr spielen, bewerten auch die von der IU im Rahmen der Studie „KI im Recruiting“ Befragten positiv. In Zahlen heißt das: Immerhin 32,9 Prozent sehen in der Nutzung von KI die Chance, Diskriminierung etwa aufgrund von Herkunft, Alter oder Geschlecht zu verhindern. Und 21,5 Prozent glauben, dass der Auswahlprozess gerechter wird, da KI Entscheidungen immer anhand derselben Kriterien – etwa der beruflichen Qualifikation – trifft.